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Musikerziehung auf dem Lande

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Musikerziehung wirkt dort am eindruckvollsten, wo lebendige Musik „gemacht“ wird; wenn aber nur klug über Musik gesprochen wird, sinkt die Musikerziehung zum wesenlosen Schatten herab.

Von dieser Erkenntnis ging die Direktion des Mozarteums aus, als sie sich entschloß, einen Lehrplan für Zweigstellen im Lande Salzburg aufzustellen. Die österreichischen Alpenländer sind reich an musikalischen Begabungen; diese Tatsache beweisen die im Volksbrauchtum wurzelnden Gesänge, die Liebe zu den volkstümlichen Instrumenten, wie Gitarre, Zither und ähnliche, die vielen Ortskapellen, Gesangvereine und bäuerlichen Gesangsgruppen — und nicht zuletzt die schönen Chorgesänge, die man vielfach in kleinen Dorfpfarren entdeckt.

Der Gedanke, staatliche Musikschulen als Zweigstellen des Mozarteums zu errichten, ist schon nach dem ersten Weltkrieg auf getaucht. Verschiedene Versuche und Ansätze konnten aber nicht weiterentwickelt werden. Erst im Jahre 1946 war es möglich, an die Verwirklichung des Planes in vollem Umfang zu schrfiten. Alle beteiligten Stellen, das Bundesministerium für Unterricht, die Salzburger Landesregierung und die in Frage kommenden Gemeinden erklärten sich bereit, durch Subventionen das Vorhaben zu unterstützen. Dank dem Verständnis der Bürgermeister konnte in allen Orten die Raumfrage günstig gelöst werden. Im Instrumentalunterricht, der sich neben Musiktheorie auf Klavier, Orgel, Violine, Viola, Violoncello und Blasinstrumente erstreckt, wurden für die Bedürfnisse der ländlichen Bevölkerung auch Lehrgänge für Volksinstrumente, wie Zither, Gitarre, Hackbrett, Akkordeon und Harmonika aufgenommen. Wie vorauszusehen war,' erfreut sich der Unterricht für diese Volksinstrumente besonderer Beliebtheit. Von größter Wichtigkeit sind die Kurse für Orgel und die Schulung von Kirchenchorleitern, denn im Lande Salzburg mußten bisher einige Dutzend Organistenstellen unbesetzt bleiben, und viele Kirchen- chöre werden ein höheres Niveau erreichen, wenn „ihnen geschulte Leiter vorstehen. Darum hat auch die Erzdiözese ihre volle Unterstützung und Mitarbeit bei diesen Kursen zugesagt. Für das musik- und sangesfrohe Alpenland wird es auch einen Gewinn bedeuten, wenn die Ortskapellen, die durch das Fehlen von geschulten Kapellmeistern und Musikern immer mehr an künstlerischem Wert verloren haben, wieder jene Bedeutung im volksmusikalischen Schaffen zurückgewinnen, die sie einst hatten. Die Erinnerung an das mit großem Aufwand gefeierte Kaiserjubiläum im Jahre 1908, wo noch die meisten Dorfkapellen mit den besten Militär- und Stadtkapellen in edlen Wettstreit traten, läßt erkennen, wieviel gutes, echtes Musikan- tentum auf dem Lande im Laufe weniger Jahrzehnte verlorengegangen ist. In den Chorschulen wird Nachwuchs für die Kirchenchöre und Gesangvereine herangebildet, und über den Rahmen des Schulgesanges hinaus finden musikalische Kinder die Möglidikeit, ihre Begabung systematisch zu pflegen.

Die theoretische Ausbildung geht Hand in Hand mit dem Instrumentalunterricht, so daß dem Schüler schon im ersten Jahr die Grundlagen der Musiktheorie und -geschichte, Harmonie- und Formenlehre gelehrt werden, um die praktischen Musikübungen verstehen zu können. Auch ästhetische und musikpsychologische Fragen werden, dem Verständnis der Schüler entsprechend, aufgerollt und geklärt. Der Lehrplan ist aber nicht nach einem starren System in allen Schulen gleich aufgebaut, sondern er wird je nach den Erfordernissen in einem weiteren oder engeren Rahmen gehalten.' So haben sich zum Beispiel in H a 11 e i n eine Anzahl von jungen Menschen gemeldet, die als Laienspieler sprechen lernen wollen. Man richtete daher einen Kurs ein, in dem nicht allein Atemtechnik gelehrt, Sprech- und dramatischer Unterricht erteilt wird, sondern die Schüler auch in der richtigen Anwendung des Dialekts für das volkstümliche Stück unterwiesen werden. Dieser Versuch, den Spieltrieb der Jugend auch schulmäßig zu unterstützen, ist sehr begrüßenswert, denn damit ist die Floffnung gegeben, daß das Laienspiel einen neuen künstlerischen Auftrieb erfährt.

Mit größter Sorgfalt wurden die Lehrkräfte ausgewählt, die mit Feuereifer an die neue, dankbare Aufgabe herangingen, so daß sich schon nach dem ersten Semester Ansätze zu schönen Früchten zeigten. Kleine Musikabende, in denen neben Haydn, Schubert, Mozart auch die Werke eines Johann Strauß, Lanner und Ziehrer und nicht zuletzt heimische Volksmusik erklang, bestätigten den richtigen Weg der Ausbildung.

Mit der Gründung der Zweigstellen umfaßt die Musikerziehung des Mozarteums alle Stufen von Musiklehranstalten. In den Schulen der Landstädte wird bodenständige, heimatliche Kunst gepflegt und die Besucher erhalten eine musikalische Grundausbildung, die es Begabten ermöglicht, das Konservatorium zu besuchen, wo die Musiker bis zur künstlerischen Reife geführt werden. Im seminaristischen Unterricht der Hochschule kann der angehende Musiktheoretiker und -pädagoge sowie der Musikwissenschaftler die im lebendig-praktischen Musizieren erworbenen Erkenntnisse durch wissenschaftliche und künstlerische Forschung vertiefen und erweitern.

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