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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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WERMUTSTROPFEN IM BECHER. Wenn Bundeskanzler Raab gerade in den frohbewegten Rahmen des Welser Volksfestes seine Rede zur Sicherung der Währungs- und Wirtschaflsstabi-lität stellte, so wirkte das Bild um so ernster. Der Oesterreicher, so sagte der Kanzler, habe allen Grund, froh zu sein, wenn er durchs Land fahre. In den Betlieben herrsche Vollbeschäftigung, in den hochindustriellen Gebieten mache sich Arbeitermangel geltend. Die Handelsbilanz mit ihrem Fehlbetrag wird mehr als ausgeglichen durch den Rekordumsatz des diesjährigen Fremdenverkehrs. Diese guten Perspektiven werden aber — und schon seif geraumer Zeit — durch die Differenzen des Lohn-und Preisgefüges verschoben. Dazu kommen noch die (uneingestandenen) Neigungen einiger Minisferien, durch Forderungen an den Staatssäckel das Budget einer unzulässigen Ausweitung auszusetzen, so daß die perfekteste Steuergesetzgebung schließlich Schiffbruch leiden muh. Bei aller Würdigung der Investitionstätigkeit wird es langsam offenbar (siehe Bahn und Kraftsekfor), dafj wir verschrieenen österreichischen Raunzer uns angesichts der Konjunktur eines rosaroten Optimismus befleißigen, eines Glaubens an die ewig unveränderliche weltpolitische Lage. Es muß große Bedrückung auslösen, wenn die Berichte der Sparkassen, die früher Jahr für Jahr eine Steigerung der Spar-rafe meldeten, nun ein Stocken konstatieren. Schon das Ergebnis der zweiten Energieanleihe war eigentlich ein Mahnzeichen. Ratengeschäfte und ein Leben weit über den Standard, die Eigensucht und völliges Vergessen der Gesamtheit belasten die Wirtschaff und müssen, auf die Dauer gesehen, die Währung gefährden. Es slimmt nachdenklich, in dem Bericht des Instituts für Wirtschaftsforschung zu lesen, daß die Produktion der österreichischen Industrie in diesem Jahre gleichblieb, die Löhne aber auf diesem Sektor um acht Prozent höher lagen. Ein privater Kaufmann, der auf die Dauer so wirtschaftet, muß schließlich in Konkurs gehen. Der Staat darf sich das niemals gestatten. Er würde mit allen Errungenschaften von elf Jahren harter Arbeit und vielleicht seiner Freiheit Hasard spielen.

STAATSBÜRGERKUNDE: MANGELHAFT. Wir wissen: unsere Kollegen von den Tageszeitungen stehen unter einem harten Gesetz. Der Minutenzeiger diktiert, in wenigen Stunden soll ein Blatt mit den letzten Neuigkeiten zu den Lesern gelangen. Flüchtigkeitsfehler können vorkommen. Niehl passieren dürfte aber ein Artikel, wie ihn unlängst eine Mittagszeifung unter dem Titel „Bundespräsident von seiner Erkrankung noch sehr mitgenommen“ publizierte. Da wird zunächst davon Mitteilung gemacht, daß mit einer neuen Kandidatur Doktor Körners 1957 für die Präsidentenwürde nicht zu rechnen sei. Nun, gar so neu ist diese Neuigkeit wirklich nicht; wer hatte schon damit gerechnet? Als „Sensation“ darf aber angesehen werden, daß man sich angeblich über eine Verlängerung der Amfsperiode des Bundespräsidenten „um weitere vier Jahre einigen könnte“. Ein Schreibfehler? Nein, da lesen wir wieder: „Der Gesundheitszustand des Bundespräsidenten erlaube es nicht, ihm. die Last einer nochmaligen vierjährigen Amtsperode zuzutrauen.“ Unsere Kinder, die in diesen Tagen wieder zur Schule gehen, wissen es besser. Bereits dort lernen sie nämlich, daß der Bundespräsident auf sechs Jahre gewählt wird. — Ein weiteres Kuriosum: Es wird an anderer Stelle von einer Verlängerung „der Regierungs-zeif“ des Bundespräsidenten gesprochen. Wie sagte doch weiland der König von Sachsen?: „Ihr seids mir scheene Republikaner...“

