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Republik und Res publica

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rat, Dotierung der Reisekassa der Maturanten, Büchereinkauf, Prämien für die Klassenersten, Ausschmückung von Klassenzimmern und Gängen, Zuschüsse für Skikurs und Schullandwoche und ähnliches.

Die Grenzen

Keinesfalls kann es aber eine Aufgabe der Elternvereine sein, auf die Personalpolitik der Direktion der Schule oder auf die Lehrstoffdarbietung Einfluß auszuüben. Ein Ausschuß von noch so sachverständigen Eltern kann nicht festlegen, was und was nicht zu unterrichten ist, ganz abgesehen davon, daß die Lehrer durch die „Allgemeinen Bildungsziele“ (6, Schulorganisations-gesetz) und die „Didaktischen Grundsätze“ und, was das Lehrgut betrifft, durch den im Verordnungswege festgelegten „Lehrstoff“ gebunden sind. Jedenfalls sind die Organe der Elternvereine nicht befugt, sich Rechte des Schulaufsichtsdienätes anzumaßen.

Ob die Verordnungen über „Prüfen und Klassifizieren“ richtig oder falsch angewendet werden, ist anderseits den Eltern keineswegs gleichgültig. Wenn sich nun die Beschwerden über einen einzelnen Lehrer verdichten — was sich unter anderem in den Ausschußsitzungen des Elternvereines ergibt — besteht immer noch die Möglichkeit, die Direktion in einer maßvollen Weise auf die Vorkommnisse aufmerksam zu machen. Nicht devot, anderseits jedoch in einer Form, die dem Ansehen des jeweiligen Lehrkörpers angemessen ist. Schließlich leben auch die Eltern von dem Ansehen der Lehrer. Trotzdem sollten die Eltern wissen, daß sie sich — ein Kennzeichen unserer demokratischen Ordnung — beschwerdeführend an die zuständigen Instanzen der Unterrichtsverwaltung wenden können. Derlei ist aber im allgemeinen Sache individueller Aktionen und sollte erst

dann zu einer Angelegenheit gemacht werden, wenn es sich um häufige und durch Einzelaktionen irreparable Erscheinungen handelt.

Jedenfalls wäre alles zu vermeiden, was den Anschein erweckt, die Schule,

die doch eine autonome Institution ist, sei nur ein Erfüllungsgehilfe des Elternvereines. Das hieße ein pädagogisches Rätesystem befürworten.

Die Gefahren

Keineswegs ist aber der Elternverein eine bloße Formsache, eine Inkassostelle zur Aufbringung von Mitgliedsbeiträgen, die dann den Charakter eines verdeckten Schulgeldes annehmen. Nicht wenige Elternvereine üben so gut wie keine Tätigkeit, aus-

genommen die Abhaltung der vereinsgesetzlich vorgeschriebenen Hauptversammlung, aus. In diesem Fall ist der Elternverein ein Unterstützungsverein, ein „Verein der Freunde der Schule in X“. Mehr nicht. Und dadurch funktionslos! '

Ebensowenig dürfte der Elternverein ein Forum für die Austragung politischer Gegensätze sein. Es kann je Schule nur einen Elternverein geben. Wer aus dem Elternverein ein Politi-kum macht, mißbraucht unsere demokratische Schulordnung zu schulfremden Zwecken und stellt sich in Widerspruch zu jenen Eltern, die es wagen, nicht seiner Meinung zu sein. Wir leiden in unserem Land ohnedies an einem immer bedenklicher werdenden Einfluß von Druckgruppen. Die Eltern haben als Gegenleistung zu der faktisch ihnen und nicht den Kindern auferlegten Schulpflicht das Recht, unabhängig von ihrer politischen Gesinnung, zu verlangen, daß parteipolitische Auseinandersetzungen aus dem Bereich der Schule ferngehalten werden.

