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Neue Hochschulen?

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Von Süden und von Norden, von Klagenfurt und von Salzburg blickten che interessierten Hochschulfreunde gleicherweise gespannt nach Wien, als am 20. Dezember zum ersten Mal die neue „Arbeitsgmeinschaft für Hochschulentwicklung“ zur Beratung konkreter Anliegen zusammentrat.

Was die Zweite Republik in den vergangenen fünf Jahren im Ausbau der höchsten Bildungsanstalten geleistet hat, kann sich sehen lassen. In Linz wie in Salzburg hat die Zahl der Hörer die Tausendergrenze längst überschritten. Trotzdem konnte die Bereitstellung der Mittel für die Hochschulen nicht in jenem Maß gesteigert werden, um auch bei den „alten“ Anstalten ein ungeschmälertes Wachstum zu garantieren. So fühlen sich — nicht ganz zu Unrecht — die Vertreter der traditionsreichen Universitäten und Hochschulen in Wien, Graz, Innsbruck und Leoben von den „Jungen“ in Linz und Salzburg geschädigt. Verständlich, wenn sie den intensiv vorgetragenen Wünschen nach noch weiterer Aufgliederung des österreichischen Hochschulwesens skeptisch gegenüberstehen.

Der erste Konflikt

Schon die Aufnahme der Rechtswissenschaften in das Linzer Programm hatte zu einem ersten Konflikt zwischen dem Unterrichtsministerium und den drängenden Oberösterreichem geführt. Die Linzer argumentierten, daß für die Sozialwissenschaften ohnehin die Rechtsfächer gebraucht würden, aber durch die Kombination beider Gruppen ein neuer Typ wirtschaftsorientierter Juristen geschaffen und damit der neuen Hochschule ein spezieller Akzent gegeben werden könnte. Dem stand der Hinweis des Ministeriums gegenüber, daß der Bedarf an Rechtswahrem durch die vorhandenen Bildungsstätten gedeckt erscheine, um so mehr, als die Berechnungen des OECD-Berichts eher einen Rückgang im Juristenbedarf festgestellt hatten.

Um so dringender war es, ein Gesamtkonzept für die weitere Entwicklung des österreichischen Hochschulwesens auszuarbeiten, dem alle noch Offenen Wünsche einzugliedem wären. Unterrichtsminister Piffl- Perčevič hatte schon im Frühjahr 1967 die Einberufung eines eigenen Beratungsgremiums angekündigt, das sich dann wirklich im Dezember konstituieren konnte und die Arbeiten auch unmittelbar darauf aufnahm.

Braintrust des Ministers

Dieser „Rat der Weisen" — speziell beauftragt mit der Erstellung der Grundlagen für den materiellen Ausbau — besteht aus Hochschulprofessoren, Wirtschaftsexperten und Beamten des Ministeriums. Sie alle sind gleichzeitig Mitglieder des Rats für Hochschulfragen, der bisher schon als Braintrust des Ministers die legistischen Probleme beriet. Beide Gremien können nur Empfehlungen geben, können versuchen, eine Meinung zu bestimmten Problemen zu erarbeiten. Sie können nichts beschließen — die letzte Entscheidung bleibt in jedem Pall dem Minister Vorbehalten.

Wie das Organisationsstatut der

Arbeitsgemeinschaft für Hochschui-

entwicklung“ festhält, soll sie die Unterlagen beschaffen

• zur Analyse der gegenwärtigen Hochschulsituation,

• zur Beurteilung des höheren Schulwesens im Hinblick auf die Erfordernisse der Hochschulstudien,

• zur Beurteilung und Gliederung der Hörerschaft nach sozialen, territorialen und andern relevanten Gesichtspunkten,

• zur Beurteilung der Bildungserwartungen und -notwendigkeiten entsprechend der österreichischen Billdungstradition,

• zur Beurteilung des Akademikerbedarfes,

1 zur Beurteilung des Bedarfs an universitären Einrichtungen.

