Reifeprüfung für die Politik

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Bereits im März sollte das neue Sprachförderkonzept der Regierung präsentiert werden. Just vergangenen Donnerstag, als die FURCHE an das säumige Papier erinnerte, luden Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) und Integrations-Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) schließlich doch noch zur Pressekonferenz, um ihren geplanten Kompromiss-Erlass vorzustellen.

Fein, dass es geklappt hat. Zu offensichtlich sind die Probleme: Was die schulischen Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund betrifft, so liegt Österreich international an vorletzter Stelle. "Viel zu oft entscheidet die Herkunft über eine erfolgreiche Schulkarriere“, mahnt Kurz.

Das ist zweifellos richtig. Die Frage ist nur, wie Kindern mit Deutsch-Defiziten (mit oder ohne Migrationshintergrund!) am besten geholfen ist. Kurz und Schmied haben sich darauf geeinigt, den Schuldirektoren freie Hand zu lassen: Sie selbst sollen entscheiden können, ob sie die betroffenen Kinder separat in Vorschul- oder im Rahmen der Regelklassen fördern wollen - oder ihnen (wie allen anderen Sechsjährigen) bis zu drei Jahre Zeit geben, um die ersten zwei Volksschulklassen zu absolvieren.

Diese Ausweitung der Schulautonomie ist zu begrüßen - ebenso wie die Ankündigung wissenschaftlich begleiteter Modellprojekte, der Plan einer besseren Kommunikation zwischen Kindergarten und Volksschule sowie das theoretische Bekenntnis zur Mehrsprachigkeit. Enttäuschend wird es freilich, wenn es um die praktische Umsetzung geht: Weder für Modellprojekte noch für andere Fördermaßnahmen (geschweige denn für ein zweites, kostenloses und verpflichtendes Kindergartenjahr) gibt es zusätzliches Geld. Auch die problematische, punktuelle Schulreife-Feststellung soll es weiterhin geben - normiert durch einen "Diagnose-Leitfaden“ und offiziell ergänzt um das Reifekriterium Deutschkompetenz, das es de facto schon bisher gab.

Kritiker wie der Germanist Hans-Jürgen Krumm befürchten zu Recht, dass Gelder künftig eher in diese "Schulreifeprüfung Neu“ fließen könnten statt in die Förderung der Ressource Mehrsprachigkeit. Man wird sehen, ob die Politik reif genug ist, diesen Nonsens zu lassen.

doris.helmberger@furche.at

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