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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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POSTENAUSSCHREIBUNG. Die von der zweiten Regierungspartei mehrmals geforderte öffentliche Ausschreibung der Posten im Bereich der staatlichen Verwaltung wurde in einem konkreten Fall und offensichtlich mehr aus propagandistischen Gründen vorgenommen Ministerium für die verstaatlichten Betriebe, fälschlich „Sektion IV’ des Bundeskanzleramtes genannt. Man darf hoffen, daß in gleicher Weise auch in anderen Teilen der Verwaltung, etwa bei der Gemeinde Wien, Posten zur Vergebung ausgeschrieben werden. Nun widerspricht es den Tatsachen, wenn jetzt so getan wird, als ob die öffentliche Ausschreibung von Diensfposfen der staatlichen Verwaltung ein Novum sei. Wer den Amtsteil der „Wiener Zeitung” liest, wird seit Jahren in kurzen Abständen Postenausschreibun- gen finden, so am 1. Juli eines jeden Jahres die große Ausschreibung der Posten an den Bundesmittelschulen. Freilich hat man von diesen Ausschreibungen bisher nicht viel Aufsehen gemacht. Es wäre bedauerlich, wenn nunmehr in unsere staatliche Verwaltung ein Zug von Scharlatanerie käme und um einer unnützen Publizität willen Eindrücke erweckt werden, die dem Sachverhalt nicht entsprechen. Es kommt nämlich nicht auf die Ausschreibung von Posten an auch diese sollte selbstverständlich kein Geheimnis sein, sondern auf die Vergebung von Posten. Man kann einen Posten unter nachdrücklicher Betonung von Objektivität ausschreiben, hat aber den Posten infern schon längst vergeben. Es wäre daher notwendig, nichf allein die Ausschreibungen zu veröffentlichen, sondern auch die daraufhin erfolgte Besetzung. Dann erst ist es möglich, zu prüfen, ob die Objektivität der für die Postenvergebung in Frage kommenden Stellen eine echte war oder nichf.

FREIZEIT GEGEN FREIZEIT. Die 45-Sfunden- Woche in den Betrieben des Gastgewerbes wird weitgehend nur durch eine Verkürzung der Offenhaltens-Zeiten und eine geringere Auswahl bei den Speisen möglich sein. Je mehr Menschen Freizeit haben und je größer sie für den einzelnen wird, um so mehr rechnet man damit, die Dienste anderer in Anspruch nehmen zu können, von Menschen, die zu eben diesem Zweck dienstbar sein müssen. Wenn das Wochenende schon am Freitag abends, in manchen Aemfern sogar schon mittags beginnt, tut not, daß mehr Menschen als bisher gerade zum Wochenende bereit sind, die Freizeitinhaber zu bedienen. Darin zeigt sich nun ein echtes Dilemma. Je mehr die Massen Freizeit haben, desto weniger Chancen sind da, in dieser Freizeit die Leistungsbereifschaft anderer Menschen vorzufinden. Im Gastgewerbe wird, fälls die 4CTStunden- Woche eingeführt werden sollte, die Zahl der Gaststätten, die an Sonntagen oder auch an einzelnen Wochentagen gesperrt halten, steigen. Wir sind gewohnt, über das „stille Wochenende der Engländer zu lächeln. Geht die Entwicklung, wie sie durch die Neuordnung im Gastgewerbe angedeutet wurde, weiter, werden wir schließlich auch beim englischen Sonntag halfen. So wird uns anscheinend aufgegeben’ die Freizeit zu einem Teil, ohne die Dienste anderer Menschen in Anspruch nehmen zu müssen, zu nützen. Vielfach wird uns dadurch ein eigenes Tätigsein abgezwungen, wenn wir nichf gar erkennen sollten, daß die Freizeit doch auch eine Zeit der Muße sein sollte, eine Zeit, in der wir auf uns „zurückgeworfen” sind. Jedenfalls stehf fest, daß wir bei einer zukünftigen totalen Freizeitgesellschaft — stellen wir uns etwa die allgemeine 30-Stunden-Woche vor — mit einem völligen Wandel unseres Freizeitverhalfens rechnen müssen, mit einer Ordnung, in der nur noch wenige bereit sein werden, ihre Freizeifchancen zu opfern, damit andere in der Freizeit konsumieren können.

