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Ohne Familie gibt es keinen Staat

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Trotz vieler Unkenrufe fürchtet Sonja Moser nicht um ihr Familienministeri-um, denn: „Der ÖVP ist der Schwerpunkt Familie ein wahrer und aufrechter."

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Trotz vieler Unkenrufe fürchtet Sonja Moser nicht um ihr Familienministeri-um, denn: „Der ÖVP ist der Schwerpunkt Familie ein wahrer und aufrechter."

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dieFurche: Haben Leute recht, die sagen, Familienpolitik sei Frauenpolitik?

Sonja moser: Nein, nein, zu unserer Familienpolitik gehören unbedingt die Männer auch dazu. Jene Männer, die sich gerne in diesen Bereich einbringen, der für sie diese kleine er-hoffenswerte Lebenswelt darstellt, die auch der Mann erleben möchte, nämlich mit seinen Kindern, mit seiner Frau, mit seiner Partnerin.

dieFurche: Wie weit sehen Sie sieh da im Konflikt oder parallel müder Frauenministerin?

Moser: Die Parallelität besteht insofern, als ich sage, daß Frauen zu 80 Prozent in einer Familie sind. Wieso haben wir ein Frauenministerium ganz für sich allein, wieso können wir nicht für Menschen da sein, und dementsprechend das für Menschen hin-überbringen, was der Wunsch dieser Menschen wäre? Die Frauen wünschen sich nicht, allein kämpfend dort zu stehen, sie wünschen sich Zeit zu haben für ihre Kinder. Die Doppel-und Dreifachbelastung fällt ihnen an-heim, weil eben der Partner aus wirtschaftlichen Gründen oder aus Gründen, die in seinem Selbstverständnis liegen, gar nicht daran denkt, helfen zu können, helfen zu wollen. Es ist beim dritten Teil unserer Wirtschaftsenquete herausgekommen: 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist unentgeltliche Arbeit. Und die fällt zu 71 Prozent den Frauen zu.

Immer dort, wo zwei Generationen füreinander Verantwortung tragen -auch Alleinerzieherinnen, Alleinerzieher mit Kind —, das ist für mich Familie. Der Großteil der Menschen lebt in der Familie. Es wird immer nur gesehen, daß es so viele Single-Haushalte gibt. Wir selber haben in Osterreich noch keine genauen Untersuchungen, aber Deutschland sagt: Drei bis vier Prozent sind wirklich Single-Haushalte. Das sind jene Menschen, die nichts mit einer Partnerschaft oder nichts mit einer Ehe in ihr Verständnis hineinbringen. Drei bis vier Prozent! Alle anderen sind nur temporär, entweder vor dieser familialen Phase oder nach dieser familialen Phase, als Singles zu sehen. Also der Großteil wünscht sich die Familie.

Und aus diesem Verständnis heraus ist mein absolutes Streben, es möglich zu machen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Wir haben zwei Tendenzen: Auf der einen Seite die Frauen, die sehr gerne zumindest bis zum vierten Lebensjahr des Kindes zu Hause bleiben möchten, und die Kinderbetreuung selbst übernehmen. Die würde ich gerne unterstützen. Ich würde aber auch die gerne unterstützen — das ist die zweite Tendenz —, die sagen, zwei Jahre zu Hause beim Kind ist gerade noch möglich, aber dann möchte ich in meinen Beruf zurückkehren, wo der Wunsch, aber auch das Muß der Berufsausübung so notwendig ist, aus finanziellen Gründen zum Beispiel. Ich möchte, daß diese Frauen ebenfalls das finden, was sie brauchen, also die Aus- und Weiterbildung in der Karenzzeit, aber vor allen Dingen auch die geeignete Kinderbetreuung der Zwei- bis Vierjährigen.

Ich kann nicht eine flächendeckende Kinderbetreuung, so wie sie die Frauenministerin immer wieder anspricht, in den Vordergrund stellen. Kinder haben nun einmal Entwicklungsstufen. Ich habe bei einem Vier-bis Sechsjährigen die sozialpädagogische Variante des Kindergartens absolut nicht wegzudenken, aber ich kann nicht ein zwei- oder dreijähriges Kind in den Kindergarten stecken. Allein der Zahlenbegriff, den diese Kinder haben, der ist ja: eins, zwei, alle. Ich kann doch nicht so einen kleinen Wurm in eine Gruppe mit 25 Kindern hineinstecken. Der geht ja unter.