„DIE KIRCHE DAS ZEICHEN GOTTES IN DER WELT“: Der 77. Deutsche Katholikentag, der in Köln am vergangenen Sonntag sein Ende fand mit einem eindrucksvollen Appell des Heiligen Vaters an das deutsche Volk, führte auf seinem Höhepunkt 800.000 Menschen zusammen. Diese machtvolle Demonstration der deutschen Katholiken fand in einem Augenblick statf, in dem die wachsten Katholiken in Deutschland sehr stark das Gefühl haben, in Deutschland eingekreist zu sein von anderen Gruppen. Interessen- und Weltanschauungsverbänden. Die Sorge um die nächste Zukunft — werden die deutschen Katholiken ihre politischen Positionen halten können? — und die Sorge um den Osten — gerade in diesen Tagen haben die Beziehungen zwischen Bonn und Moskau einen „Gefrierpunkt“ erreicht — standen sichtbar im Hinfergrund hinter den riesigen Kränen der Manifeste des Katholikentages; sie wirkten sich aber sichtlich positiv aus, indem sie die Menschen in einer Wärme und Glaubensinbrunst zusammenführten, die in sorglosen Zeiten nicht so leicht gefunden werden. In den Referaten des Katholikentages war denn auch der Ernst der Stunde deutlich hörbar; ernste Wahrheiten wurden da gesagt, am deutlichsten vielleicht von Vertretern einer jungen Generation, wie Marga Klompe, der bekannten holländischen Politikerin, von Robert Spae-mann (Münster) und von Geistlichen, welche die letzten Jahrzehnte nüchtern selbstkritisch erfahren haben (Hugo Rahner SJ., P. Hofinger SJ., Pfarrer Bernhard Hanssler und Joseph Ernst Mayer; Männer, die aus Oesterreich kommen oder stammen oder, wie Hanssler, hierzulande von vielen Tagungen wohlbekannt sind). Marga Klompe fordert entschieden von den europäischen Katholiken heute mehr Weltverantwortung, Universalität, praktische und spirituelle Katholizität — und Robert Spaemann stellte die Frage: Kann in einem Leben, das von Hoffnung zu Hoffnung gepeitscht wird, vom Moped zum Volkswagen, vom Volkswagen zum Olympia Rekord, vom Mercedes 180 zum Mercedes 300, kann da ein Christ noch Platz haben für die eine große Hoffnung auf das Kommen des Reiches Gottes? — Hugo Rahner machte darauf aufmerksam, daß wache Katholiken gerade in der so sichtbaren Armut, Schwäche, Blutarmut der Kirche „Gottes Kraft in unserer Schwachheit“ erkennen. „Die Kirche der Schwäche ist für den Katholiken Glaubenstatsache, Glaubensprüfung und Giaubensfreude.“ — „Wir müssen es lernen, die Kirche zu erfragen wie Kinder, die wissend geworden sind und hinter die Schwächen ihrer Elfern kamen.“ Hier wurde also nicht Zuflucht gesucht bei einem billigen und versucherischen Autoritarismus, der die großen inneren Wachstumsschwierigkeiten des Katholizismus heute verdeckt mit Phrasen, sondern mutig an „heiße Eisen“, wie etwa die faktische und spirituelle Aufgabe des Laien heute, herangegangen. Der Mut, die Sachlichkeit, die gläubige Zuversicht in den Vorträgen konnten dergestalt eine gewisse Entschädigung bieten für etwas, was nicht wenige Teilnehmer schmerzlich vermißten: die Leitung der Arbeitskreise, die sich bereits eine Woche zuvor zusammengesetzt hatten, um dringende Fragen zu besprechen, hatte die „heißen Eisen“, die heule jeden deutschen Christen bewegen (Frage der Aufrüstung, Kriegsdienstverweigerung, Wiedervereinigung) bewußt ausgeklammert, weil sie meinte, dafür sei die Zeit noch nicht' reif. Hier wurde eine große Gelegenheit versäumt. Die 28.000 Katholiken aus der „Zone“, aber auch sehr viele Katholiken im Westen sind zutiefst innerlich bedrängt durch widersprechende Eindrücke und Ansichten in diesem Raum, sie spüren, hier wird ihre Existenz, das Schicksal Deutschlands und vielleicht einer Welt mitentschieden — ohne ihre Mitsprache, ohne Aussprache. Köln, aus den Trümmern entstehend, hatte mit dem eben erst zur Gänze wiederhergestellten Dom die deutschen Katholiken konfrontiert mit der Weite des Weltkatholizismus; die chinesischen, afrikanischen und vielen anderen außerdeuschen Bischöfe, Priester und Laien fanden in Köln Geborgenheit und spendeten ihrerseits Geborgenheit — das wohl wichtigste Erlebnis nicht nur für den deutschen Menschen heute: Sieh, ihr seid nicht allein in dieser Welt.

