Oft verschmähter Urnengang

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Zwei Überraschungen könnten die bundesweiten ÖH-Wahlen in der nächsten Woche bringen: eine linke Mehrheit - nach vierjähriger Dominanz der VP-nahen AktionsGemeinschaft - und eine Abkehr von der traditionell dürftigen Wahlbeteiligung.

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Zwei Überraschungen könnten die bundesweiten ÖH-Wahlen in der nächsten Woche bringen: eine linke Mehrheit - nach vierjähriger Dominanz der VP-nahen AktionsGemeinschaft - und eine Abkehr von der traditionell dürftigen Wahlbeteiligung.

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Was wiegt schwerer: der Frust oder das Protestpotential? Werden diesmal noch weniger Studierende als vor zwei Jahren wählen gehen? Damals beteiligten sich nur 27,5 Prozent an der Wahl - im Gegensatz zu stolzen 70 Prozent Mitte der sechziger Jahre. Oder werden die 230.000 wahlberechtigten Studierenden aus lauter Zorn über die Studiengebühren die Wahlurnen stürmen? Für die grün-alternative Runde im Cafe Audimax in Wien steht nur so viel fest: "Wir versuchen alles, um die Studierenden zu mobilisieren."

"Die Leute sollen wählen gehen", sagt auch Martin Faißt von der AktionsGemeinschaft (AG). Als bisheriger Bundesvorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) muss er viel Kritik einstecken: Zu unentschlossen sei die ÖH gegen die Studiengebühren vorgegangen; als "ÖVP-Tochter" habe die AG hinter den Kulissen zu allem Ja und Amen gesagt. Stimmt nicht, sagt Faißt. "Da hat es keinerlei Diskussionen gegeben, man ist beinhart über uns drübergefahren." Auch was die Uni-Reform betrifft, spart er nicht mit Kritik am Bildungsministerium. "Man will von uns zwar Vorschläge, kümmert sich dann aber nicht darum." Immerhin sei es gut, "dass die Reform endlich andiskutiert wird, wenn ich mir auch eine andere Art der Diskussion gewünscht hätte". Indes kann Faißt einen Zwischenerfolg verbuchen: 25.000 haben ihre Unterstützungsunterschrift für die Einleitung eines "Bildungsvolksbegehrens" gegen Studiengebühren und für eine Bildungsoffensive geleistet. Voraussichtlicher Termin des Volksbegehrens ist die dritte Oktoberwoche.

Service oder Politik?

Eine Woche vor der Wahl steht nun der neue Spitzenkandidat der AG, Uli Höller, einem Linksbündnis aus Grün-Alternativen, Sozialisten und Kommunisten gegenüber. Deren erklärtes Ziel: eine linke Mehrheit in der Bundesvertretung. Eine Zusammenarbeit mit der AktionsGemeinschaft schließen sie aus. Dabei geht es um Grundsätzliches: Soll die Hochschülerschaft, wie von der AktionsGemeinschaft propagiert, weiterhin vor allem Servicecharakter haben oder soll sie primär (Oppositions-)Politik betreiben? "Die nächste Periode wird hochpolitisch", verkündet die sozialistische Spitzenkandidatin Andrea Mautz entsprechend siegessicher. Um die AG zu überholen, müsste das linke Bündnis allerdings noch einige der insgesamt 45 Sitze in der Bundesvertretung erobern: Bei den letzten Wahlen erreichte die Aktionsgemeinschaft zwanzig Mandate, Sozialisten (7), Grüne (6) und Kommunisten (2) zusammen nur fünfzehn. Diesmal wird ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet. 17 Fraktionen, um sechs mehr als bei der letzten Wahl im Jahr 1999, haben die Formerfordernisse erfüllt - darunter auch die Juxlisten "James Bond-007" und die Linzer "No Ma'am".