Bei der Kinderbetreuung ist mein oberstes Prinzip, daß ich das an Kinderbetreuung anbiete, was für diese Altersstufe das Wichtige ist. Und diese Kinder brauchen nun einmal eine kleine Gruppe, die brauchen alle Liebe, Umsorgtheit und Geborgenheit; das Gefühl der Geborgenheit müssen sie haben, damit sie es dann später ein -mal einer weiteren Generation ebenfalls anbieten können.

dieFurche: Wobei wir beim Generationenproblem sind Wird nicht Familienpolitik durch die demographische Entwicklung — immer mehr alte Menschen, aber wenig junge - erschwert

Moser: Wenn wir aber ein Selbstverständnis wieder finden zwischen den Generationen, wenn wir eine Solidarität wieder aufbauen zwischen den Generationen, dann wird auch hier größeres Verständnis sein. Ich weiß, es wird immer wieder gesagt, allein schon der Wohnungsbau spricht da dagegen. Der Wohnungsbau ist es nicht, es muß zuerst in den Köpfengeschehen, daß ich mich für meine Eltern, für die ältere Generation auch dementsprechend einsetze, weil die sich sehr gerne auch nützlich machen und wieder die jüngste Generation umsorgen. Kein Mensch will unnütz sein. Es geht immer wieder darum, daß der eine für den anderen einsteht, daß die Solidarität unter den Generationen gewährleistet ist. Das ist es, was wir in der Zukunft alle brauchen.

Es ist aber auch das, was ich mit ideellen Maßnahmen im Familienministerium anspreche, ein Hineinbegleiten in eine Partnerschaft, ein Hineinbegleiten in eine Elternschaft. Unsere jungen Menschen haben teilweise alle Eigeninitiative verloren. Es ist alles für sie getan worden, es ist alles für sie aus dem Weg geräumt worden. Vater Staat, mach's bitte möglich. Die Bücher wurden gratis an sie übergeführt, die Schülerfreifahrten, der Bus steht vor der Tür. Und es hat gegipfelt in einer Studentendiskussion, in der ich aufgefordert wurde, es möglich zu machen, daß jedes Baby bereits ein Sparkassenbuch mit einer Million Schilling bekommt. Und der Staat sollte dann von den Eltern zurückfordern, was er wieder haben will. Das ist etwas, was vollkommen gegen das Stehen füreinander und die Menschlichkeit spricht.

dieFurche: Es gibt Leute die sagen, Familie ist ein Auslaufmodell, Kinder sind ein Privatvergnügen, andere fordern das steuerfreie Existenzminimum Wie ist da Ihre Haltung?

Moser: Familie ist ganz sicher kein Auslaufmodell. Wir müssen nur Familien unterstützen. Der Staat hat also von 1972 weg sehr wenig dazu beigetragen, Familie und Ehe wirklich zu unterstützen. Familien sind steuerlich benachteiligt. Daher ist es meine absolute Forderung, ein steuerfreies Existenzminimum für jedes Familienmitglied zu haben. Und- ich kann nur sehnsüchtigen Auges nach Deutschland schauen, wo ab 1. Jänner 1996 das bereits möglich ist. Allerdings, das muß ich auch noch dazu sagen, es ist die Wahlfreiheit möglich. Entweder zwischen Kindergeld, was bei uns der Familienbeihilfe entspricht, oder dem steuerfreien Existenzminimum. Ich finde das absolut richtig. Das ist auch mein Ziel.

Wir brauchen ein steuerfreies Existenzminimum. Wir müssen das» was Familien an Leistung erbringen, unterstützen, all diese unentgeltlichen Leistungen, die nur Familien erbringen können. Würden diese Leistungen ausgelagert werden, könnte sie der Staat weder an Qualität, noch an finanziellen Möglichkeiten überhaupt leisten. Das wäre unmöglich. Und es gibt keinen Staat ohne die Familie. Da bin ich vollkommen überzeugt davon. Wenn diese kleinste Zelle fehlt, dann fehlt dem Staat das, was ihn zum Staat macht.

dieFurche: Wie weit ist dasfinanzierbar? Gut verdienende werden diese Unterstützung nicht brauchen, aber andere würden die Familienbeihilfe in der vollen Höhe des Existenzminimums vom Staat beanspruchen...

Moser: ... und müßten sie auch bekommen, damit wir diese Armut bekämpfen können. Wir haben ja bereits einen Alleinverdiener und eine Familie ab zwei Kindern zur Armutsgrenze hingleitend. Dem müssen wir Einhalt gebieten.

dieFurche: Fürchten Sie, daß das Familienministerium eingespart wird?

Moser: Ich möchte keine Koalitionsbesprechungen über Medien führen, aber da der ÖVP der Schwerpunkt Familie wirklich ein wahrer und aufrechter ist, fürchte ich nicht um mein Ministerium.

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