Normalität mit "Grauslichkeiten"

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Der freie Hochschulzugang ist seit Freitag vergangener Woche zu einem Gutteil Geschichte. Während die Rektoren jubeln, fürchten sich die Studierenden vor "studienrechtlicher Anarchie".

Jürgen Mittelstraß gibt sich lakonisch: Seit dem eugh-Urteil vom Donnerstag vergangener Woche sei Österreich eben "in der universitären Normalität" angelangt, meint der Konstanzer Philosoph und Vorsitzende des Österreichischen Wissenschaftsrats. Eine recht konfuse Normalität, wie sich schon diese Woche zeigt: Seit Montag Mitternacht kann an der Wiener Medizinuniversität vorläufig nicht mehr inskribiert werden. Für die noch freien 600 (der insgesamt 1.560) Studienplätze gibt es 1.500 Voranmeldungen - die meisten davon aus Deutschland.

Rechtlose Studierende?

So groß das aktuelle Tohuwabohu ist: Die wahren "Grauslichkeiten" stecken für die Hochschülerschaft in jenem Gesetz, mit dem die Regierungsparteien dieses Chaos gerade verhindern wollten. Selbst ein Numerus clausus sei nicht explizit ausgeschlossen, schimpft öh-Vorsitzende Rosa Nentwich-Bouchal. Zudem könnten Studierende, die bei einer Knock-Out-Prüfung scheitern, jeglichen Anspruch auf Beihilfen verlieren. "Im ersten Jahr leben die Studierenden der betroffenen Fächer quasi in studienrechtlicher Anarchie."

Den Grundstein für die Restriktionen hatte der Europäische Gerichtshof (eugh) gelegt. Wie erwartet verurteilte er die derzeitige Regelung über den Zugang zu den heimischen Universitäten als "gemeinschaftsrechtswidrig". Während bei ausländischen Studierwilligen der Nachweis eines Studienplatzes im Herkunftsland verlangt wurde - und damit von deutschen Abiturienten das Erreichen des Numerus clausus (nc) in den Fächern Medizin, Zahn- und Veterinärmedizin, Psychologie, Pharmazie und Biologie oder ein Platz im überlaufenen Nicht-nc-Fach Betriebswirtschaft -, hatten österreichische Maturanten unabhängig von ihren Noten Zutritt. Laut eugh eine Diskriminierung. In Zukunft sind Österreichs Universitäten also verpflichtet, alle interessierten, deutschen Abiturienten aufzunehmen. Deshalb wurden die Rektoren freitags ermächtigt, in den kommenden zwei Jahren Zugangsbeschränkungen für die sieben betroffenen Fächer - und Publizistik - einzuführen.

"Dilettantische" Politik?

Ohne die Stimmen von Grünen und spö. Letztere übte Kritik am "dilettantischen" Vorgehen vor dem eugh, erinnerte an die niedrige Akademikerquote von 14 Prozent und forderte einen "Nationalen Universitäts-Entwicklungsplan", der festlegen sollte, wie viel mehr Akademiker die Unis auszubilden hätten. Eine Idee, die vp-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek als unnötig zurückwies - schließlich gebe es schon den nationalen Wissenschafts- und Forschungsplan. Dass "dilettantisch" agiert worden wäre, seien nur "krause Mutmaßungen".

Indes zeigt sich der Vorsitzende der Rektorenkonferenz und Rektor der Wirtschaftsuni Wien, Christoph Badelt, von den Entwicklungen erfreut. Die Ausweitung der Zugangsbeschränkungen auf das Fach Publizistik empfindet er als konsequent. So sei dieses Fach in Deutschland "zu 95 bis 98 Prozent zu", erklärt Badelt. "Daher war es nahe liegend, Publizistik in die Zugangsregelung miteinzubeziehen." Wie die künftigen Beschränkungen ausgestaltet werden, solle jede Uni selbst entscheiden. Die Regelung an der wu mit einer zweisemestrigen Studieneingangsphase habe sich aber bewährt, so Badelt: "Die Studierenden müssen 16 bis 17 Lehrveranstaltungen absolvieren. Nur wer einen bestimmten Mindestprozentsatz erreicht, kann weiterstudieren."

Auch Jürgen Mittelstraß zeigt sich hinsichtlich der Beschränkungsmethoden offen - "so lange Studierfähigkeit, Begabung und Eignung die einzigen Kriterien für die Aufnahme sind". DH

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