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Religion ja, Jesus naja, Gott nein

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Fragen nach dem Sinn des Lebens, vor allem, warum Gott soviel Leid, Unrecht und Böses zuläßt, würden Journalisten Jesus am liebsten stellen.

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Fragen nach dem Sinn des Lebens, vor allem, warum Gott soviel Leid, Unrecht und Böses zuläßt, würden Journalisten Jesus am liebsten stellen.

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Angesichts von Glaubensfragen tut so mancher österreichische Journalist genau das, was er sonst Politikern gerne vorwirft: Er „hält sich bedeckt”. Das ist ein Hauptergebnis der im Auftrag des Katholischen Zentrums für Massenkommunikation, der Katholischen Medienakademie und der Kathpress erstellten Studie „Was ,glauben' Österreichs Journalisten?” Als der Wiener Kommunikationswissenschaftler Maximilian Gottschlich unlängst die im Mai und Juni 1994 erhobene Studie präsentierte, zeigte sogar er sich vom Ausmaß der Antwortverweigerungen überrascht. Deutsche Manager waren 1986 bei einer ähnlichen Umfrage weit offener gewesen (siehe Grafik rechts oben).

So wollten 39 Prozent der befragter! Journalisten (aber nur 2,8 Prozent der Manager) zu dem Satz „Jesus Christus ist der Sohn Gottes” keine Angabe machen. Seltsam mutet auch an, daß 48 Prozent der Journalisten (64 Prozent der Manager) diesem Satz zustimmten, während nur 44 Prozent (aber 68,7 Prozent der Manager) „wirklich” an Gott glauben. Als „ziemlich areligiös” deklarierten sich 35 Prozent der Journalisten (gegenüber 29,1 Prozent der Manager).

Bleiben wir nun ausschließlich bei den 206 Journalisten, von denen 64 Prozent zur katholischen und 13 Prozent zur evangelischen Kirche gehörten, 24 Prozent sich „ohne religiöses Bekenntnis” deklarierten und fünf Prozent keine diesbezügliche Angabe machten. Die Kirche hat für 58 Prozent der Journalisten keine Leitfunktion, und für 70 Prozent spielt auch die Kirchenzugehörigkeit „eine untergeordnete Rolle”. Statt der Formel „Jesus ja, Kirche nein” wurde der Satz „Religion ja, Kirche nein” vorgegeben, dem 33 Prozent zustimmten, 40 Prozent aber nicht (bei 27 Prozent Antwortverweigerung).

Aus den eigenen Reihen wird Österreichs Journalisten ein distan-ziert-kritisches Verhältnis zur Kirche zu 51 Prozent (zur Religion zu 40 Prozent) bescheinigt, ein neutralgleichgültiges zu 18 Prozent (zur Religion zu 34 Prozent), ein positivfreundliches zu 17 Prozent (zur Religion seltsamerweise nur zu 16 Prozent), ein ablehnend-feindliches zu acht Prozent (zur Religion zu fünf

Prozent). Maximilian Gottschlich ortet in der heutigen Gesellschaft nicht mehr einen militanten, sondern einen „pragmatischen” Atheismus.

Zwischen (Christlicher) Religion einerseits und Kirche anderseits wird aber weniger klar unterschieden, als Insider glauben würden. Das Ansehen der Institution färbt offenbar auch auf die Zustimmung zum christlichen Gottesglauben ab. Sowohl Kirche als auch Religion werden nahezu im gleichen Ausmaß vorwiegend Begriffen wie tot, traurig, dunkel, kalt, unzeitgemäß, jenseitig, lebensfern zugeordnet.

Die sonderbare Quintessenz der Studie geht am ehesten in die Richtung: Religion ja, Jesus naja, Gott nein. Ähnlich sieht ja auch der Fundamentaltheologe Johann Baptist Metz seit. Jahren die Lage, wobei die GlaubensskepSis und der Grad der Konfessionslpsigkeit unter Medienleuten nachweislich weitaus größer ist als im Durchschnitt der Bevölkerung. Das Bekenntnis zur Skepsis in Glaubensfragen, das 67 Prozent ablegten, fällt Journalisten heute sichtlich leichter als das Bekenntnis zu Gott, der für 23 Prozent von ihnen „nur ein Wunschbild der Menschen” ist

Nur für 23 Prozent ist Religion „der tragende Grund” ihres Lebens, 66 Prozent sehen darin „eine ethische Haltung”. Ihre Lebensregeln schöpft aber nur eine Minderheit der Journalisten aus dem christlichen Glauben. Ganze acht Prozent orientieren sich am zentralen christlichen Gebot „Liebe Gott über alles und Deinen Nächsten wie Dich selbst”, aber 51 Prozent an Kants Kategorischem Imperativ („Handle so, daß die Richtschnur Deines Handelns als allgemeines Gesetz gelten kann”) und nahezu 40 Prozent an den Sätzen „Nichts für wahr halten, was man nicht eindeutig und klar erkannt hat” und „Was Du nicht willst, was man Dir tut, das füg auch keinem andern zu”.

Daß 50 Prozent (unter den jüngeren Journalisten allerdings nur 46 Prozent) dem Satz „Mit Kirche und Religion habe ich nichts im Sinn” ihre Zustimmung versagen, wertet Gottschlich als „Hoffnungsschimmer” für die Seelsorge an Journalisten, „Medienbischof' Christian Werner will die Studie als wichtige Grundlage für die Erstellung eines Pastoral-plans für den Medienbereich heranziehen.

Hochinteressant ist, welche Fragen Journalisten Jesus Christus, sollte dieser eine „metaphysische Pressekonferenz” geben, stellen würden.

Sinnfragen des Lebens und die Theodizee-Problematik (Warum gibt es soviel Leid auf der Welt? Warum duldest Du das Böse?) stünden an erster Stelle, dann, wie man die heutige Welt verbessern könnte, ob die Kirche im Sinne Jesu agiere, wie Jesus Fragen der Sexualität sehe (inklusive der typischen Journalistenneugier, wie Jesus zu Maria Magdalena gestanden sei) und was nach dem Tod geschehe.

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