„Universitätsviertel“ am Alsergrund

Die Universität Wien hatihrLang- zedtprogramm vorgelegt, das das ganze Areal zwischen Votivkirche und Währingergürtel einbezieht. Die Technische Hochschule ist mit der Verwirklichung ihrer drei Zentren Karlsplatz, Getreidemarkt, Aspang- bahnhofgründe auf Jahre ausgelastet. Die Universität Graz plant im Bereich Heinrichstraße-Geidorfgür- tel-Hilmteich; die TH Graz will drei Zentren in der Rechbauerstraße, am Schörglhof und auf den Innfeldgrün- den ausbauen. Innsbruck hat erst im vergangenen Jahr die Entwürfe für die Neubauten am Innrain vorgelegt und würde gern die Hofburg einbeziehen. Für Salzburg soll das Konzept Residenz-Nonntal eine Lösung der Raummisere bringen.

Den „Alten“ stehen die Wünsche der „Jungen“ gegenüber, teilweise schon auf dem Papier gesetzlich geschaffen, aber noch nicht in Angriff genommen, teils durch politische Vprstöße angemeldet und untermauert. So sah schon 1962 ein Bundesgesetz den Vollausbau der Salzburger Universität vor — mit dem Zusatz, daß das Wirksamwerden der medizinischen Fakultät durch ein eigenes Gesetz bestimmt werden sollte. Darauf berufen sich nun die Salzburger und drängen, wenigstens einen Termin für dieses Gesetz zu nennen, um mit den Vorarbeiten anfangen zu können.

Naturwissenschaften für Linz

Die Linzer Hochschule erhielt 1965 durch ein zweite Novellierung des HochschU'lorganiiisationsgesetzes auf dem Papier eine naturwissenschaftlich-technische Fakultät, die vor allem auf den Bedarf der ober- österreichischen Industrie gerichtet sein soll. Dort hofft man, 1970 den Betrieb wenigstens in Teilbereichen aufnehmen zu können. 1966 folgte eine weitere HO G-Novellle zur Schaffung der Fakultät für Bauwesen und Architektur an der Universität Innsbruck, die damit als erste Universität in Österreich die traditionellen Universitätsdisziplinen mit technischen verbindet

Intensiv sind ferner die Wünsche der Kärntner und der Niederöster- redcher. Im Juni 1966 schlossen sich alle Parteien einem Antrag aller Kärntner Abgeordneten iim Nationalrat an, die Regierung solle „die Möglichkeiten der Verwirklichung einer wirtschaftswissenschaftlichen Hochschule in Klagenfurt prüfen". Inzwischen hat die Ausweitung der Sozialwissenschaften auf die Universitäten Wien, Graz und Innsbruck den Bedarf an Spezialisten dieser Richtung wohl bis auf weiteres gedeckt Die Klagenfurter Proponenten haben daher zu verstehen gegeben, daß sie auch mit jeder andern Form einverstanden seien, etwa mit einer philosophischen Fakultät mit dem Schwerpunkt in der Lehrerausbildung.

Niederösterreich warf die Frage auf, ob man nicht einzelne Institute von Hochschulen — etwa solche der Tierärztlichen oder der Hochschule für Bodenkultur — in den Raum Krems-St. Pölten oder Mödling legen könnte. Auch aus Eisenstadt wurden schließlich schon ähnliche Wünsche laut.

Wohl jeder der vorgebrachten Wünsche ist für sich berechtigt, gut belegt, ist wert, verwirklicht zu werden. Aber sie alle werden sich dem Gesamtkonzept einordnen müssen. Engste Zusammenarbeit der Ratsmitglieder mit den Proponenten einerseits, der Rektorenkonferenz, dem Unterriohts- und allen anderen interessierten Ministerien, der Raumplanung und der Statistik andererseits wird dazu verhelfen, den für alle gültigen gemeinsamen Nenner zu finden. Es wird sich hierbei die Überzeugung durchsetzen müssen, daß Aufgaben dieser Größenordnung nicht allein vom Bund getragen werden können. Die fordernden Länder und Städte sind hier schon beispielgebend vorangegangen.

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