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Nie wieder: Null-acht/fünfzehn!

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In der Frage der Länge der Dienstzeit liegt die Kompromißlösung bei 9 bzw. 15 Monaten. Es soll hier nicht beurteilt werden, ob diese Dienstzeit zu kurz bemessen ist oder nicht. Jedenfalls wird es notwendig sein, die Ausbildung diesem Zeitraum anzupassen, damit den Jahrgängen, die zur aktive n Dienstleistung einberufen werden, neben der militärischen Grundausbildung auch jene Kenntnisse der Felddienst- und Gefechtsausbildung vermittelt werden, die notwendig sind, um im letzten Ausbildungsabschnitt Verbandsübungen durchzuführen.

Neben der Ausbildung der aktiven Jahrgänge wird die der Reservejahrgänge erfolgen müssen. Es handelt sich hier altersmäßig um die 27- bis 50jährigen Wehrpflichtigen. Ein hoher Prozentsatz gerade der Jüngeren von diesen hat überhaupt keine militärische Ausbildung genossen, „die älteren Jahrgänge blicken auf die Kriegsdienstzeit zurück und verhältnismäßig wenige wurden vor 1938 im österreichischen Bundesheer •ausgebildet. Es versteht sich von selbst, daß diese Reservejahrgänge nur in kurzfristigen Uebungen von etwa vier bis sechs Wochen Dauer ausgebildet und umgeschult werden sollen, wobei es nicht daran gelegen sein kann, diese Dienstpflichtigen am Ende der ersten Ausbildungsperiode gleich im Verbände zu verwenden. Der Vorgang wird sich vielmehr über einige Waffenübungen zu erstrecken haben und in einer ähnlichen Reihenfolge wie bei den aktiven Jahrgängen vor sich gehen. Es wird sich dabei vorteilhaft erweisen, die Reserveoffiziere. Unteroffiziere und Mannschaftschargen in entsprechender Anzahl dem Ausbildungsvorgang einzugliedern, damit sie möglichst rasch das aktive Offiziers- und Unteroffizierskorps verwendungsmäßig ergänzen. Wie schon in vorhergehenden Artikeln gesagt, wird es sich empfehlen, die Ausbildung und Umschulung der Reservejahrgänge sowie späterhin die Waffenübungen getrennt von den aktiven Einheiten durchzuführen. Dadurch erscheint es gewährleistet, daß die beiden Ausbildungsvorgänge unbehindert voneinander vorwärtsgetrieben werden können und in verhältnismäßig kurzer Zeit die Masse der Wehrpflichtigen erfaßt und in den militärischen Disziplinen unterwiesen wird.

Und nun zum eigentlichen Ausbildungsvorgang: Mit Rücksicht auf die vorgesehene Dauer der aktiven Dienstzeit wird der Ausbildungsvorgang im Vergleich zu der früher geübten Praxis, die vielfach in ..Beschäftigungstheorie“ (Motto: Der Soldat darf nicht zur Ruhe und zum Denken kommen ...) ausartete, eine gewisse Aen-derung erfahren müssen. Abgesehen von den Spezialtruppen und den technischen Einheiten, die hinsichtlich des Ausbildungsvorganges nach erfolgter Grundausbildung einer eigenen Betrachtung bedürfen, wird es sich auch bei den Infanterie- und Alpenjägereinhelten auf Grund der fortgeschrittenen Entwicklung von Waffen und Gerät notwendig erweisen, die sog e-nannte „Rekrutenausbildung“ zeitmäßig auf ein Minimum zu beschränken. Es ist unbestritten, daß auch im neuen Bundesheer Ordnung und Disziplin sowie die Unterordnung des eigenen Willens unter Gesetz und Befehl den festen Rahmen des Gefüges bilden müssen. Aber gerade die erwähnte „Rekrutenausbildung“ und das formale Exerzieren. Ausbildungsvorgänge, die vornehmlich der Aner-ziehung von Disziplin und Subordination dienen, haben in der Vergangenheit unvernünftigen Vorgesetzten die Gelegenheit geboten, an der Menschenwürde und der Persönlichkeit des einzelnen zu rütteln. Daß diese Ausbildungsvorgänge aufgelockert und beschnitten werden, ist rlur begrüßenswert. Neben der Disziplinierune und körperlichen Ertüchtigung der Truppe wird vom ersten Tage an vornehmlich der Waffen- und Schießausbildung sowie der Einzelausbildung im Feld- und Gefechtsdienst ein breiter Raum eingeräumt werden müssen. Wenn man davon absieht, aus dem Bundesheer eine Paradetruppe machen zu wollen, werden drei bis vier Monate leicht ausreichen, um die e 1 e m e n-taren Kenntnisse und Fertigkeiten auf den Gebieten der Einzelausbildung, der Ausbildung in der geschlossenen Form, der Waffenkunde, des Schulschießens mit den olanisa-tionsmäßigen Waffen sowie des Verhaltens im Feld- und Gefechtsdienst den Wehrpflichtigen zu vermitteln. Es versteht sich von selbst, daß neben dieser praktischen Ausbildung in entsprechenden Unterrichtsfolgen Bürgerkunde, der Inhalt militärischer Vorschriften, Geländekunde usw. Hauptbestandteile der Ausbildung sein werden.

