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Nach fünf Jahren Schulgesetz

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In diesem Jahr schloß das erste Jahrfünft der Wirksamkeit des umfassendsten Schulgesetzwerkes der österreichischen Schulgeschichte. Es waren harte Jahre für Bund, Länder und Gemeinden, für die Schulverwaltungen, für die Schulaufsicht und die Lehrer — und vielfach auch für die Eltern und die Schüler.

In den ersten Jahren beschränkte sich die Belastung auf den engeren Schulbereich; es ging darum, die bestehenden Schularten auf die neuen Verhältnisse umzustellen. Schon dabei wirkte sich der Lehrermangel hemmend aus: Es konnten nicht alle erforderlichen Klassen eröffnet beziehungsweise Lehrer zur Verfügung gestellt werden. Dadurch kam es teilweise zu unerwünscht hoh=n Schülerzahlen und Mehrdienstleistungen der Lehrer. In die zweite Phase des Jahrfünft fiel die Einführung des neunten Schuljahres, die neue Belastungen verursachte: Schulraumnot, beachtliche finanzielle Lasten des Bundes und der Schulgemeinden, Entfall eines Schüleraustrittsjahrganges (1966) usw.

Die Sehulverwaltung war bemüht, die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen sicherzustellen und den Schwierigkeiten durch flexible Hilfen entgegenzuwirken

So hat das Unterrichtsministerium durch neue Bestimmungen und eine intensive Werbung einen starken Zugang zur auslaufenden alten Lehrerbildung erreicht, und alle Bundesländer haben sich durch ihre Mitwirkung daran einen erheblich vermehrten Lehrernachwuchs gesichert. Dank der Verdreifachung des durchschnittlichen früheren Lehrernachwuchses (insbesonders mit Hilfe der Maturantenlehrgänge) konnte die Gesamtzahl der Klassen- und Fachlehrer auf die früher kaum vorstellbare Zahl von mehr als 30.000 gesteigert werden. Nur so war es überhaupt möglich, die Einführung des neunten Schuljahres — wenn auch mit zahlreichen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeilten — zu verkraften.

Ähnliches gilt für die Schulraumbeschaffung. In allen Bundesländern, großen wie kleinen Gemeinden hat nach dem zweiten Weltkrieg eine bis dahin nie dagewesene Schulbautätigkeit eingesetzt, die — wie Berichte aus der jüngsten Zeit zeigen — unvermindert anhält. In Verbindung mit Zumfetungen und Improvisationen war es so auch möglich, die Schüler des neunten Schuljahres einigermaßen unterzubringen. Die Gemeinden haben dafür wie in den Jahrzehnten vorher, was viel zuwenig bedankt wird, gewaltige Leistungen erbracht und schwere finanzielle Lasten auf sich genommen.

Eine Erinnerung verdienen auch die besonderen Arbeiten im Zusammenhang mit der Durchführung des Schulgesetzwerkes. Zunächst auf dem Gebiet der Gesetzgebung: Auf Bundesebene folgten das Schulzeitgesetz (1964), dienst- und besoldungsrechtliche Anpassungen sowie notwendige Änderungen und Ergänzungen geringeren Ausmaßes des Schulorganisationsgesetzes. Das

Schulunterrichtsgesetz befindet sich mit einem Entwurf im Begutachtungsverfahren (1967). Für die Länderebene, sind vor allem die Landesausführungsgesetze zur Schulgesetzgebung des Bundes zu nennen, die mit einer Ausnahme (Burgenland) erlassen sind. Die Bundesländer benützten darin den Anlaß,ihr Schulrecht zu revidieren und zu vereinheitlichen.

