7111953-1996_01_08.jpg
Digital In Arbeit

Öko-Konsumenten im Vormarsch

19451960198020002020

Daß Glück nicht gleichbedeutend mit mehr Verbrauch ist, merken immer mehr Menschen und beginnen, sich dementsprechend zu verhalten.

19451960198020002020

Daß Glück nicht gleichbedeutend mit mehr Verbrauch ist, merken immer mehr Menschen und beginnen, sich dementsprechend zu verhalten.

Werbung
Werbung
Werbung

Das ist seit langem der Stachel im Fleisch der Wachstumsgesellschaft. In den Hoffnungen auf ökonomisch segensreiche Wirkungen des Wertewandels macht er sich heute wieder bemerkbar.

Doch der Wertewandel, der die Gegenwart prägt, ist zweideutig. Einerseits hat der distanzierte Konsument die Bühne betreten, jene Person, die zurückhaltend und selektiv kauft, mehr nach Qualität als nach Quantität sucht und auch, über den eigenen Nutzen hinaus, die Natur und das Gemeinwesen im Auge hat. Andererseits tritt der erlebnissüchtige Konsument auf, der Waren und Dienste, durchaus das Verlangen nach materiellem Bedarf hinter sich lassend, nach ihrem Genuß- und Inszenierungswert verbraucht. In beiden Figuren kann sich schließlich das Ideal der Selbstverwirklichung verkörpern: Der eine sucht sie im reflektierten Abstand zur Güterwelt, der andere bringt eben diese Güterwelt im konsu-mistischen Erlebniskitzel auf Touren. Gerade weil aber große Teile der Konsumgesellschaft einem Punkt der Sättigung zustreben, ist in den letzten eineinhalb Jahren das Verlangen nach einem Ende der Baubwirtschaft an der Natur zu einer Marktmacht aufgestiegen. Ökologie ist vom Nischendasein zu einem relevanten Nachfragefaktor geworden. Eine Anzahl von Branchen hat die neue Sensibilität deutlich zu spüren bekommen: Der Lebensmittelhandel wartet mit Bio-Produkten auf, die Elektrogerätehersteller bieten verbrauchsarme Geräte an, die Urlaubsindustrie denkt an sanften Tourismus, Autofabrikanten versuchen sich mit dem Öko-Argument, Kaufhäuser sortieren Wasch- und Beinigungsmittel aus, in Bekleidungsgeschäften finden sich Öko-Kollektionen, und auch bei Lacken und Farben wie im Bereich der Kosmetika und Körperpflege werden neue Produktlinien aufgelegt.

Die Verbraucher sind aber noch keineswegs mit der ökologischen Qualität der Produktpalette zufrieden. Die Hälfte der Verbraucher wünscht mehr Information über das Umweltengagement von Unternehmen. Erst wenn der Konsument über unabhängige Verbraucherberatung und ökologische Gütesiegel die Instrumente in die Hand bekommt, wirklich eine Wahlentscheidung zu treffen, ist der Weg von der Überflußwirtschaft zur Einflußwirtschaft geöffnet.

Sicher läßt sich kritisieren, daß der Verhaltenstyp „ökologischer Konsum" noch immer in eine verschwenderische Wirtschaft eingebettet ist. Auch üben die meisten umweltbewußten Konsumenten keineswegs in allen Verhaltenskategorien Konsequenz. Vielmehr stellt sich ein jeder sein eigenes Bündel an guten Taten zusammen und entpflichtet sich an anderer Stelle. Aber doch wird in immer weiteren Bevölkerungskreisen die Bereitschaft erkennbar, sich auch beim Konsum als Bürger zu verstehen, der maßgeblich an der Heraufkunft einer zukunftfähigen Gesellschaft mitwirken will, die ohne Naturausbeutung und in Fairneß gegenüber der Dritten Welt existieren kann. Vier Kritertien spielen dabei eine Bolle: Sparsamkeit, Begionalorientierung, gemeinsame Nutzung, Langlebigkeit.

Sparsamkeit, jene alte Regel haushälterischen Denkens, bekommt einen neuen Klang — nicht als Pfennig-fuchserei, sondern als Achtsamkeit für die Masse an Natur, die einer für sich privat vernutzt, obwohl sie im Prinzip ein Gemeingut darstellt.

Regionalorientierung beim Einkauf oder bei der Erholung am Wochenende ergibt sich aus dem Interesse, ein Leben zu führen, das den Anfall an Transportkilometern in erträglichen Grenzen hält. Das tut nicht nur der Umwelt sondern auch der regionalen Wirtschaft und nicht selten der Qualität der Waren gut. Gemeinsame Nutzung ist die Devise jener, denen aufgefallen ist, daß zwischen Ressourcenaufwand und individuellem Gütereigentum ein Zusammenhang besteht. Waschmaschinen, Autos, Staubsauger, Leitern, Rasenmäher oder Skiausrüstungen stehen für den größten Teil ihrer Lebenszeit nutzlos herum.

Um die Gebrauchsintensität zu erhöhen und die Ressourcenintensität abzusenken, liegt es nahe, organisatorische und technische Lösungen ins Auge zu fassen, welche Nutzung und Eigentum voneinander trennen. Car-Sharing-Organisationen, Leihstationen für Werkzeuge und Haushaltsgeräte, Mietdienste für Ausrüstungen sind Beispiele für eine nicht an Besitz orientierte Logistik. Es führt schließlich kein Weg daran vorbei, die Nutzungsdauer der in Umlauf gesetzten Produkte zu verlängern.

Wer mit Gegenständen Freund werden will, tut gut daran, auf ihre Qualität in der Zeit zu achten; da kommt das Interesse an Ästhetik mit dem Interesse an Ökologie überein. Jenseits eines gewissen Niveaus werden die Dinge zu Zeitdieben. Ihre Überzahl verstopft den Alltag, zerstreut die Aufmerksamkeit und verzettelt die Energien.

Auszug aus

„Zukunftsfähiges Deutschland", einer Studie des „ Wuppertal Institutesfür Klima, Umwelt, Energie GmbH, 1995.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung