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Nichtgenügend, Herr Professor!

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Die Diskussion um die Lehrerbeurteilung durch Schüler und Eltern ist noch nicht ausgestanden.

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Die Diskussion um die Lehrerbeurteilung durch Schüler und Eltern ist noch nicht ausgestanden.

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Bereits im Jahre 1994 forderte die Schülerunion unter ihrem damaligen Obmann eine Beurteilung der Lehrer durch ihre Schüler sowie eine leistungsorientierte Bezahlung. Dieses Thema fand sich damals in sämtlichen Schlagzeilen. Vorbild für diese Forderung war ein funktionierendes Beurteilungssystem in einigen Schweizer Kantonen. Warum sollten Lehrer schließlich nicht auch von Eltern und Schülern beurteilt werden? In vielen Ländern ist das üblich (übrigens auch an Universitäten). Vjs heißt eben, daß auch Lehrer mehr als nur den Lehrstoff beherrschen sollen. Ihre pädagogischen Fähigkeiten müßten einer umfassenden Beurteilung standhalten. Diese Prüfungen sollten deshalb bereits ab Berufseintritt stattfinden, um jene Lehrer her-auszufiltern, die den gestellten Anforderungen nicht entsprechen.

Heuer, vor Beginn der Sommerferien, griff Stadtschulratspräsident Kurt Scholz die Idee einer Lehrerbeurteilung wieder auf, sie wurde aber vor allem von den Lehrergewerkschaften vehement zurückgewiesen. Eine „Beurteilung” soll ab dem heurigen Schuljahr nun in Form-der sogenannten „F'eedback-Bögen” auf freiwilliger Basis in Wiens Schulen stattfinden.

Die seinerzeitigen Vorschläge einer Lehrerbeurteilung durch die

Schüler wurden vom Vorsitzenden des Zentralausschusses für Pflichtschullehrer, Hermann Helm, mit den Worten „Schqlz' Vorschläge sind populistische Anbiederungsversuche und zeigen mangelnde Managerqualitäten” abqualifiziert. Helm weiter: „Ich begrüße jede Art einer professionellen Leistungsbeurteilung * lehne daher umso vehementer alle Vorschläge ab,'die nur der Schlagzeilen wegen produziert werden.”

Das Feedback-Modell

Es wurde nun also ein Kompromiß in Form der Feedback-Bögen gefunden. Feedback ist weder Note noch Zeugnis. Iis ist eine freiwillige Leistung in Form einer Rückmeldung und ist ausschließlich für die Betroffenen bestimmt.

Dazu Scholz: „Die nunmehr erarbeiteten Feedback-Bögen sind in etwa 60 Unterpunkte gegliedert und sind auch in ihrer Detailliertheit und Aus sagekraft das Gegenteil einer Ziffern-note. Wir haben uns auf Kriterien geeinigt, die in Summe den guten Lehrer ausmachen. Österreichweit ist damit erstmals eine Hilfe zur Fremdeinschätzung, und daraus folgend auch zur Selbsteinschätzung, vorgelegt.” Das Feedback-Modell soll folgende Bereiche umfassen:

■ Feedback von Eltern an die Adresse der Lehrerinnen und Lehrer;

■ Feedback der Schüler an die Lehrerinnen und Lehrer;

■ Feedback der Lehrer an die Direktion.

Feedback-Bögen der Direktion gegenüber der Schulaufsicht existieren bereits. Auch in einzelnen Abteilungen des Stadtschulrates für Wien werden gegenseitige Berichtsmodelle durchgeführt.

Nun werden aber auch zu dieser Kompromißlösung bereits kritische Stimmen laut: hkrmann helm: E,ine Leistungsbeurteilung sollte nur professionell durch geschulte Fachleute erfolgen. Echte Leistungsbeurteilung hat nichts mit fragebogenartigem Feedback zu tun. Feedback als solches sehe ich nur als einen kleinen Baustein im Gefüge der Selbstkontrolle. Gkrtri.de Brinek, Abgeordnete /i;m Nationalität und Assistentin am Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Wien: Für mich drängen sich bei diesen Bögen folgende Fragen auf: Welche Beurteilungskompetenz wird bei Schülern und Eltern vorausgesetzt, um überhaupt angemessen Stellung zu beziehen? Wie verschaffen sich Väter und' Mütter Kenntnis von dem, was im täglichen Unterricht geleistet wird? Auch wenn Eltern bei den Hausübungen helfen, erleben sie Unterrichtsqualität immer nur aus zweiter Hand. Wie kann man die Methodenfreiheit der Lehrer standardisiert beurteilen? Warum hat man die Iehrerbeurteilung durch pädagogisch legitimierte Schulinspektoren und Direktoren abgebaut? Vor Jahren hat man die Schülerbeschreibungsbö-gen gerade deshalb abgeschafft, weil sie subjektive Bewertungen der Lehrer enthalten haben. Wieso gilt das für die „ Lehrerbeschreibungsblätter” nicht?

Es besteht für mich kein Zweifel, daß Lehrerbeurteilung weiterentwickelt werden muß. Es wäre jedoch falsch, die in der Marktwirtschaft gebräuchlichen Parameter für die Schule kopieren zu wollen. Ich möchte nur, daß man hier weiß, was man tut. Macht man hier vielleicht ein Tor auf, das das ganze System in Frage stellt? Woi.hjang Wurm, l,\m>r,ssc[ii [.Inspektor und Leiter der Aisteii.ung für das allgemeinbildende höhere schulwesen: Man sollte die Lehrerbeurteilung durch die Direktoren nicht mit den Feedback-Bögen vermischen. Diese vereinheitlichten Beurteilungen durch die Direktoren haben ja auch Einfluß auf eine Weiterbeschäftigung des Lehrers. Ich sehe aber trotzdem die Feedback-Kultur sehr positiv, und sie wird auch als Modell bei den Direktorenkonferenzen Ende September beworben werden. Franz. Spiesmeier, Vorsitzender der AHS-Gewerkschait Österreich is: Ich lehne eine Benotung der Lehrer durch ihre Schüler ab. Schüler haben kein Recht, ihre Lehrer zu beurteilen und zu benoten. Wir sind aber nicht gegen eine Beurteilung durch Vorgesetzte und durch die Dienstbehörde. Im Anlaßfall kann der Direktor Informationen sowohl bei Schülern als auch bei Filtern einholen.

Zuversichtlich zeigte sich der Salzburger Fj-ziehungswissenschafter Günter Haider anläßlich eines Treffens von Schülervertretern: „Wichtig bei der Feedback-Aktion ist die Freiwilligkeit. Modelle der Schul-qualitätsentwicklung sollten den Beteiligten nicht „aufs Aug' gedrückt” werden, sondern Lehrer, Eltern und Schüler sollten autonom einsehen, daß Qualitätssicherung im Welttbe-werb um Schüler sinnvoll ist.”

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