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Randhemerkungen zur woche

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DAS STIEFKIND UNSERES STAATSHAUSHALTES scheint das Kulturbudget sein und bleiben zu sollen. In einer vielbemerkten Rede bei der Gründung der Arbeitsgemeinschait lür Kunst und Wissenschalt in Steiermark und Graz hat Hochschulprofessor Dr. K e r s c h a g l daraui aufmerksam gemacht, daß sich die absoluten Zahlen, die im Budget 1954 für Unterricht und Kultur eingesetzt sind, auf den ersten Blick ganz erfreulich ausnehmen, ein prozentueller Vergleich mit 1951 dagegen noch immer ein besorgniserregendes Nivellierungs-gelälle verrät. In der ordentlichen Gebarung betrugen die Ausgaben 1951: 11.868 Millionen, 1952: 18.849 Millionen und 1954: 21.351 Millionen. In der gleichen Zeit scheinen Kapitel 11 und 13, also das sogenannte Unterrichtsbudget, in der ordentlichen Gebarung 1951 mit 834 Millionen, 1952 mit 1211 Millionen und 1954 mit 1406 Millionen aul. An sich, wie gesagt, unter Berücksichtigung unserer notorischen Armut, respektable Summen. Aber: die Budgetsumme der ordentlichen Gebarung hat sich von 1951 bis 1954 um rund 80 Prozent, die Budgetposten 11 und 13, also die ordentliche Gebarung der Unlerrichtsverwaltung, nur um 08 Prozent erhöht! Das gesamte Kulturkudget, also nicht nur die erwähnten Posten des Unterrichtsbudgets, betrug 1951: 11.76 Prozent der Ausgaben der gesamten Hoheitsverwaltung, 1954 nur mehr 10,3 Prozent! Wir haben also in diesen Sparten prozentuell noch immer nicht einmal den Stand von 1951 erreicht, wenngleich das Katastrophenniveau von 1952 um ein geringes überschritten würde. Der Verzweillungskampf des Ressortministers um angemessene Kulturanteile im Budget ist bekannt. Weniger nachdrücklich scheinen die politischen Parteien als die unmittelbar parlamentarisch Verantwortlichen lür. die lange fällige —■ und bei der seinerzeitigen Annahme des 20-Punkte-Programms der Arbeitsgemeinschaft lür Kunst und Wissenschall ausdrücklich versprochene! — Entnivellierung der Kulturdotationen eingetreten zu sein, ja man konnte bei der Generaldebatte den Eindruck nicht verwinden, daß die Teile der Kultur-debatte viellach nur einen formellen Akt darstellten und — zum Fenster hinausgesprochen waren. Aber noch ist es nicht zu spät. Es geht das Gerücht, daß das Hohe Haus bei den angekündigten Neuausgaben über den Budgetvorschlag von 1954 hinaus das Versäumte gutmachen und Kunst und Wissenschait besonders generös bedenken wolle. Das ist eine gute Botschalt. Wir „hören sie wohl“ und untere drücken vorerst den bitteren Nachsatz des Poeten, daß uns der Glaube fehle*...

W£iV/3 FREUDE hat man an einer Ausgabe des Bialles „Merk's Wien“, die, „an eine Wohnpartei“ gerichtet, in diesen Tagen in viele Wiener Haushalte flatterte. Noch weniger Freude aber, sobald man feststellen muß, daß es sich um eine Kampischritt der Landesgruppe Wien der ersten Regierungspartei handelt. Diese Partei, die sich mit Recht als die iüh-rende Staatspartei vorstellt, die gerade in der Bundeshauptstadt nicht vjenlge Menschen von Namen, Rang und Kultur zu ihren Mitgliedern, Freunden und Wählern zählt, muß es sich doch wohl überlegen, auch im politischen Kleinkrieg die erlaubte Grenze zu überschreiten. Kein Wort gegen den einen wesentlichen Teil der Demokratie ausmachenden politischen Mei-nungskampl. Mit scharler Klinge sogar soll er, wo es not tut, geführt werden! Der Holzknüppel ist aber eine Walle, die jeder echte Fechter stolz zurückweist. Was soll es zum Beispiel, wenn ein inzwischen endgültig erledigter „Fall“ (Hilbert) mit Redewendungen und Anzüglichkeiten versehen wird, die wir nach 1945 wirklich nur im „Alpenrul“ und gewissen anderen Blättern gewohnt sind. Sie sollen dort bleiben. Und die auf breitem Raum vorgetragenen Korruptionsbeschuldigungen gegen den Partner auf der Regierungsbank werden nicht schöner, wenn sie sozusagen „im Gegenangriff“ erfolgen. Gewiß, bestimmte üble Polemiken von der anderen Seite scheinen dazu zu verlocken, es einmal ähnlich zu versuchen. Allein wir glauben -— und wer in die Bevölkerung wirklich hineinhorcht, findet das bestätigt —, daß die besten Argumente lür die eigene Sache noch immer sachliche Leistungen sind. Und diese der breiten Oeifentlichkeit bekanntmachen zu können, braucht der Volkspartei gewiß nicht bange zu sein.