Nicht nur die Bundesvertretung, auch die Universitäts-, Fakultäts- und Studienrichtungsvertretungen stehen in der nächsten Woche zur Wahl. Während sich die ÖH auf Bundesebene um strategische Themen wie Unireform, Dienstrecht und Beihilfen kümmert, treten die Studierendenvertreter auf Universitätsebene gegenüber dem Rektor auf und bieten Services an. Die gewählten Studienrichtungsvertreter schließlich übernehmen Erstsemestrigenberatung, vertreten Studierende in Kommissionen und haben Einfluss auf die Gestaltung des Studiums. Insgesamt sind also pro Studierendem mindestens drei Kreuze fällig.

Was sonst noch bei den Hochschülerschaftswahlen spannend wird: Wie wird die Position des Rings Freiheitlicher Studenten (RFS) ankommen, der sich als einzige Fraktion nicht ausdrücklich gegen die Studiengebühren ausspricht? Können sich die Liberalen auf ÖH-Ebene weiterhin behaupten? Und welche Auswirkungen wird die erstmalige Teilnahme der 28 Pädagogischen Akademien, der Donau-Universität Krems und der vier Privat-Universitäten (IMADEC, Webster, International University und Katholisch-Theologische Hochschule Linz) an der Wahl zur Bundesvertretung haben? Umfassende Wahlprognosen gibt es keine: Auf Umfragen vor der Wahl wurde aus Kostengründen verzichtet.

Indes hat sich die furche kurz vor dem Urnengang bei den größten, wahlwerbenden Fraktionen umgehört und sie nach ihren bildungspolitischen Zielen befragt.

Uli Höller, AktionsGemeinschaft (AG): Wir fordern eine stärkere Orientierung der Unis an den Studierenden, den Einsatz neuer Medien und eine Entbürokratisierung der Universitäten. Eine Kernaufgabe der ÖH, die wir immer sehr ernst genommen haben, ist es, als Anlaufstelle für die Probleme der Studierenden zu fungieren und diese gegenüber den Universitäten und dem Ministerium zu vertreten. Ein Beispiel: Seit Mitte Jänner ist eine Verordnung angekündigt, die die Rückerstattung von Studienbeiträgen für die ausländischen Studenten regeln soll. Viele ausländische Studierende wissen aber noch immer nicht, ob sie ab Herbst 10.000 Schilling für ihr Studium bezahlen müssen oder nicht.

Andrea Mautz, Verband Sozialistischer Studentinnen und Studenten Österreichs (VSSTÖ): Die Studienbeiträge und die Vollrechtsfähigkeit der Universitäten werden zu großen Problemen führen - Standortkonzentration, Zusammenlegung von Instituten und vieles mehr. Sehr problematisch ist, dass gemeinsam mit dem Studienbeitrag auch die ÖH-Gebühren als sogenannter "Studierendenbeitrag" eingehoben werden. Für die Studierenden ist damit gar nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar, dass es dabei um einen Beitrag für ihre Interessenvertretung geht! Die ÖH muss wieder deutlicher Standpunkte beziehen. Die ÖH wird bunter, transparenter und fortschrittlicher, wenn mehrere Fraktionen zusammenarbeiten.

Anita Weinberger, Grüne und Alternative StudentInnen (GRAS): Die aktuelle bildungspolitische Debatte um die Vollrechtsfähigkeit und die Umstrukturierung der Universitäten hin zum Markt sind ein Angriff auf das bestehende Bildungssystem. Für die GRAS muss die Universität eine freie und staatlich finanzierte Bildungseinrichtung bleiben. Der zweite Schwerpunkt betrifft die Gleichbehandlungsfrage. Vor allem MigrantInnen, Lesbi-Schwule und behinderte Menschen werden immer noch diskriminiert. Im sozialen Bereich fordern wir die Rücknahme aller sozialen Numeri Clausi, wie Studiengebühren und Zwangsexmatrikulation, und treten für eine Grundsicherung ein.

