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„Offenburg“- ein Vorbild?

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Die csoziarausscnusse der unnst-lich-Dernokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), der Arbeitnehmerorganisation im Rahmen der CDU CSU haben auf ihrer 12. Bundestagung im Juli ein Aktionsprogramm beschlossen, dag als „Offenburgei Erklärung“ heftige Diskussionen, Zustimmung und Widerspruch in der deutschen Presse provozierte. Zwar bezeichnen die Sozialausschüsse selbst die „Offenburger Erklärung“ nur bescheiden als einen Beitrag zur Diskussion des Parteiprogramms der CDU, das in den nächsten Monaten erarbeitet werden soll; wer die „Erklärung“ analysiert, sieht jedoch, daß es sich dabei um weit mehr als einen Diskussionsbeitrag handelt. Mit den Prinzipien einer „Offenen und solidarischen Gesellschaft“, der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ sowie der Aufstellung eines Katalogs von Zielen einer modernen Gesellschaftspolitik (wobei die Schwergewichte auf der Bildungspolitik, Familienpolitik, Beschäftigtenpolitik, dem Ausbau des Systems der sozialen Sicherheit, der Struktur-, Eigentums- und Steuerpolitik und dem Ausbau der betrieblichen und überbetrieblichen Mitbestimmung liegen) stellt die „Offenburger Erklärung“ de facto das Programm einer sozialen Volkspartei dar. In den meisten Kommentaren taucht die Erinnerung an das fast vergessene Ahleher Programm auf, in dem die CDU ihren Willen zur Sozialreform dokumentierte. Daß dieser soziale Impetus immer stärker in den Hintergrund trat, daß aus der CDU immer mehr eine konservativ-liberal orientierte Partei wurde, ist ein Vorgang, der bekanntlich nicht auf die Bundesrepublik begrenzt blieb.

Renaissance des „linken Flügels“

Die kräftigen Lebenszeichen, die der „linke Flügel“ nun von sich gibt, sind eine Antwort an den letzten Parteitag der CDU, an dem die Sozialausschüsse kaum zum Zug kamen und gleichzeitig ein Appell an die Partei, sich ihrer Anfänge zu erinnern, über der notwendigen Wirtschaftspolitik ihr soziales Programm nicht zu vergessen. Die Sozialausschüsse berufen sich dabei ausdrücklich auf die Impulse, die in sozialen Fragen in den letzten Jah-

ren von der Kirche ausgingen: vom Konzil, vom Schema 13, das die Arbeit gegenüber dem Kapital aufwertet und die Wirtschaft nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zur Selbstverwirklichung des Menschen sieht, von den letzten großen Sozialenzykliken der Päpste. Gegenüber den Tendenzen in der CDU, das heißt gegenüber den Einflußnahmen der Industrie, die darauf hinauslaufen, die beste Wirtschaftspolitik auch als beste Sozialpolitik hinzustellen und damit die maximale Steigerung der Produktivität mit der optimalen sozialen Gerechtigkeit gleichzustellen, betont die „Offenburger Erklärung“ die Notwendigkeit nicht nur wirtschafts-, sondern auch gesellschaftspolitischer Maßnahmen. „Die begrenzten Ergebnisse dieser Politik, die erheblichen Schwierigkeiten, die mit ihrer Durchsetzung verbunden waren, und die Schärfe der gesellschaftspolitischen Diskussionen bis auf den heutigen Tag zeigen jedoch, wie stark auch in der CDU/CSU der Gedanke Fuß fassen konnte, daß soziale und gesellschaftspolitische Interventionen des Staates nur eine überflüssige Belastung des Wirtschaftsprozesses darstellen“, heißt es in der „Sozialen Ordnung“, dem Organ der CDA.

Statt alter Klischees neue Terminologie

Die zitierte „Schärfe der gesellschaftspolitischen Diskussion“ entzündet sich in der „Offenburger Erklärung“ zunächst an der neuen Terminologie, am neuen Verständnis der Beziehungen zwischen Individuum und Gesellschaft, Nicht mehr die altliberale Vorstellung vom Individuum, das ständig gegen die Übergriffe des Staates und der Gesellschaft geschützt werden muß, einer Gesellschaft, die ständig im Begriff ist, ihre Grenzen zu überschreiten und den einzelnen zu versklaven, und damit der zum Klischee gewordene Gegensatz Individualismus — Kollektivismus sind die Grundlagen des sozialpolitischen Denkens, sondern der Begriff der Sozialisation, der wachsenden Verflechtung der sozialen Beziehungen und der zunehmenden Abhängigkeiten des einzelnen von der Gesellschaft.

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