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Mittelschule in Not

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Die breite Öffentlichkeit wurde in den letzten Tagen wieder einmal stärker mit Angelegenheiten der Schule beschäftigt. So erfreulich das Interesse an den Vorgängen im Schulwesen und auf dem Gebiete der Erziehung ist, so bedauerlich ist es, daß es sich in diesem Falle nicht um pädagogische Neuerungen und um Berichte über ein fortschrittliches Beginnen handelt, sondern um eine ernste Gefahr, die durch im Staate gewiß wichtige, gerade aber bei der Schule unangebrachte Sparmaßnahmen über die österreichische Mittelschule heraufbeschworen werden sollen. Wie nun klargestellt ist, konnte trotz langwieriger Verhandlungen, die sich vom 9. Juni mit Unterbrechungen bis 8. September hinzogen, das Bundesministerium für Unterricht entgegen seinen Bemühungen die Zustimmung zur Einstellung neuer Vertragslehrer zur klaglosen Führung der durch den Mehrzustrom von 5000 Schülern notwendig gewordenen Klassen vom Bundesministerium für Finanzen aus Ersparungsgründen nicht erhalten, und dies zu einem Zeitpunkte, da die Schule in drei Bundesländern bereits begann. Als Ausweg wird vom Bundesministerium für Finanzen

1. die weitere Zusammenlegung von schwächeren Klassen gerade in Wien

und in einigen Landeshauptstädten verlangt;

2. die strengere Handhabung der Zustimmung zu sogenannten auf Grund amtsärztlicher Zeugnisse angestrebten Lehrpflichtermäßigungen;

3. die vorläufige Besorgung des notwendigen Unterrichts durch Mehrleistungen bis zu einer

4. durch gesetzliche Maßnahme geforderten Erhöhung der Lehrverpflichtung, die derzeit bei den Lehrern der humanistischen Fächer 19, bei den Realisten 21, bei den Lehrern für Leibeserziehung, Musik und Zeichnen und Handfertigkeit 25 Wochenstunden beträgt.

Wenden wir uns nun zunächst der ersten Forderung zu, so darf festgestellt werden, daß keinesfalls in jedem Schuljahr einfach jeder Schülerzuwachs an Mittelschulen, der gerade durch den Abgang der starken Geburtsjahrgänge aus der Volksschule zu verzeichnen ist, nur durch Hinzunahme neuer Lehrer gedeckt wurde. Im Gegenteil: durch die strengen Erlasse des Bundesministeriums für Unterricht verhalten, haben die Landesschulbehörden, insbesondere der Stadtschulrat für Wien, und die Landesschulräte für Steiermark und Oberösterreich, durch Zusammenlegung schwächerer Klassen in höheren Jahrgängen die Zahl

der erforderlichen Lehrer wesentlich herabzumindern sich bemüht. So wurden zuletzt für den Beginn des Schuljahres 1952 53 im ganzen Bundesgebiet 91 Klassen durch Zusammenlegungen erspart, in Wien allein 45! Hier wurde nachgewiesenermaßen auf dem Gebiete des mittleren Schulwesens ein Sparwille bekundet und in die Tat umgesetzt, der wahrhaftig beispielgebend ist, zu dem sich jedoch angesichts der damit verbundenen großen Schwierigkeiten, die damit besonders für Eltern und Schüler sich ergeben, die verantwortlichen Schulleute wirklich nicht leicht entschließen konnten. Wie viele Beschwerden der Betroffenen mußten hingenommen werden, wie viele Tränen von Schülern und Schülerinnen sind geflossen, die von ihrer Schule, die sie durch fünf oder sechs und noch mehr Jahre besuchten, scheiden mußten, wie viele bewährte Klassenverbände innerhalb einzelner Schulen mußten zerrissen und oft gerade an den Wendepunkten erziehlicher und unterrichtlicher Arbeit Schüler fremden Lehrern in durch die Zusammenlegung bedeutend vergrößerten Klassen anvertraut werden! Abgesehen davon, daß die von den einzelnen Lehrern eingeschlagene Erziehungslinie empfindlich unterbrochen, dem Schüler ein weiterer in der Großstadt für Leben und Sitten der Kinder oft gar nicht so ungefährlicher Schulweg aufgelastet wird, scheint hier ganz übersehen zu werden, daß gerade die in Österreich immer wieder so laut erhobene Forderung nach freier Wahl der Schule durch die Eltern — nicht jede Schule sagt den Eltern zu — selbst bei der Staatsschule schon unbeachtet bleibt, nicht zu reden davon, daß den Eltern überdies oft wesentliche Mehrkosten durch Fahrt usw. erwachsen.

Wenn nun schon wirklich im Hinblick auf notwendige Ersparungen bereits im oben gezeichneten Ausmaß von den Schulbehörden Vorsorgen getroffen wurden, dann sollen und dürfen aber auch die Bedenken der Verantwortlichen gegen weitere Zusammenlegungen nicht ungehört verhallen. Nicht jede Klasse eignet sich auf Grund ihrer inneren Struktur zur Zusammenlegung mit einer anderen, überdies sind doch oft in unseren leider, nur zu ärmlichen Bundesgebäuden meist nicht einmal die entsprechenden Räume für größere Klassen, besonders höherer Jahrgänge, vorhanden. Da die Unter-' klassen meist drei bis vier, ja fünf Parallelklassen führen, die äußerst stark sind, sind die normal zur Verfügung stehenden Räume oft durch diese aufgebraucht und können für die Oberklassen nur ehemalige Nebenräume kleinsten Ausmaßes (wie Schülerbücherei, Kabinette usw.) zur Verwendung kommen. Der Besucher solcher Anstalten wird feststellen müssen, daß er Mühe hat, in ein solches Klassenzimmer hineinzu

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