Reifeprüfung im Ministerium

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Dass das hartnäckigste Möbel am Wiener Minoritenplatz der Schleudersitz ist, hat man schon vermutet. Dass Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) bereits Geschichte sein würde, bevor bei der heurigen "standardisierten, kompetenzorientierten Reifeprüfung" die Tinte trocken ist, kam aber doch überraschend. Ein Zufall mit Symbolgehalt: Schließlich wird Heinisch-Hosek als jene Ministerin in die Geschichte eingehen, die die Zentralmatura in Österreich verankert hat.

Dass dies nicht immer übertrieben professionell geschah, ist bekannt. Nicht nur in diesem Punkt, auch sonst könnte die neue Bildungsministerin Sonja Hammerschmid von den Fehlern und Versäumnissen ihrer Vorgängerin lernen. Da wäre etwa der Mut, Dinge, die sich nicht bewährt haben, wieder zurückzunehmen. Im Fall der neuen Reifeprüfung wäre dies etwa der Irrwitz, Sprache in fiktive "Textsorten" zu pressen oder allgemein- wie berufsbildenden höheren Schulen dieselben Deutsch-Aufgaben zu stellen. Auch das teure, aber offenbar erfolglose starre Zwei-Lehrer-Konzept der "Neuen Mittelschule" sollte überdacht werden. Besser wäre es, den Schulen freie Hand beim Ressourceneinsatz zu lassen.

Womit wir bei der zweiten Erkenntnis wären, die sich vom Minoritenplatz abwärts durchsetzen sollte: nämlich jene, dass "Individualisierung" nicht nur für jeden einzelnen Schüler, sondern auch für jeden Schulstandort gelten sollte. Statt das jenseitige Regierungs-Schattenboxen um "Modellregionen" für eine gemeinsame Schule aller Sechs-bis 14-jährigen weiterzubetreiben, sollten die autonomen Schulen jene Ressourcen erhalten, die sie für ihre Arbeit brauchen. Gabriele Heinisch-Hosek hat zuletzt einmal mehr eine Ressourcenverteilung auf Basis eines Sozialindex gefordert, um Brennpunktschulen zu unterstützen (vgl. S. 16). Sonja Hammerschmid sollte prüfen, ob dies möglich ist, ohne erfolgreiche Schulen zu strafen. Dass auch dieses Modell keine Wunder wirken kann, muss ihr aber bewusst sein. Tatsächliche "Chancengleichheit", wie sie die neue Ministerin als Ziel ausgerufen hat, wird es nie geben. Aber wenn die soziale Schere durch die Schule nicht noch weiter aufginge, wäre schon viel erreicht.

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