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Meist ist nur vom „Verlagssterben“ die Rede. Dabei wird übersehen, daß es im letzten Jahrzehnt eine Fülle an Neugründungen gab, auch wenn sich nicht alle werden halten können.

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Meist ist nur vom „Verlagssterben“ die Rede. Dabei wird übersehen, daß es im letzten Jahrzehnt eine Fülle an Neugründungen gab, auch wenn sich nicht alle werden halten können.

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Die Branche der österreichischen Literaturverlage boomt mit 81 Neugründungen im letzten Jahrzehnt, allein im Vorjahr wurden zehn aus der Taufe gehoben, heuer kam „Blattwerk” hinzu. Im Literaturkatalog 1994 der IG-Autoren präsentieren somit 146 Verlage insgesamt 1.360 Titel.

„Die großen Verlage kümmern sich immer weniger um Belletristik” klagt Karin Kinast von der IG-Autoren. Sie würden zugunsten der gewinnreicheren Sachbücher in den Hintergrund gedrängt werden. Zahlreiche Autoren versuchen somit, im Verlagswesen Fuß zu fassen: „Bei den Klein- und Mittelverlagen handelt es sich bei zwei Drittel um Autoren, die selber schreiben“, berichtet Karin Kinast. Die Liebe zum Buch sei zuwenig, vielmehr müßten die Verlagsgründer mit sehr viel Bürokratie kämpfen, wobei Durchsetzungsvermögen gefragt sei. Wie hartnäckig ein Verleger immer wie-der den gleichen Weg gehe, um Förderungsgelder aufzutreiben, entscheide über Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens.

Die größte Hürde für die Kleinverlage sind Werbung und Vertrieb: Wie werden die Bücher bekannt und wie kommen sie an den Käufer? Direktverkauf bei Leseveranstaltungen ist manchmal der einzige Weg an die Öffentlichkeit, wenn Werbung zu kostspielig ist. Bei größeren Verlagen werden etwa zehn Prozent einer Auflage als Rezensionsexemplare verschickt. „In der Hoffnung auf Förderung hat sich schon so mancher Verleger verspekuliert“, erzählt Karin Kinast. „Aber auf Subventionen gibt es kein Anrecht.“

Spannungen zwischen Verleger und Autor ergeben sich manchmal schlicht und einfach aus Geldmangel, wenn das Autorenhonorar nicht ausbezahlt werden könne. Weil das Urheberrecht so kompliziert ist, bemüht sich die IG-Autoren um die

Ausarbeitung eines Mustervertrages als Schutz für die Autoren.

40 Millionen Schilling liegen im Topf der Verlagsförderung, 30 reserviert für die Programm-, zehn für die Einzelförderung. Marktfähige Verlage sollen dadurch systematisch unterstützt werden: Voraussetzung sind die Herausgabe von fünf Titeln jährlich, drei Jahre Gewerbeschein und dreijährige Praxis. Weiters ist ein Vertragsabschluß zwischen Verleger und Autor Bedingung, professioneller Be- und Vertrieb müssen außerdem nachgewiesen werden. Die höchste Dotierung liegt bei 750.000 Schilling dreimal jährlich - für Frühjahrs- und Herbstprogramme und für die PR- und Vertriebs - maßnahmen.

VERLAGSFÖRDERUNGSMODELL

„Die Gebahrungen müssen offengelegt werden, wodurch die Verleger zu Professionalität angehalten werden“, erklärt Gerhard Ruiss von der IG-Autoren, als Mitglied im Förderungsbeirat. Zusätzlich zu den Programmförderungen können Verlage um Geld für einzelne Publikationen ansuchen, zwischen zehn und 20 Prozent der Produktionskosten würden dadurch gedeckt werden. Die Transparenz bei der Geld vergäbe schließe Willkür aus. „Eines der wenigen Prunkstücke bei den österreichischen Förderungen“, meint Ruiss. Das Modell erhalte auch internationale Beachtung.

