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Digital In Arbeit

„Papi, wann kommet Du nach Hause?”

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Familie und Beruf zu vereinen, ist für Mütter und Väter immer noch ein schwieriger Balanceakt. Manche Firmen zeigen aber bereits Mut zur sozialen Innovation und bieten „famili-enfreundliche Arbeitsplätze”.

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Familie und Beruf zu vereinen, ist für Mütter und Väter immer noch ein schwieriger Balanceakt. Manche Firmen zeigen aber bereits Mut zur sozialen Innovation und bieten „famili-enfreundliche Arbeitsplätze”.

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Familie zu haben, bedeutet für viele Menschen Lebensbereicherung und persönliches Glück, einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, ökonomische Existenzsicherung, Chance zur Selbstentfaltung und gesellschaftliche Anerkennung. Das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen.

Reide Bereiche, Familie und Berufswelt, sind gesellschaftlich wichtig. Obwohl in beide Zeit und Energie investiert wird, da wie dort Arbeit geleistet wird, gibt es Prestige und monetäre Entlohnung, Absicherung bei Krankheit und im Alter nur in der Erwerbsarbeitswelt. Erwerbstätige haben auch eine viel stärkere Interessenvertretung für ihre Bechte und Bedürfnisse als Familien. Unsere Gesellschaft ist sehr stark auf Leistung ausgerichtet, die Arbeitswelt zwingt der Familie ihren Rhythmus auf.

Vor allem Ausmaß und zeitliche Lage der Arbeitszeit beeinflussen das Familienleben stark. Das führt dazu, daß berufstätige Eltern nicht jene Zeit für ihre Kinder aufbringen, die diese brauchen und sich wünschen.

„Der Arbeitsmarkt in Österreich ist auch im Zeitalter geänderten Rollen-Verständnisses in der Familie noch immer ausgerichtet auf einen durch. Kindererziehung und Hausarbeil nicht wesentlich eingeschränkten Arbeitnehmer. Das ist entweder ein Mann, dem seine Frau Hausarbeit und Kindererziehung abnimmt, oder eine kinderlose Frau, die durch 1 lausarbeit wenig belastet ist”, sagt die Linzer Familiensoziologin Liselotte Wilk. Aber nicht nur der Arbeitsmarkt, auch das System der sozialen Sicherheit funktioniert so. Berufliche, finanzielle und soziale Sicherheit gibt es nur bei kontinuierlicher Berufstätigkeit und bei Belastbarkeit der Arbeitskraft. Bei häufiger oder längerer Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit sinken die Chancen am Arbeitsmarkt und das Ausmaß sozialer Sicherheit zusätzlich zu finanziellen Einschränkungen.

Noch immer ist Familienarbeit Frauensache und noch immer bringen Mütter, auch wenn sie berufstätig sind, mehr Zeit für ihre Kinder auf als Väter. Nach der neuesten Zeitbudget-Studie des Statistischen Zentralamtes verbringen Väter, egal ob die Familienmutter vollzeit-, teil-zeit- oder gar nicht erwerbstätig ist, während der Woche täglich 31 bis 33 Minuten mit ihrem Kind, am Wochenende bis zu einer Stunde. Eine Studie an der Linzer Universität (500 Familien) brachte ähnlich traurige Ergebnisse. Erwerbstätige Mütter widmen den Kindern wochentags mehr als dreimal soviel Zeit als Väter, nicht erwerbstätige fünfmal soviel. Auch am Wochenende übersteigt die Zeit der mütterlichen Zuwendung (Ausnahme: berufstätige Mutter) den Zeitaufwand der Väter.

Wie immer Frauen versuchen, Er-wei-hsarbeit und Familie in ihrem Lebenslauf zu vereinbaren - sie müssen meist dabei besondere Belastungen oder Benachteiligungen in Kauf nehmen. Daß sie bei gleicher Qualifikation und Arbeitsleistung weniger verdienen als Männer in gleicher Position, wirkt sich auch auf dpi wahlwei- I sen Kärenzurlaub der Eltern aus. Nach yä|e vor nimmt weniger als ein > Prozent der Väter die Karenz in An-? spruch. Die meisten Familien könneil es sich aus finanziellen Gründen nicht leisten. W7eitere Argumente dagegen sind, daß eine berufliche Tätigkeit des Mannes keine Unterbrechung zuläßt und daß die Mutter eher zum Kind gehört als der Vater.

Qualifizierte Teilzeitarbeitsplätze gibt es für Männer noch weniger als für Frauen. Arbeitszeitflexibilität und Jahresarbeitszeit-Modelle, die die Arbeitswelt „familienfreundlicher” gestalten können, erst im Ansatz.

Darf man in einer Zeit, in der der Staat zu drastischen Sparmaßnahmen gezwungen ist, die Wirtschaft immer mehr unter Konkurrenzdruck der billig produzierenden Länder gerät und viele Arbeitsplätze wackeln, auch noch spezielle Anforderungen an die Qualität eines Arbeitsplatzes im Sinne von „Familienfreundlichkeit” stellen?

Die großen Vertretungsorganisationen der Familien in Oberösterreich (Katholischer Familienverband der Diözese Linz, OÖ. Familienbund, OÖ. Kinderfreunde) und das Familienreferat beim Amt der OÖ. Landesregierung meinen, man muß das sogar.

■ Weil Kinder die Leidtragenden sind, wenn Eltern ihren Erziehungszielen und ihrer Erziehungsverantwortung nicht mehr gerecht werden, weil sie die Anforderungen nicht vereinbaren können.

■ Weil Kinder nicht nur ein Becht auf materielle Versorgung, sondern auch ein Becht auf die Zeit beider Eltern haben.

■ Weil es endlich zu einer gleichen gesellschaftlichen Bewertung von Familienarbeit und Erwerbsarbeit kommen muß.

■ Weil sich „Familienfreundlichkeit” in der Arbeitswelt nicht nur an den Vorteilen für den Betrieb orientieren darf, sondern an den Bedürfnissen der Mitarbeiter und deren Familien.

Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, veranstalteten die genannten Familienorganisationen gemeinsam eine Enquete in Linz zum Thema „Familie und Arbeitswelt (k)ein Gegensatz?!” (siehe Fl.'rchk 39/1996).

Nach einem Grundsatzreferat von Liselotte Wilk wurde in Arbeitskreisen über Lösungsansätze und Arbeitsmodelle diskutiert, die der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeitswelt besser entgegenkommen. Anders als die Soziologin, die dafür plädierte, daß echte Lösungen nur gesamtgesellschaftlich und nie individuell sein können, sahen die gestreßten Famili-e'npraktiker durchaus auch in geförderten, kleinräumigen, zeitlich begrenzten Privatinitiativen eine Erleichterung ihres täglichen Balanceaktes zwischen den Ansprüchen der Familie und der Arbeitswelt.

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