NASSERS SPIEL UND DAS SPIEL DER WELTMÄCHTE. Die Ereignisse um den Suezkanal, besser um den „Hitler Aegyptens“, werden vielleicht schon in absehbarer Zeit nicht so sehr nach den Erregungen und dramatischen Expositionen im Gefolge der englisch-französischen Flotten- und Truppenmanöver und ihrer möglichen Eingriffe beurteilt werden, sondern nach einem anderen Moment, das zum erstenmal auf der Londoner Konferenz zur Klärung der Suezkanalkontrollprobleme sichtbar wurde: das eigentümliche, verdeckte und fast offene Zusammenspiel der Weltmächte USA“ und UdSSR. Dieses „Zusammenspiel“ wird nämlich gerade in dem elastischen Fechten der beiden großen Weltgegner eindrucksvoll dokumentiert: die Sowjets, die nach der Befreiung vom Alpdruck Stalins eine erstaunliche und für viele erschrek-kende Elastizität, eine große innere und äußere Bewegungsfreiheit gewonnen haben, manövrieren sehr geschickt mit dieser neuen Freiheit in der Weltpolitik herum. Sie unferstützen Nasser und die arabischen Staaten (für sie: der Schlüssel zum Miftelmeer und zu Afrika!) mit Worten und wohldosierten Taten, ohne dabei zuviel des Guten (für Nasser) und des Schlechten (für England-Frankreich) zu tun. So gingen sie eben auch zur Londoner Konferenz, wo es ihnen gelang, Indien als Partner für eine ihnen liegende Konzeption der Suezfrage zu gewinnen. Die Sowjets können, in ihrer weltpolitischen Rolle als „Helfer aller unterdrückten Völker“, als „Befreier vom Kolonialismus“ (der anderen), wollen sie nicht ihr Prestige in den für sie immer wichtiger werdenden außereuropäischen Kontinenten aufs Spiel setzen, gar nichts anderes tun, von ihrem Standpunkte aus, als eben den arabischen und afrikanischen Nationalismus beschirmen und begünstigen — und hier treffen sie auf die USA, die ihre alte anfikoloniale Tradition und ihre eigenen (Oel-) Interessen zu äußerster Rücksichtnahme auf die Araber und Afrikaner verpflichten. Das ist ja Nassers große Chance, die er, zu nützen scheint: Hinter diesem „Hitler Aegyptens“ und seinem Hasardspiel steht ein größeres und schwereres Problem: Wie können tafsächlich die legitimen Interessen der westlichen Wirfschaft und Weltpolifik koordiniert werden mit den Interessen der jungen Völker Afrikas, Asiens, der alten Kolortialräume, die eben erst zu Eigenstaatlichkeit erwachen? Eisen-hower weiß, und das ist der Hintergrund seiner Mahnung an seine westlichen Freunde, „friedliche Mittel“ zur Lösung der Suezfrage in Dienst zu stellen, sehr genau, daß auch mit einem Sturze des rabiaten Obersten am Nil die großen Probleme nicht gelöst sind ...

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