Raus aus dem Nebel

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Die Neuregelung der Herbstferien ist organisationstechnisch zu begrüßen. Sie sind freilich auch ein Symptom für die Probleme der heutigen Schule.

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Die Neuregelung der Herbstferien ist organisationstechnisch zu begrüßen. Sie sind freilich auch ein Symptom für die Probleme der heutigen Schule.

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Herbstferien also, zwischen Nationalfeiertag und Allerheiligen/Allerseelen. Unter den gegebenen Bedingungen muss man die nun vorgelegte Lösung wohl positiv bewerten und somit auf der Habenseite der Regierung verbuchen. Zu den gegebenen Bedingungen gehört vor allem das hierzulande offensichtlich mental tief verankerte Verständnis von Arbeit als möglichst gering zu haltender Unterbrechung der Freizeit, woraus sich ein habitueller Anspruch auf Optimierung entsprechender "Freizeitflächen" (© Ernst Sittinger) ergibt. Von daher ist es folgerichtig, wenn Bildungsminister Heinz Faßmann davon spricht, dass Schüler und Lehrer "nach den ersten intensiven Wochen die Möglichkeit haben [sollen] zu verschnaufen". Diese "ersten intensiven Wochen" sind knapp acht an der Zahl, wohlgemerkt nach neun Wochen Sommerferien. Sollten da wirklich die Leute schon außer Atem sein? Dabei ist völlig klar (und wird auch jeder Lehrer bestätigen), dass die Zeit zwischen Schulbeginn und Weihnachten eine der produktivsten des gesamten Schuljahres ist. In diesen knapp vier Monaten lässt sich viel weiterbringen: Alle Beteiligten sind ausgeruht, die Temperaturen sind jahreszeitlich bedingt leistungsfreundlich, und es gibt weniger Unterbrechungen als im Sommersemester.

Man gönnt sich ja sonst nichts

Faktisch aber hat es sich eingebürgert, die Tage zwischen 26. Oktober und 2. November für Kurzurlaube fix einzuplanen. Schließlich lockt der goldene Herbst - oder aber man will raus aus dem Nebel, man gönnt sich ja sonst nichts. Also haben die Schulen schon bisher mithilfe der schulautonomen Tage - die freilich selbst zu hinterfragen wären -weitestmöglich den Wünschen ihrer "Kunden"(als die Schüler und Eltern neuerdings ja gelten) zu entsprechen. Da es aber eben nicht fix geregelt war, gab es zwischen den einzelnen Schulen Unterschiede, was naturgemäß beim Familien mit Kindern in unterschiedlichen Schulen (und womöglich einem Elternteil als Lehrer an einer weiteren Schule) vor gröbere Probleme stellte. So gesehen ist es gut, dass das nun geklärt ist.

Als obsolet geltende Sekundärtugenden

Nicht geklärt ist indes, wie es gelingen kann, in den Schulen Anstrengungs-und Leistungsbereitschaft, Durchhaltevermögen und dergleichen als obsolet geltende Sekundärtugenden wieder stärker zu implementieren. Lehrer klagen immer öfter über mangelnde Konzentrationsfähigkeit, über die Schwierigkeit vieler Schüler, nachhaltig und vertiefend sich mit einer Materie zu befassen. Lange genug wurde ja auch -auf die Autorität von sogenannten Bildungsexperten gestützt -gepredigt , dass Lernen vor allem "Spaß" machen müsse. Dazu kommen die überzogenen Ansprüche einer saturierten Freizeitgesellschaft (wenn es grad keine schulautonomen Tage gibt, "nimmt" man das Kind halt für ein paar Tage "raus", wie es so schön heißt; man gönnt sich ja ). Die Flüchtigkeit der Digitalisierung, die zweifellos auch viel Gutes bringt und neue, tolle Möglichkeiten eröffnet, tut ein Übriges.

Schule als solche ist ja ein Spiegel der Gesellschaft, mehr noch: Dort werden gesellschaftliche Phänomene und Entwicklungen wie unter einem Brennglas überdeutlich sichtbar. Weswegen man gar nicht genau genug hinschauen kann, was in den Schulen vor sich geht. Solche Überlegungen, die weit über die Frage der Regelung von Herbstferien hinausreichen, könnten natürlich auch Gegenstand der Agenda einer bürgerlichen Politik sein. Aber unter allzu starkem Verdacht, so etwas wie eine "geistig moralische Wende" (© Helmut Kohl) im Sinn zu haben, steht diese Regierung ja eher nicht.

rudolf.mitloehner@furche.at

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