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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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TEURES BUDGET! Wie alljährlich, kämpfen auch in diesen September- und Oktoberwochen die Minister um die bessere Dotierung ihres Ressorts. Eine allgemeine Ausweitung des Budgetrahmens selbst könnte, das wissen selbst die Gegner des Finanzministers, gefährliche Folgen haben, Gewirr eine reichlich dotierte Investi- • fionstätigkeit würde noch mehr Arbeitsplätze schaffen und die Vollbeschäftigung sichern — auf dem Papier zumindest. Letztlich würde sich jede übertriebene Großzügigkeit des Staates im Ausgabensekfor bitter rächen — meinen die Fachleute. Aber die Erfahrung lehrt, daß auch noch andere Gesichtspunkte mit im Spiel sind. Es werden jahraus, jahrein Gesetze verabschiedet, die das Budget belasten und somit den eigentlichen Spielraum, in dem nicht Gesetze über die Budgetmittel zwingend verfügen, immer mehr einengen. Hierin liegt die Tragödie etwa des Unterrichtssektors. Denn die neue Schule, da eue Forschungslaboraforium sind durch kein Gesetz vorgeschrieben — da sind also „Kürzungen möglich’. Und es wird gekürzt — wenn es noch zu kürzen gibt. Die Koalitionspartner liegen einander in den Haaren; besonders vor Wahlen, wie auch diesmal, scheint dies unbedingt notwendig zu sein. Wer mehr Kraft aufbringt, bleibt Sieger. Angesichts dieser „Kampfsituafion’ wagt sich niemand an das eigentliche Problem, an die grundsätzliche Neuverteilung der Budgetdnteile, heran. Auf dem verlassenen Schlachtfeld' liegen dann die Toten: die Pläne für die Schulen, Institute, Schülerheime- Der „Konsument’, dem ja die Parteien allein zu dienen scheinen, hat wieder gesiegt.

STAATSALLMACHT UND FREIHEIT DES BURGERS. „Das Bundesfinanzgesetz — ein verfassungsrechtliches Problem" legt die Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft (Wien I, Freyung Nr. 6) als „Rechtsgutachten Nr. 4” vor. Die Untersuchung will an Hand des Bundestinanzgesetzes nachweisen, welchen Gefahren für die verfassungsgesetzlich gewährleistete Freiheit und die Gleichheit des einzelnen vbr dem Gesetz durch Ermessensmißbrauch, důrch“!unbestimmfe Gesef- zesbegriffe („Blankeftnorm") und gewisse verhängnisvolle Fiktionen, wie z. B. jene der Privatwirtschaftsverwaltung (des Bundes und der übrigen Gebietskörperschaften) entstehen. Wenn man bedenkt, daß und wie sehr das Bundes- finanzgesefz Macht verteilt und Aufgaben der Vollziehung wahrnimmt, zu denen der Gesetzgeber nach der Lehre von der Gewaltenfrennung nicht berufen ist, ist auch der Hinweis am Schluß des Gutachtens nicht falsch, wonach das Bundesfinanzgesetz nicht etwa eine verfassungsmäßige Ermächtigung zur Ermessensübung darstellt, sondern vielmehr eine riesenhafte formalgesetzliche Delegatidn und Vollmáchfserteilung( deren Hauptgefahren das Gutachten mit den Worten des hochbegabten jungen Wiener Verfassungsrechtlers Klecatsky nennt: „Gleichheitsver- lefzungen und Verschwendung öffentlicher Mittel, denen der einzelne ohne Rechtsschutz ausgeliefert ist." Das Gutachten sollte vor allem von jenen gelesen werden, die als Abgeordnete das Finanzgesetz jeweils zu beschließen haben. Es ist nur leider zu befürchten, daß gerade sie es — mit gewissen Ausnahmen — ebensowenig lesen oder gar mit dem Willen zu positiver Beurteilung aufnehmen werden wie sie schon bisher von guten Juristen und echten Oesterreichern geschriebene Aufsätze und Werke über den Auftrag des Volkes an sie („Volksbeauffragte") ungelesen „schubladisierfen". Schade, daß dieses Ignorieren so bedeuįpnde Autoren trifft wie: Koja, Spanner, Maréič, Weiler, Ermacora und andere.

DIE POLITIK FÜR DEN „KLEINEN MANN" hat übersehen, daß es gesellschaftliche Gruppen gibt, die durchaus nicht zum klassischen Proletariat zu rechnen sind, aber trotzdem in proletarischen Verhältnissen leben müssen: Die kleinen geschädigten Unternehmer des letzten Krieges und der Nachkriegszeit. Auf diesen Tatbestand'wurde mehrmals in diesem Blaff, zuletzt von einem prominenten Führer der Geschädigten, hingewiesen. Das nicht gerade imponierende taktische Vorgehen der Regierungsparteien in der Sach der Geschädigten hat diese begreiflicherweise in eine anfänglich stille und nunmehr sehr laufe Opposition gegen die Regierung und ihre Repräsentanten gebracht. Anderseits muß aber die' Art, wie die Geschädigten nunmehr für die rechte und die linke Oppositionspartei Propaganda machen und sich im kommenden Wahlkampf engagieren, als bedenklich bezeichnet werden. Wenn sich die Geschädigten, das heißt ihre Vereinigungen, als Teil der FPOe, aber auch der KPOe fühlen, ist dies eine Taktik, die in nichts jener der Regierungsparteien nachsteht und diesen nachträglich eine Rechtfertigung ihres Handelns zu geben scheint. Nun können oppositionelle Gruppen, oie radikal sind oder nicht, versprechen und fordern, was ihnen und den Zielen ihrer Propaganda gutdünkt. Die beiden Oppositionsparteien in Oesterreich sind aber angesichts ihrer Stärke keine politische Realität Sich ihre Gunst sichern heißt die Unterstützung von Gruppen gewinnen, die aus eigener Kraft nichts erreichen können. Von der OeVP wurde neuerlich eine nachhaltige Vertretung der Interessen des „Kleinen Mannes' zugesichert. Es wäre ein leichtes für die Volkspartei, geradezu ein Testfall, würde sie ihre neue Politik dadurch unter Beweis stellen, daß sie sich wirksam der Interessen der Geschädigten annimmf und sie nicht durch die Verwaltungsorgane schikanieren und provozieren läßt, ganz abgesehen von den unzureichenden gesetzlichen Grundlagen, die jedem Bürokratismus Tor und Tür öffnen und den amtlichen Verzögerungssport begünstigen.