Für die Felddienst - und Gefechtsausbildung sowie für die Uebungen im Verbände bleiben dann immerhin fünf bis sechs Monate Zeit. Die sinnvolle Ausnützung dieses Zeitraumes wird für die Schlagkraft und die Verwendbarkeit des neuen Bundesheeres von ausschlaggebender Bedeutung sein. Gleichgültig, ob es sich um die Ausbildung bei Spezialtruppen oder bei der Infanterie handelt, wird dieser Ausbildungsabschnitt die Erlernung aller jener Tätigkeiten umfassen müssen, die dazu geeignet sind, den jungen Soldaten zum denkenden, selbständig handelnden und disziplinierten Kämpfer zu erziehen. Während im Felddienst — um alle auf uns einstürmenden militärischen Begriffe auf den kleinsten Nenner zu bringen — die Tätigkeiten der Aufklärung, Sicherung und Verbindung mit ihren Mitteln Gegenstand der Ausbildung sein werden, wird in der Gefechtsausbildung die Wechselbeziehung zwischen Feuer und Bewegung einschließlich des Zusammenwirkens der Waffen den Ausbildungsvorgang ergänzen. Es ist nur zu klar, daß auch dieser Ausbildungsabschnitt vorzügliche Gelegenheit bietet, um der „Menschenschinderei“ die Türe zu öffnen, daher muß neuerlich auf die moralische Qualität der Vorgesetzten hingewiesen werden, damit Methoden 08Ii5 ausgeschlossen sind.

Die Verbandsübungen werden am Ende der Ausbildungsperiode einen Schluß auf die Verwendbarkeit der einzelnen Einheiten zulassen. In ihrer Anlage und Durchführung werden sie ein Spiegelbild der geleisteten Ausbildungsarbeit der beteiligten Soldaten aller Chargengrade geben. ; .

Zurückblickend müssen wir feststellen, daß die Ausbildung in der alten österreichisch-ungarischen Armee für ihre Zeit bestimmt die gegebene war. Die Menschen der damaligen Zeif waren im Autoritätsglauben aufgewachsen. Begriffe wie hoch und nieder waren eine Selbstverständlichkeit. Bei aller Rücksichtnahme auf die Menschenwürde war es jedenfalls leicht, Vorgesetzter zu sein und LI n t e r-g e b e n e von dieser oder jener Notwendigkeit in der militärischen Ausbildung zu überzeugen. Im Bundesheer der Ersten Republik und auch zwischen 1936 und 1938 in der bewaffneten Macht mit allgemeiner Dienstpflicht hatten sich die Ausbildungsgrundsätze und -methoden schon wesentlich gewandelt. Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen hatten sich die Vorgesetzten aller Grade neuzeitliche Formen der Menschenführung und Menschenbehandlung zu eigen gemacht. Mit viel Humor wurden gewisse Typen in die Schranken verwiesen und ohne Bitternis ließ man auch strenge Vorgesetzte gelten.