Die Maßnahmen für die Anpassung der äußeren Organisation des Schulwesens an die neue gesetzliche Lage beschäftigten für das Pflichtschulwesen die Bundesländer, für das mittlere und höhere Schulwesen das Bundesministerium für Unterricht. Abgesehen von bestimmten Entwicklungstendenzen im Volks-, Haupt- und Sonderschulwesen, auf die wir noch zu sprechen kommen, bedurfte die Einführung des neunten Schuljahres und die Einrichtung der Polytechnischen Lehrgänge auf Landesebene umfangreicher Vorund Durchführungsarbeiten: die Erhebung der entsprechenden Schülerzahlen, die Schulbahnberatung, die Fortsetzung der Standorte und der Schulsprengel, die Gewinnung des notwendigen Schulraumes und der erforderlichen Lehrer, die Lehrerfortbildung usw. Das Bundesmi-niisterium für Unterricht war vor allem mit der Neuorganisation des mittleren und höheren Schulwesens befaßt, mit der Verteilung und Vermehrung der einzelnen Schularten im ganzen Bundesgebiet. Dabei galt der Grundsatz, möglichst in jedem politischen Bezirk eine allgemeinbildende höhere Schule zu errichten, und deren Oberstufenformen so zu streuen, daß die Bildungschancen einigermaßen gleichmäßig sind. Besonderes Augenmerk wurde auch dem entsprechenden Umbau des berufsbildenden Schulwesens zugewendet. Mit Rücksicht auf die Bedeutung und die Neugestaltung der Lehrerbildung für das rflicht-schulwesen setzten die Vorbereitungsarbeiten für die Pädagogischen Akademien schon 1963 ein, wobei ein eigener Fachausschuß und Schulversuche eingerichtet wurden. In diesem Zusammenhang erfolgte eine besondere Betreuung der Musisch-pädagogiisches Realgymnasien.

Zur Anpassung der inneren Gestaltung der Schulen an das Gesetz waren für alle Schularten zunächst neue Lehrpläne zu erlassen; die umfangreichen Arbeiten stehen vor dem Abschluß, nachdem die Lehrpläne für die Oberstufenformen des allgemeinbildenden höheren Schulwesens zur Begutachtung ausgesendet sind und das vorläufige Studienprogramm der Pädagogischen Akademien in Schulversuchen erprobt wird. Das besondere Interesse der Öffentlichkeit galt dabei dem Lehrplan des Polytechnischen Lehrganges, der im Schuljahr 1966/67 die Feuerprobe bestanden hat. Neben den Lehrplänen ergab sich die Regelung zahlloser schulischer Angelegenheiten von der Aufnahme bis zu den Reifeprüfungen, Regelungen, die vielfach im Schulunterrichtsgesetz, beziehungsweise auf dieses gestützten Verordnungen ihre Veranikerungen finden werden.

Aus der Wirksamkeit des Gesetzes haben sich einige bemerkenswerte neue schulpolitische und schulorganisatorische Entwicklungen ergeben. Bei den Volksschulen setzte sich die Schrumpfung der Volksschuloberstufen fort — eine Folge der Ausweitung des Hauptschulwesens. Die Bevölkerungsabwandierung aus den Kleinsiedlungen beeinträchtigt aber auch die Grundschulen so sehr, daß einzelne Länder ihre bisherige Schulorganisation überprüfen und eine Standort- und Sprengelneuplanung durchführen (besonders Niederösterreich). Die Zahl der Volksschulen mit voll ausgebauter Grundschule nimmt stetig zu, dagegen sinkt die Zahl der weniggegliederten Volksschulen weiter. Die Einrichtung der neuen Ausbauvolksschulen, die für abgelegene Gebiete eine hauptschulähnliche Ausbildung anstreben, ist nicht über Tirol hinaus gelangt Bei der Hauptschule hat eine Umkehrung des früheren Verhältnisses von einzügiger zu zweizügiger Führung stattgefunden. Vom Übertritt aus den ersten Klassenzügen in allgemeinbildende höhere Schulen mit dem sogenannten guten Gesamterfolg wird erheblich mehr als früher Gebrauch gemacht (insbesondere in die Musisch-pädagogischen Realgymnasien).

Die Verankerung des Sonderschulwesens in zeitgemäßer Form hat zur Konsolidierung und zum planmäßigen Ausbau der schulischen Einrichtungen für sonderschulbedürftige Kinder beachtlich beigetragen. Das große Wagnis des neunten Schuljahres und der Polytechnischen Lehrgänge ist im Schuljahr 1966/67 im ganzen geglückt.

In der Lehrerbildung ist der Ubergang zu den pädagogischen Akademien über die Zwischenstufe ein-und zweijähriger Maturantenlehrgänge in vollem Gange. Zur pädagogischen Bewältigung der neuen Lehrerbildung tragen die beiden Schulversuche mit Pädagogischen Akademien in Wien (seit Beginn des Studienjahres 1966/67) wesentlich bei, so daß der erfolgreiche Übergang auf breiter Front mit Beginn des Studienjahres 1968/69 zweifellos gesichert ist. Eine erfreuliche Entwicklung nahmen auch die wichtigsten Zubringerschulen für den Lehrberuf, die Musisch-pädagogischen Realgymnasien.

Im ganzen ergibt sich somit ein befriedigendes Bild der Auswirkungen des Schulgesetzwerkes, und man darf auf weitere Fortschritte hoffen.

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