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Digital In Arbeit

Mit dem Lesepaß in die weite Zeitungswelt

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Wer sich für eine Zeitung entschieden hat, der bleibt „seinem" Medium meist lange treu. Für die meisten Menschen ist die Zeitungslektüre in erster Linie ein täglicher Genuß, ein vergnüglicher Zeitvertreib. An zweiter und dritter Stelle stehen das Informationsbedürfnis und der Wunsch, mit anderen über die neuesten Nachrichten zu sprechen.

Trotzdem tritt ein Rückgang der Lesefrequenz in der gesamten Bevölkerung auf, der stärkste allerdings bei Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren, die noch zu Hause leben. Lasen 1987 noch 74 Prozent von ihnen die Zeitung, so waren es 1995 nur noch 62 Prozent. Eine solche Entwicklung könnte letztendlich dazu führen, daß Zeitunglesen zu einer nebensächlichen Tätigkeit verkommt, so wie das Durchblättern von Magazinen. Neue Leser müssen bei der Jugend, den Schichten mit geringer Bildung und den Einwanderern gefunden werden. Priorität besitzen dabei die Jungen.

In der westlichen Welt ist die Organisation „Newspaper in Education" (NIE, Zeitung in der Schule) das vielleicht wirksamste Marketinginstrument, um neue Leser zu gewinnen. In den Niederlanden verfolgt NIE die Politik, jene Ideen herauszugreifen, die die Schüler am effektivsten dazu bringen, Zeitungen zu lesen.

Die Tätigkeit von NIE in den Niederlanden besteht im wesentlichen aus drei Punkten: 1. Die freie Verfügbarkeit von Zeitungen. Der niederländische Zeitungsherausgeberverband hat vor 20 Jahren beschlossen, den Konkurrenzkampf nicht in den Bildungsbereich hineinzutragen- und einen gemeinsamen Gratisdienst einzurichten. Uber das nationale NIE-Büro können Lehrer alle Zeitungen anfordern, die am lokalen Markt angeboten werden. Das reicht von mindestens sechs bis zu zwölf Blättern in den Städten. Auf diese Weise werden Schüler mit den bestehenden Zeitungen konfrontiert; über die eine Zeitung hinaus, die sie von zu Hause kennen, eröffnet sich ihnen die volle Bandbreite aller in ihrer Region erhältlichen Zeitungen.

2. Es wurde erkannt, daß Lehrer -wenn überhaupt - kein ausreichendes Training erhalten, wie sie die speziellen Vorteile von NIE nutzen können. Deshalb sichert der niederländische Zeitungsherausgeberverband die Finanzierung für eine Abteilung im Erziehungsministerium, in der Unterrichtsmittel für alle niederländischen Zeitungen erstellt werden. Konzepte für Unterrichtsstunden können 1:1 von den Schulen übernommen werden. Alle Aufgaben beruhen auf dem Vorhandensein von Zeitungen im Klassenzimmer.

3. NIE deckt in den Niederlanden alle Schultypen und Schulstufen ab, vom Kindergarten bis hin zur Oberstufe, Schulen für Behinderte ebenso wie Lehrgänge für Einwanderer. Höchst erfolgreiche Aktivitäten sind der Lesepaß und das News-Quiz. Der l^esepaß, für die Altersgruppe der Zehn- bis Zwölfjährigen, belohnt alle Leseaktivitäten des Schülers. Diese kreative Idee wurde von sieben NIE-Ländern übernommen, von Argentinien bis Großbritannien. In Schulen für höhere Bildung regt das News-Quiz die Schüler an, ihre Lesezeit zu Hause auszudehnen, damit sie ihre Punktezahl beim monatlichen Quiz verbessern. Zeitungen verändern die Schüler: Untersuchungen haben gezeigt, daß Schüler, die Zeitungen lesen, Vorteile in sprachlichen und sozialwissenschaftlichen Fächern gegenüber jenen Schülern haben, die nicht an den NIE-Projekten teilnehmen. Von weiteren Untersuchungen erhofft man sich Aufschluß darüber, in welchem Alter Schüler am empfänglichsten für die Zeitungslektüre sind und wie lange solche Projekte im Idealfall dauern sollen, damit ein möglichst hoher Prozentsatz der Schüler zu lebenslangen Zeitungslesern wird.

Der Autor ist

Bildungsbeauftragter von „Zeitung in der Schule " in den Niederlanden. Übersetzt und redigiert von MichaelKraßnitzer.

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