Michaela Köberl, Liberales Studentinnen und Studenten Forum (LSF): Die ÖH bringt sich derzeit viel zu wenig ein. Dass es nur einen einzigen Protest gegen die Studiengebühren gab, sagt alles. Statt der "Studiensteuer", von der zu bezweifeln ist, ob dieses Geld wirklich an die Unis zurückfließt, wollen wir den Bildungsscheck: eine Grundsicherung von 8.000 Schilling für alle Studierenden, ergänzt durch ein Ausbildungsdarlehen, das später in Form eines Steuerzuschlags zurückgezahlt werden soll. Die Finanzierung könnte durch Einsparungen in der Verwaltung gesichert werden. Wir sind für die Befreiung der Unis aus der Planwirtschaft. Und für eine ÖH, die wirklich die Interessenvertretung wahrnimmt und nicht nur ein Hickhack zwischen Links und Rechts betreibt.

Andreas Zahalka, Fachschaftslisten Österreichs (FLÖ): Für uns als parteiunabhängige Fraktion steht die Förderung der inhaltlichen Arbeit an den Universitäten im Vordergrund. Wir fordern erweiterte Mitbestimmung in Studierendenfragen, eine bildungspolitisch und nicht fiskalpolitisch geleitete Universitätsreform, die Zurücknahme der Studiengebühren, eine strukturelle ÖH-Reform, eine nachhaltige Studienplanreform, eine Evaluierung der Lehre, die Gleichbehandlung aller Studierenden und gesetzliche Rahmenbedingungen, die es jeder Person unabhängig von ihrer sozialen Lage möglich machen, ein Studium zu absolvieren.

Karina Korecky, Kommunistischer StudentInnen Verband (KSV): Bleiben wir realistisch, ohne Boykott läuft gar nichts! Ein Volksbegehren gegen die Studiengebühren, das erst im Herbst stattfindet, kommt zu spät. Wir wollen erreichen, dass möglichst viele Studierende die Studiengebühren nicht an die Unis, sondern auf ein dafür eingerichtetes Treuhandkonto einzahlen. Macht ein genügend hoher Prozentsatz mit, wird man ja sehen, ob die Unis wirklich Tausende Studierende exmatrikulieren - womit sie zusperren könnten! Nehmen aber zu wenige daran teil, werden die Gelder fristgerecht vom Treuhandkonto an die Uni weitergeleitet, so dass alle Beteiligten ganz normal zum Studium zugelassen sind.

Hannes Bauer, Ring Freiheitlicher Studenten (RFS): Informieren statt demonstrieren! Proteste hin oder her, die Studienbeiträge sind beschlossen. Wichtiger wäre es, die Studierenden über Veränderungen - etwa bei der Studienbeihilfe - zu informieren. Wir fordern auch die Auflösung der Bundes-ÖH! Statt der teuren bundesweiten Hochschülerschaft, die 28 Prozent der Mittel bekommt, würden wir die Vorsitzendenkonferenz ausweiten. Zur Zwangseinbürgerung sagen wir "Nein Danke!" Bürgermeister Häupl versucht wegen der Volkszählung möglichst viele Studierende zu zwingen, ihren Hauptwohnsitz nach Wien zu verlegen. Die Studierenden wissen aber selbst am besten, wo der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen liegt.

Robert Kropiunik, unabhängig - pädagogisch - akademisch (UPA): Wir sehen große Chancen, nur hat uns die ÖH leider bei der Einführung der Briefwahl im Stich gelassen. Mit der Folge, dass fast die Hälfte der Studierenden an den pädagogischen Akademien wahrscheinlich nicht zur Wahl gehen werden, weil sie berufstätig sind und zur Zeit der Wahlen gerade keine Lehrveranstaltungen haben. Wir streben trotzdem Mandate auf Bundesebene an, um dort die Interessen der pädagogischen Akademien zu verteten.

Claude Haddad - Liste www.Foreigner.at: Wir sind eine Initiative von multikulturellen Studierenden, die sich gemeinsam für Gleichbehandlung, gegen Vorurteile und gegen Diskriminierung einsetzen. Unser Ziele sind bessere und effizientere Beratung und Erleichterungen des Aufenthalts in Österreich für ausländische Studierende, die Gründung eines Dachverbandes für ausländische Studentenvereine, bessere Online-Beratung und eine "Aufpasser-Funktion" in der ÖH, damit man bei wichtigen Entscheidungen nicht auf die ausländischen Studierenden vergisst.

Informationen unter www.oeh-wahlen.at

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