DIE WHITE-AFFÄRE IN DEN USA wächst sich in diesen Wochen zu einer großen innenpolitischen Streitsache mtit außenpolitischen Folgen aus. Kurz nach der Wahlniederlage der Republikaner in mehreren Staaten und Städten der Union vom 4. November eröffnete der republikanische Justizminister Browne// eine publizistische Kampagne gegen Expräsident Truman und seine Regierung. Truman wurde vorgeworien, die Ausbreitung einer schon unter Roosevell erfolgreich im Dienste der Sowjets arbeitenden Spionagegruppe in den höchsten Slaatsämtern der USA geduldet zu haben, obwohl er mehrlach vom Staatssicherheitsdienst gewarnt worden sei: Diese Spio-nagegiuppe stand, und hier beginnen die außenpolitischen Pikanterien dieser innenpolitischen Aiiäre, nach der Behauptung Bro-wnells unter der Leitung des früheren Unter-staatssekretürs im Finanzministerium, Harry Dexter White, der unter Truman geschäfis-lührender Direktor des Internationalen Währungsfonds wurde. White galt aber in der ganzen internationalen diplomatischen Welt nicht nur uls einer der führenden Wirtschaftsfachleute der Vereinigten Staaten, sondern auch als der Verfasser des Morgcnthau-Planes, der die völlige Zerschlagung der deutschen Industrie vorsah. Eine außenpolitische Perspektive der White-Afiäre (der Namensgeber ist 1948 verstorben) wird hier bereits deutlich sichtbar: es ist das olfensichtliche Bestreben der neuen republikanischen Regierung, die in Deutschland einen Hauptverbündeten sieht, sich von der extrem antideutschen Linie der Roosevelt-Aera zu distanzieren. Dieses Verlangen ist um so mehr begreiflich, als seinerzeit auch hervorragende Republikaner an der Politik um den Morgenthau-Plan beteiligt waren, wobei ihre großindustriellen Interessen eine nicht unwichtige Rolle gespielt haben sollen. Die Diiiumierung der demokratischen Regierung Truman kann also zwei Fliegen mit einem Schlag treffen: sie vermag das Versehrte Ansehen der Republikaner aufzufrischen und die Aengste hinsichtlich der wichtigen Frühjahrswahlen zu mindern, sie mag anderseits als eine deutliche Geste an die deutsche und französische Adresse verstanden werden. An die französische Adresse: als Wink mit dem Zaunplahl, daß die USA sich in keine weitere Diskriminierung Deutschlands mehr einlassen wollen. Truman hat mit ungewöhnlicher Heftigkeit auf diesen Angriff reagiert. Er klagt den Justizminister Brownell öffentlich an, gelogen • „und eine der höchsten Regierungsfunktionen, die Justizgewalt, zu einer billigen politischen Taschenspielerei mißbraucht und dadurch entehrt“ zu haben. Die Affäre White ist noch nicht abgeschlossen. Sichtbar aber ist schon heute: die innenpolitischen Machtkämpfe in den USA sind in ein Stadium eingetreten, das mit seiner überhitzten Atmosphäre beunruhigend auf die Weltöffentlichkeit der freien Welt wirken muß. Wenn Anklagen dieses Ausmaßes verquickt werden — wie es hier geschieht — mit dem Kampf mächtiger Interessenverbände, dann haben die geschickten und gefährlichen Geschäftemacher des Schreckens Aussichten, die ihnen kein freiheitsliebender Mann zuzubilligen vermag.

BIN MERKWÜRDIGES JUBILÄUM feiern die Vereinigten Staaten in diesen Wochen: die 150. Wiederkehr des seltsamsten und erfreulichsten Ereignisses ihrer Geschichte. Im Jahre 1803 kaufte Präsident Jelferson für die Union das Louisiana-Gebirt von Frankreich für den Spottpreis von 15 Millionen Dollar. Die. USA verdoppelten damit an einem einzigen Tag ihren damaligen Gebietsum-fang, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen. Diesen gewaltigen Zuwachs verdanken die Amerikaner einer unglaublichen Kurzsichtigkeit Napoleons. Er, der von kolonialen Eroberungen nichts hielt und sich lieber auf seine Festland-Pläne konzentrierte, gab damals auch in Madagaskar und Indien französische Rechtstitel preis, deren Verlust vor allem England zugute kam. Die junge amerikanische Nation war wenige Jahrzehnte nach Beginn des Freiheitskrieges bis zum Mississippi vorgedrungen. Sie hatte damit alles Land erobert, das nach dem Vertrag zwischen England und Spanien von 1763 noch englisch gewesen war. Westlich des Flusses begann der spanische Besitz, der bis zum Stillen Ozean reichte. Davon hatten die Spanier wiederum den Raum zwischen dem Mississippi und dem Rocky-Mountains-Gebirge im Jahre 1800 an Frankreich verkauft. Der Mississippi wurde durchaus als natürliche Grenze betrachtet. So war es eher ein historischer Zufall, daß Napoleon schon im Jahre 1803 für den geplanten England-Krieg Geld brauchte und —- hinter dem Rücken seines klügeren Ministers Talley-rand — den Gedanken erwog, Louisiana wieder zu verkaufen. Daß die USA hier ein Interesse äußerten und in die Verhandlungen eintraten, war ein kühner persönlicher Handstreich des Präsidenten Jelferson. Seine Bevollmächtigten unterzeichneten den Kaulvertrag ohne den Senat und das Repräsentantenhaus vorher zu fragen. Mit dem Louisiana-Kauf erwarben die USA das Gebiet der heutigen Bundesstaaten Louisiana, Arkansas, Oklahoma, Missouri, Kansas, Colorado, Iowa, Nebraska, Wyoming, Minnesota, Montana und der beiden Dakota — und sie hatten in diesem Herzstück Amerikas genau 10 Cent pro Hektar bezahlt. Der Grundstein zur amerikanischen Weltmacht war damit gelegt: es blieb nur noch eine Frage der Zeit, wann — angesichts der politischen Schwäche Spaniens — der Stille Ozean die Westgrenze der USA sein würde. Amüsant bleibt der Gedanke, wie die Entwicklung Nordamerikas ohne diesen unblutigen Erwerb verlaufen wäre.

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