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Ohne jede Parität

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Der Exodus der Professoren aus der Parlamentarischen Hochschulreformkommission wirkte zunächst wie ein Schock — auch wenn dann einige Sprecher der anderen Gruppen erklärten, diesen Schritt erwartet zu haben. Nicht zum erstenmal war die Mehrheit gegen die Meinung der Professoren gebildet worden —wenn auch selten in dieser klaren Abgrenzung —, aber diesmal schien ihnen die Grenze des Zumutbaren gekommen. Mehrere ihrer Sprecher hatten betont, daß für die Professoren keine Lösung mit Semi- oder Drittelparität akzeptabel sein könne. Denn schließlich könnten allein sie als berufene. und beamtete Lehrkanzelinhaber die volle Verantwortung für das Geschehen an der Universität tragen — auch für Maßnahmen, die vielleicht erst zu einem Zeitpunkt zum Tragen kämen, an dem die sonst Mitwirkenden die Hochschule längst wieder verlassen hätten.

Die Empfehlung, die dann mit den Stimmen der Assistenten und Studenten sowie zweier Politiker angenommen worden war, wollte alle habilitierten Lehrkräfte in eine Gruppe zusammenfassen. Sie hätte damit in den meisten Instituten den oder die Lehrkanzelinhaber gegenüber den anderen Gruppen in eine rettungslose Minderheit gedrängt. Die Professoren rechneten vor, daß etwa an der Wiener I. Chirurgischen Klinik nach diesem Schlüssel ein Ordinarius mit neun habilitierten Oberärzten die Gruppe der Lehrer gebildet hätte, ihnen gegenüber neun Assistenten und acht Studenten.

Ist damit die Arbeit der Kommission beendet, sie selbst „geplatzt“? Die Meinungen in der Rumpfkommission gingen hierüber auseinander. Der seinerzeit vom Bundesrat gestellte Termin ist längst abgelaufen, die Ermüdungserscheinungen sind deutlich, einige von ihnen — wären bereit, auch ohne Professoren weiterzudis-kutieren, bei den Assistenten wie den Politikern schien die Lust gering. Ebensowenig wie man heute gegen die Studenten Hochschulpolitik machen kann, ebensowenig kann auch eine Universitätsreform ohne oder gegen die Professoren durchgedrückt werden.

Waren dann diese zwei Jahre vergeudet? Vielleicht wird gerade der abrupte Abbruch der Gespräche, das Nichtvorhandensein dieses Gremiums die Arbeit der Kommission einer gerechteren Beurteilung zuführen können, als sie bisher möglich war.

Dieses erste Diskussionsforum von Professoren, Assistenten, Lektoren, Studenten und Politikern brauchte nach seiner Konstituierung zunächst ein gutes halbes Jahr, um zu sich selbst zu finden, um die Sprache zu entwickeln, die notwendig schien, um konkret arbeiten zu können. Die Hoffnung, innerhalb eines Jahres zu einem gemeinsamen Reformkonzept zu kommen, mußte sich bald als Illusion herausstellen. Dafür gingen die Vorstellungen auf der einen Seite zu sehr in die Utopie, verhafteten auf der andern zu stark im Hergebrachten. Erst langsam erkannten die Studenten, daß auch sie auf dem Boden des Realen bleiben mußten, und anerkannten die Professoren, daß viele der ihnen vorgelegten Forderungen gerecht waren. Das Ergebnis waren immerhin die Stuidienkommissionen. Natürlich mußten sie zunächst auf Opposition, auf Widerwillen, auf Schwierigkeiten stoßen — inzwischen beginnt man sich an sie zu gewöhnen. Der hohe Preis der Demokratisierung — ein stark vermehrter Arbeitsaufwand in allen diesen neugeschaffenen Gremien — wird allmählich in die Gesamtkalkulation einbezogen. Vor allem aber hat die Existenz dieser Kommission dazu beigetragen, Dampf abzulassen, die Atmosphäre zu mildern.

Liegt nun die Initiative beim Bundesrat, der den ersten Anstoß gegeben hatte? Muß der zuständige Ressortminister dafür sorgen, daß die Diskussion nicht abreißt? Soll die Kommission in gleicher oder anderer Zusammensetzung weiterarbeiten? Zweifellos wird die Entscheidung darüber zunächst beim künftigen Wissenschaftsminister liegen. Zweifellos wird man auf ein Diskussionsgremium nicht verzichten können. Reformen, wie man sie in den kommenden Jahren wird durchführen müssen, können nicht am grünen Tisch beschlossen und von oben herab dekretiert werden, ohne die Beteiligten heranzuziehen. Aber daran dürfte wohl auch niemand denken. Kommissionen dieser Art zeigen immer nach etwa ein bis zwei Jahren intensiver Arbeit Ermüdungserscheinungen, die die weitere Effektivität in Frage stellen. Wird eine Sommerpause genügen, die notwendige Erholung zu bieten? Wird es besser sein, neue, noch unverbrauchte Leute zu suchen, die auch neue Gedanken in die Diskussion zu bringen vermögen? Wird man anderseits auf die Erfahrungen aus zweijähriger Diskussion verzichten können?

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