Betrachtet man die Programme der im letzten Jahrzehnt gegründeten Verlage, sticht ein Konzept besonders heraus: die Entdeckung der Provinz. Themen und Sprache bestimmter Regionen - teilweise auch Dialektspracne — werden für regionale und überregionale Märkte genützt. Gallionsfigur dabei ist die „Bibliothek der Provinz“, 1Q89 gegründet, mit 42 Neuerscheinungen 1994. Der Tiroler „Berenkamp Verlag“ und der Vorarlberger „Hieronymus- Münzer-Verlag“ — beide 1991 gegründet - setzen ebenso auf regionale Programme wie die „Edition Ge schichte der Heimat“, die sich seit 1989 um einen kritischen Umgang mit der Heimat bemüht. Aus den zahlreichen Kleinstverlagen stechen noch die „Edition Löwenzahn“ und „Panglos“ heraus. Mit zwei- und mehrsprachigen Programmen kümmern sich mehrere Verlage um regionale Minderheiten und setzen grenzüberschreitende Initiativen: „Wieser“ fördert den slowenisch-deutschen Li-teraturaustausch (und hat dafür eine Briefbombe zugestellt bekommen), „Raetia betont die Roße Südtirols als Brückenkopf zwischen deutscher und italienischer Kultur und der burgenländische Kleinverlag „Kanika“ publiziert in Deutsch, Ungarisch, Kroatisch und Romanes.

Experimentelle Literatur spricht ein internationales, aber sehr spezifisches Publikum an, Literatur wird hier für einen bestimmten Zirkel produziert, „die Autoren kaufen sich selber auf“, erklärt Karin Kinast. Diese Marktnische versuchen „Das fröhliche Wohnzimmer“ und „Edition CH“ zu nützen - naturgemäß in sehr bescheidenem Umfang. „Denk- mayr“ steht zwar experimenteller Literatur offen, ist aber mehrgleisig unterwegs: Dialektdichtung, regionale Themen und Kinderbücher ergänzen das Programm.

Das Buch als Gesamtkunstwerk, als Zusammenspiel von Text und Aufmachung, ist das Anliegen mehrerer Kleinverlage mit bibliophilen Programmen. Bei diesen Kleinstauflagen stehen die künstlerisch anspruchsvolle Ausgestaltung und das Handwerk im Mittelpunkt, meist sind die Kunstwerke handsigniert und numeriert, wie etwa bei der „Edition Thurnhof“ oder der „Landlpresse“. „David-Presse“ stellt ihre Drucke mit einer Handpresse her, grafisch ausgestaltet sind alle Bücher bei der „Freipresse“. „Edition Art Libre“ setzt ebenso auf bibliophile Kleinstauflagen, wie die „Edition NN Oslip“, „Thanhäuser“ präsentiert bibßophile Sonderausgaben neben den anderen Schwerpunkten, Moldanubia, Lyrik und Kinderbücher. Vielfach arbeiten die bibliophilen Verlage mit ihren kleinen Auflagen schon auf Vorbestellung. Ihre Holzschnitte können auch auf Kunstmessen reüssieren, wo Sammler darauf harren. Unter dem Motto „Wer nicht lesen will - kann hören“ setzt der im Vorjahr gegründete „Ohrbuch-Verlag“ nur noch auf Kassetten.

NEUE MEDIEN IM PROGRAMM

„Edition Selene“ wartet mit einer Mischung aus Texten und Audiokassetten auf, Klang und Wort ergänzen sich auch beim „Kubus Literaturverlag“ und bei „Ö.D.A“. Auf der Frankfurter Buchmesse steßte folglich die IG-Autoren auch erstmals die nötige Abspieltechnik bereit. Als „Verlag für multimediale Literatur“ bezeichnet sich die „Edition Espenlaub“, die Akkustisches auf CD und Visuelles auf „Diskette mit Bildschirmfotoband“ liefert. Ton- und Videocassetten werden auch im Programm des „Verlag Österreich“ angekündigt.

Belletristikverlage im engeren Sinne sind „Röschnar“, „Doppelpunkt“, „Umbruch“ und die Neu gründung „Blattwerk“. „TAK“ nimmt sich ausschließlich um Erstveröffentlichungen an und „Alekto“ führt eine Mischung aus anglo-ame- rikanischen, spezifisch österreichischen und experimentierenden Texten im Programm. „Der Apfel“ kümmert sich um „belletristische Bücher aller Art“, „Grosser“ um niveauvolle Unterhaltung.

Zahlreiche Verlage versuchen mit einer Mischung aus Literatur und Sachbüchern am Markt zu bestehen, etwa „Picus“ mit 33 Titeln im heurigen Jahr, gefolgt von „Edition Va Bene“ mit neun. Jeweils über sieben Neuerscheinungen können sich „Freya“, „Anna Pichler“ und „Sonderzahl“ freuen — um hier nur einige zu nennen.

Die Verlagslandschaft in Österreich ist in den letzten zehn Jahren um einiges bunter geworden, der Konkurrenzkampf zwischen den Klein- und Mittelverlagen damit härter, wenn es um Förderungen geht. „Im Verkauf ist er weniger zu spüren. Die Leserschaft ist selbstbestimmt genug“, gibt sich Karin Kinast überzeugt.

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