Polnischer Jude ersinnt Sprache

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Am Anfang stand eine Erkenntnis, die schon die Bibel als Problem beschreibt: Die Menschen haben ihre gemeinsame Sprache verloren und damit das Band, das sie einte. Was für ein fantastischer Plan, die babylonische Sprachverwirrung (Genesis 11) und den oft blutigen Streit der Menschen durch die Schaffung einer einzigen Sprache zu beenden! Der bekannteste Versuch dazu ist Esperanto, die vom polnischen Juden Eliezer Ludvik Zamenhof ersonnene Sprache. 2017 bietet mehrere Anlässe, über Zamenhof und seine Idee nachzudenken.

Zamenhof erblickte 1859 im damals russischen Białystok das Licht der sprachverwirrten Welt. Als Kind hörte er vom Vater Russisch, von der Mutter Jiddisch, auf der Straße Polnisch, in der Synagoge Hebräisch, in der Schule Griechisch, Latein und Englisch; der Vater unterrichtete Deutsch und Französisch. Kein Wunder, dass ihn Sprachen interessierten. Zamenhof, von Beruf Augenarzt, fand seine Berufung in einer internationalen Sprache und Weltanschauung. Vor 130 Jahren, 1887 veröffentlichte er das erste Lehrbuch der neuen Sprache unter dem Pseudonym "Doktor Esperanto": der hoffende Doktor.

Das Ideal einer geeinten Menschheit schöpfte er aus dem Judentum. Neben literarischen Werken verschiedener Sprachen übersetzte er die Hebräische Bibel ins Esperanto. Bis zu seinem Tod im April 1917 gewann er für sein Projekt unzählige Anhänger in vielen Ländern. Heute gibt es in Wien ein Esperanto-Museum, und in aller Welt wurden Straßen und Plätze nach Zamenhof benannt; sogar zwei Asteroiden tragen seinen Namen. Auch wenn sich sein Traum von der einenden Sprache der Menschheit nicht erfüllt hat, kann man seine Vision nächste Woche feiern: der 15. Dezember ist Zamenhof-Tag, gewählt nach seinem Geburtstag. "Felican naskigtagon!" lautet der Glückwunsch auf Esperanto.

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