Rebellion der Zwerge

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Zwischen der Hochschülerschaft an der Universität Wien und Rektor Georg Winckler herrscht Eiszeit. Die Studierenden fordern eine Rücknahme des Organisationsplans - und mehr Mitbestimmung. Zu Recht?

Für splitternackte Demos, wie sie die Berliner Kollegen gegen die drohenden Studiengebühren riskierten, reichte die Wut nicht aus. Doch dafür blieb man nicht auf der Straße stehen, sondern wagte sich direkt ins Feindesland: Zwischen 500 und 600 aufgebrachte Studierende stürmten vergangenen Donnerstag den Senatssaal der Universität Wien, um gegen die von Rektor Georg Winckler vorgeschlagene Neuorganisation ihrer Alma mater zu protestieren. Immerhin 150 harrten bis zum nächsten Morgen aus. Erst Freitag Nacht war der - von Sachschäden begleitete - Spuk zu Ende.

Was selbst die überhastete Einführung von Studiengebühren im Jahr 2000 nicht vermochte, schafft nun das - am 1. Jänner in Kraft getretene - Universitätsgesetz: nämlich das Verhältnis zwischen Studierenden und Universitätsleitung bis an den Rand der Handgreiflichkeit zu radikalisieren.

Auslöser des studentischen Zorns war der von Winckler vorgelegte Organisationsplan der autonomen Universität. Statt bisher sieben Fakultäten (ohne Medizin) soll es in Hinkunft 18 Fakultäten geben - ohne vorgegebene Institutsgliederung.

Den Sinn der Maßnahme erklärt Winckler folgendermaßen: "Derzeit haben wir eine evangelisch-theologische Fakultät mit zwölf Habilitierten und eine Fakultät für Naturwissenschaft und Mathematik mit rund 300 Habilitierten. Wir wollen nur Einheiten schaffen, die überschaubar sind und in denen auch Zielvereinbarungen zwischen Fakultätsleitung und den habilitierten Uniangehörigen machbar sind."

Abgeschaffte Demokratie?

Für die Hochschülerschaft freilich ein Unding: Zum einen seien bei der Neuorganisation keine Evaluationsergebnisse abgewartet worden. Vor allem aber führe die Abschaffung der Institute auch zu einer weiteren Abschaffung demokratischer Strukturen: "Dadurch, dass es keine Institute mehr geben soll, gibt es auch keine Institutskonferenzen mehr, in denen die Studierenden vertreten waren", kritisiert Maria Lettner vom ÖH-Vorsitzteam an der Uni Wien.

Auch wenn die Neugestaltung der größten Uni besonders hohe Wellen schlägt, so nutzen doch die meisten heimischen Universitäten die Möglichkeit, autonom über ihre innere Organisation zu entscheiden. Eine Hochschule mit besonders großem Wandlungsdrang ist die Universität Salzburg: Aus den mehr als 50 Instituten wurden mit Jahreswechsel 29 Fachbereiche - nicht immer zur Freude der Betroffenen: "Für mein eigenes Institut sehe ich voraus, dass unter dem Vorwand der Verwaltungsvereinfachung ein unendlicher Papierkrieg entstehen wird", klagt Justin Stagl, Professor am Institut für Kultursoziologie. Zumindest würden die bestehenden vier Fakultäten erhalten bleiben: "Wenn man eine völlig neue Organisation verordnet, dann hat man noch nicht die Loyalität der Mitarbeiter gewonnen, die sich mit den alten Strukturen identifiziert haben." Alles in allem ortet Stagl ein "wildes Bedürfnis der Universitätspolitik, alles was klein ist und funktioniert zu zerschlagen".

Die Pulverisierung der studentischen Mitbestimmung sieht Stagl als stellvertretender Vorsitzender des Universitätsprofessorenverbands dagegen mit Genugtuung: Erstens seien die Studierendenfunktionäre - bei einer Wahlbeteiligung von 29,9 Prozent - demokratisch schlecht legitimiert. Zweitens hätte die Mitbestimmung in Berufungskommissionen dazu geführt, "dass wissenschaftliche Kriterien ausgehebelt werden zu Gunsten von politischen oder weltanschaulichen Kriterien".

Die Mitbestimmung als Ursache für wissenschaftliches Mittelmaß? Für die Angehörigen der Universität Graz eine schwer nachvollziehbare Denkfigur. Sie sehen den Grund für den schleppenden Marsch Richtung "Weltklasse-Uni" eher in der Sparpolitik der Regierung. Um ihrem Ärger Luft zu machen, wagten vergangenen Freitag Professoren und Assistenten sogar eine Aktion nach Berliner Vorbild: Während der feierlichen Inauguration der neuen Rektoren der Universität Graz, Alfred Gutschelhofer, und der Medizinuniversität Graz, Gerhard Franz, forderten sie einen "Stopp der Unterfinanzierung". Oben ohne, versteht sich. Schließlich habe man sie ihres letzten Hemds beraubt.

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