DIE WIENER ATOMKONFERENZ. Die Wiener Konferenz der Internationalen Atombehörde begann mit heftigen Auseinandersetzungen um die Wahl des Vorsitzenden, um die Zulassung Chinas, um eine Resolution bezüglich des Verbots der Atomwaffen. Dann aber wurde gearbeitet. Internationale Bestimmungen für den Transport von Uran und über die Betriebssicherheit im Umgang mit Afommaterial wurden angenommen, die Verteilung von spaltbarem Material geregelt. Die Internationale Afombehörde wird bereits im kommenden Jahr in der Lage sein, Länder, die Atomprojekte vorhaben, durch Entsendung von Wissenschaftern, Technikern und Material zu unterstützen. Zu guter Letzt wurde auch noch bekannt, daß während des Chruschtschow-Besuches in den Vereinigten Staaten ein Abkommen über eine stärkere amerikanisch-sowjetische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Atomenergie abgeschlossen wurde. Es sollen nicht nur technische Informationen auf breitester Basis ausgetauschf, sondern später auch gemeinsame Afomprojekfe, deren Finanzierung ein Land allein kaum übernehmen könnte, durchgeführt werden. Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer zuerst in der Wiener Hofburg, dem Sitz der Tagung, dann in der Welf. Nichts Neues im Wesfen? Nichts Neues im Osten? Wer dürfte dies heute zu behaupten wagen, angesichts dieser „Wiener Gschichten’ mitten in diesem schönen Spätherbst?

NASSER, SUEZ UND ISRAEL. Der Suezkanal ist ein völkerrechtlich neutraler Schiffahrtsweg. Als der galt er schon zur Zeit seiner Eröffnung, und durch die 1888 in Konstantinopel abgeschlossene internationale Konvention wurde diese Neufralitäf vertraglich festgelegt. „Im Krieg wie im Frieden”, so wurde vereinbart, „soll der Kanal jedem Handels- oder Kriegsschiff, gleich welcher Flagge, zur freien Durchfahrt offensfehen”. Auch im Kriegsfall, „selbst wenn’, wie es in dem Vertragslnstrumenf weiter heißt, „das Otfomanische Kaiserreich eine der kriegführenden Mächte sein sollte", dürfe nichts unternommen werden, um die Durchfahrt irgendwie zu behindern. Die kaiserliche Türkei besteht nicht mehr, aber in bezug auf die Konvention von 1888 hat sich das selbständig gewordene Aegypten, auch das Aegypten Abd el Nassers, ausdrücklich als ihr Rechtsnachfolger bekannt. Was die Regierung in Kairo freilich nicht davon abgehalten hat, unter Berufung auf einen angeblich noch immer andauernden Kriegszustand mit Israel den Kanal für israelische Fahrzeuge ausnahmslos zu blockieren, Schiffe anderer Flagge willkürlich nach Ladungen, die für einen israelischen Hafen bestimmt oder israelischer Provenienz sind, durchsuchen zu lassen, und eventuell vorgefundene „Konterbande” — wie etwa Zement oder Fruchtsäfte israelischer Erzeugung! — mitunter samt dem transportierenden Schiff zu beschlagnahmen; ein Vorgehen, welches einen flagranten Bruch jener Konvention auch dann darstellen würde, wenn, was der UNO-Sicherheitsrat ausdrücklich verneint hat, ein tatsächlicher, aktiver Kriegszustand zwischen Aegypten und Israel bestünde. Daß die UNO, abgesehen von ein paar schwächlichen Resolutionen, nichts unternommen hat, unr Aegypten zur Respektierung eines Rechtes von größter internationaler Bedeutung zu zwingen, ist nicht geeignet, das Ansehen der Weltorganisation zu erhöhen.

DER MAHNER IN PEKING. Gleich nach seiner Landung in Peking richtete der sowjetische Staafschef einen Appell an die Chinesen, nicht mit Waffengewalt ihre Politik in Asien durchsetzen zu wollen. Chruschtschow wiederholte diese Mahnung mehrmals während seines Aufenthalts anläßlich des zehnten Geburtstages der Volksrepublik China und erklärte kurz vor dem Abflug nochmals: Die Sowjetunion hält es für ihre „heilige Pflicht und erste Aufgabe ... jede Möglichkeit zu nutzen, um dem kalten Krieg ein Ende zu setzen und den Triumph der Sache des Friedens auf Erden zu sichern". Es scheint Chruschtschow gelungen zu sein, den Pekinger Machthabern die Versicherung abzuringen, daß sie seine Bemühungen um die USA nichf stören wollen. Chinesische Parteizeitungen haben die Führungssfellung Moskaus im sozialistischen Lager bestätigt. Dazu bedurfte es, vergessen wir das nicht, unter anderem der entsetzlichen Naturkatastrophen des letzten Jahres, der Mißernten, der Ueberschwemmungen, der Hungersnöte. Un-’erkennbar ist dabei ein Wandel in der Welfsifuafion: An die Stelle des roten, russischen Schreckens, tritt der gelbe, der gelb-rote Schrek- ken. Ein Sprecher von Radio Vatikan erklärte anläßlich des zehnjährigen Bestehens des rotchinesischen Staates: „Jeder Fortschritt, der in China in den vergangenen zehn Jahren erzielt wurde, ist die Frucht einer unmenschlfchen Kraftanstrengung, zu der 600 Millionen in Volkskommunen gepferchte Chinesen genötigt werden. Der Papst ist zudem über die Lage der katholischen Chinesen tief besorgt.”

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