SEPTEMBERSORGEN. Der Schulbeginn stellt für die Eltern eine außerordentliche finanzielle Belastung dar. Diesmal gab es freilich eine doppelte Kinderbeihilfe, was in der Oeffentlichkeit viel zuwenig gewürdigt wurde. Trotzdem, trotzdem: Manche Lehrkräfte lieben es, die Anschaffung von Büchern zu verlangen,, die sie dann während des Schuljahres überhaupt nicht oder in einem unzureichenden Umfang benützen. Dafür aber Wird so gut wie der ganze Stoff fein säuberlich in ein Heft eingetragen. Warum genehmigt man nicht den Lehrern etwa an Obermittelschulen das Anlegen von Skripten, die einerseits das Anschaffen von als ungeeignet empfundenen Büchern ersparen und anderseits das mechanische Mitschreiben von Merksätzen durch eine intensive Anteilnahme am Unterricht ersetzen? Eine nicht minder wichtige Frage ist die der Preise der Lehrbücher. Zum Unterschied von anderen Büchern haben Lehrbücher so etwas wie eine weithin garantierte Auflage. Das gilt für die meisten Lehrbücher. Wäre diese Abnahmegarantie nicht ein Grund, die Preise der Bücher herabzusetzen? Eine arge und das ganze Schuljahr über anhaltende Misere sind für die Eltern die Schulhefte und andere Schulgebrauchsgegensfände. Nicht nur, daß die Preise von Geschäft zu Geschäft verschieden sind, sind sie auch von einem Jahr zum anderen höher, was zwar stets mit der Papierpreiserhöhung begründet wird, aber angesichts der Höhe der Preissteigerung kc»m allein eine Sache der Papierpreise sein kann. Daß von manchen Lehrkräften noch dazu pompöse, vornehm eingebundene Hefte und sonstige Schulutensilien in „prima" Ausfertigung verlangt werden, rundet das Bild. Die Paritätische Kommission hätte im Bereich der ,',Schulsachen" die Möglichkeit, ihr nicht bekanntgewordene und daher von ihr auch nicht genehmigte Preiserhöhungen zu registrieren. Wäre es nicht möglich, gemeinsam mit Herren der Unter- richfsverwaltung, Lehrern und Beamten des Schul- aufsichtsdienstes eine umfassende Analyse des gesamten Schulreqiuisifen-„Preisgebäudes’ vorzunehmen?

BUON APPETITOI Die Schweizer Presse befaßt sich derzeit mit einigen italienischen Pressepro- dukfen, die direkt und indirekt auch uns in Oesterreich sehr lťangehen". In der Zeitschrift „Document:", herausgegeben von der Dokumentationsstelle des italienischen Ministerpräsidiums, in der dem , Außenministerium nahestehenden „Rinascitä Nazionale' (hier in einem Leitartikel gegen Oesterreich in der Südtirol-Frage) und in der amtlichen italienischen Zeitschrift für Außenpolitik, „Italian Affairs, Documents and Notes" wird die Forderung nach einer „natürlichen Grenze" Italiens längs des Alpenwalles erhoben. Dazu rechnen diese offiziösen italienischen Stimmen nicht nur Südtirol, sondern „selbstverständlich die Schweizer Kantone Tessin, Wallis, sowie einen Teil des Kantons Graubünden". Nebenbei werden dabei noch Nizza, Korsika, kleinere Grenzstreifen Frankreichs und Jugoslawiens, die Inselgruppe von Malta usw. usw. gefordert. Die Schweizer Presse bemerkt dazu: diese Ansprüche könnten als ein verfrühter Faschingsscherz angesehen werden, würden sie nicht mit so viel Methode vorgefragen werden. Außerdem bestehe die Gefahr, daß in Italien gegebenenfalls „nach dem alten Rezept der Flucht nach außen innenpolitische Schwierigkeiten durch Gebietsforderungen narkotisiert würden ..." Und eine Zürcher Wochenzeifung schließt: „Während dieser Artikel in Druck geht, finden im Bündner Land ausgedehnte Gebirgsmanöver des 3. Armeekorps statt. Die Verteidigung basiert auf der Annahme, daß ein von Osten und vom Süden her eindriftgender Feind abgewehrt werden müsse. Diese Uebungsan- nahme ist ganz unbewußt die deutlichste Antwort, die das Schweizer Volk den Schreibfischstrafegen Italiens und ihren unvergorenen nationalistischen Pubertätsfräumen erteilen kann: Wir sind da. Wir sind immer da. Wir nehmen eure Großraumideen nicht ernster als sie genommen werden dürfen, aber wir haben nicht vergessen, daß in jüngst vergangenen Jahrzehnfen Staatsmänner mit psychopathischem Einschlag Großraumfräume blutig zu verwirklichen verstanden." Ein Schweizer Keil auf einen italienischen Klotz. Wir haben dem nichts hinzuzufügen.

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