Mit ganz anderen Ausbildungspraktiken wurden wir nach 193 8 in der Deutschen Wehrmacht vertraut gemacht. Dem Zweck entsprechend, war das Dritte Reich ein einziger großer Kasernenhof und die Menschen, die Soldaten, waren die Steine auf diesem Hofe. Da gab es den „Dienstgraden“ entsprechend große, mittlere, kleinere und kleinste Steine, sie alle wurden ständig mit Hilfe eines großen „Rechens“, der sich je nach Bedarf „Gehorsam“, „Disziplin“, „Dienst am

Reiche“, „Dienst am Volke“ usw. benannte, bearbeitet. Der Mißachtung der Menschlichkeit und Menschenwürde, den sadistischen Trieben gewisser Vorgesetzter, die sich heute mitunter darauf berufen, nur ihre Pflicht getan zu haben, waren Türen und Tore geöffnet. Aus der Erfahrung schöpfend muß leider gesagt werden, daß manche „Ostmärker“ als Vorgesetzte sich sehr rasch diese Methoden angeeignet haben und sich nicht genug tun konnten, ihren Kameraden aus dem „Altreich“ ebenbürtig zu sein. Es versteht sich von selbst, daß diesen Zeitgenossen niemals mehr Menschen untergeordnet werden dürfen. Es versteht sich auch von selbst, daß in einem österreichischen Heer solche Vorgesetzte niemals mehr im Zuge von militärischen Handlungen über Tod und Leben von Llnter-gebenen unter Berufung auf Fahneneid. Pflicht und Gehorsam verfügen dürfen.

Was wir für die Zukunft brauchen, ist eine in dem ganzen Volk wurzelnde bewaffnete Macht, die dem Schutze unserer Heimat dient. Es wird Sache des Ausbildungspersonals aller Chargengrade sein, durch entsprechende Einflußnahme auf die Wehrpflichtigen dahingehend zu wirken, daß dieser Verteidigungsgedanke das Gemeingut aller wehrfähigen Bürger und darüber hinaus unseres ganzen Volkes wird. Um dies zu erreichen, ist es nicht notwendig, aus dem einzelnen einen Militärenthtfsiasten zu machen. Viel wichtiger ist es, die Masse der Wehrfähigen von dieser selbstverständlichen Pflicht gegenüber der Heimat zu überzeugen. Aus dieser Ueberzeugung heraus wächst die freiwillige Unterordnung gegenüber jedem Vorgesetzten, der durch sein Verhalten, durch seine Kenntnisse und Fähigkeiten überzeugt, daß er befähigt ist, andere Menschen zu führen. Die Fertigkeiten, die man als Soldat erlernt, gleichen einem Handwerk, der Lehrmeister unterweist heute keinen Lehrling mehr durch Brutalität und Handgreiflichsein, sondern durch größeres Können. Der gleiche Grundsatz .gilt auch für jeden militärischen Vorgesetzten. Eitle Selbstgefälligkeit, Unnahbarkeit und eventueller Standesdünkel werden nicht die Eigenschaften sein, um als Vorgesetzter zu gel-, ten. Zwar gibt es für das Geheimnis erfolgreicher Menschenführung keinerlei Rezept, aber eines ist sicher, daß es von der Persönlichkeit der Vorgesetzten abhängt, wie weit er nicht nur durch die Stellung von seinen Untergebenen anerkannt wird. Nur zu oft werden diesbezüglich persönliche Autorität und Machtbefugnis miteinander verwechselt.

Beim militärischen Vorgesetzten haben sich die Eigenschaften und der Pflichtenkreis im. Laufe einer langen Entwicklungszeit so weit festgelegt, daß sich heute jeder bei Aufnahme des Begriffes „Vorgesetzter“ ein ganz bestimmtes Bild von einer Persönlichkeit mit besonderen Eigenschaften macht. Dazu gehören unter anderem Mut. besondere Verantwortungsfreöde, Pflichtbewußtsein, Gerechtigkeit und Objektivität, gepaart mit geistiger Uebsrlegenheit und Ausgeglichenheit. Das Vorhandensein dieser Eigenschaften und Fähigkeiten bei den Vorgesetzten aller Grade wird von bestimmendem Einfluß auf die Ausbildung im neuen Bundesheer sein. Unter Wahrung der Menschenwürde, bei Respektierung der Persönlichkeit und des Persönlichkeitswertes jedes Untergebenen wird es im Zuge der Ausbildung möglich sein, aus der Masse der Wehrpflichtigen selbständig denkende und handelnde Kämpfer zu erziehen, die auch im Ernstfalle, trotz vielleicht größter seelischer und moralischer Belastung, die jedes Kampfgeschehen mit sich Tsringt, ihre Pflicht rest'os erfüllen werden.

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