Jedenfalls scheint es überlegenswert, im Rahmen der begonnenen Reform unseres Schulwesens auch die Aufgabe der Elternvereine neu durchzudenken und ihnen einen legitimen Einflußbereich zu reservieren, der ihnen die Chance einer angemessenen Zusammenarbeit mit den Berufspädagogen möglich macht. Dies wäre möglich im Rahmen der Festlegung der Aufgaben der Kollegien, in denen gemäß 8 des Bundesschulaufsichtsgesetzes auch die Eltern vertreten sind. Den Elternvereinen beziehungsweise ihren zentralen Organisationen wird es faktisch obliegen, „Väter und Mütter schulbesuchender Kinder“ in das jeweilige Kollegium des Landesschulrates zu entsenden. Gott gebe, daß das Ganze nicht parteipolitisch mißbraucht wird.

Das „Lehrstück des Rechtsstaates“ — so nannte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ die Vorgänge in der Habsburger-Frage — ist zugleich ein packendes*-Schauspiel. Kundgebungen ies ■ Gewissens beleuchten das Geschehen wie Blitze. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Dr. A n t o-n i o 11 i ging zum Bundespräsidenten und zum Präsidenten des Nationalrates, um seine Besorgnis über die Angriffe gegen Richter auszudrücken; er erklärte, das Erkenntnis eines Höchstgerichtes könne durch den Gesetzgeber nicht beseitigt werden ohne den Rechtsstaat aufs Schwerste zu gefährden. Der Univ.-Prof. a. D. Dr. Helfried Pfeiffer, ein ehemaliger Abgeordneter der Freiheitlichen Partei, ihr noch zugehörig, verteidigte unter dem Titel „Der Wahrheit die Ehre“ in einem Aufsatz die Gedankenführung des Verwaltungsgerichtshofes in allen entscheidenden Punkten ohne Rücksicht auf die Haltung seiner Partei. Zwei Männer verschiedener Art und verschiedener Stellung haben sich entschlossen, ihrem Gewissen zu folgen.

Gibt es Brücken?

Nach solchen Auftritten wäre ein würdiges Ende des Lehrstückes wünschenswert. Ob das Machtspiel, das gleichzeitig abläuft, ein würdiges Ende ermöglicht, mag fraglich sein.

Wie aber könnte ein solches würdiges Ende beschaffen sein?

Die Volkspartei hat erklärt, sie werde allenfalls eine authentische Interpretation im Sinne einer künftigen Mitwirkung des Hauptausschusses ohne Wiederaufrollung des Einzelfalles hinnehmen. Diese Absicht ist sehr wohl

vertretbar, wenn sie mit der Wahrung des Rechtsschutzgedankens verbunden wird. In der Frage der Landesverweisung und der Aufenthaltsfreiheit der Staatsbürger darf es keine gerichtsfreien Hoheitsakte, kein reines „Politikum“ geben. Dies geht auch aus der europäischen Menschenrechtskonvention hervor. Die Habsburger wären sonst in einem entscheidenden Punkt o u 11 a w s. Kein „Klassenfeind“, kein „Rassenfeind“, kein „Feind“ darf aus der Rechtsgemeinschaft in Grundrechtsfragen ausgeschlossen werden.

Gegen den Gedanken, ein höchstgerichtliches Urteil könne vom Verfassungsgesetzgeber oder vom Bundesvolk umgestoßen werden, sind weitere gewichtige Zeugen aufgetreten. Darnach ist festzustellen: Die Verfassung enthält nach dem Urteil führender Wissenschaftler keine Vollmacht zur Verwirklichung des Planes, ein höchstgerichtliches Erkenntnis unigeschehen zu machen. Dieser Plan wiederstreitet aber auch wesentlichen Grundsätzen des Rechtsstaatsgedankens, wie er sich heute entfaltet hat. Nach der Hauptströmung des europäischen Geistes in diesen Fragen (Marcic) ist das souveräne Volk rechtsgebunden. Der Verstoß gegen die Unabhängigkeit der richterlichen Gewalt, der in dem geplanten Vorgehen gelegen wäre, bedeutet auch für das einfache Empfinden viel. Ein solches Vorgehen nimmt dem Bürger das Bewußtsein der Sicherung seiner Freiheit durch die Unantastbarkeit unabhängig gefundener Erkenntnisse.

Auch in der Frage- ob zwei einander als Normen widerstreitende

höchstgerichtliche Äußerungen vorliegen, hat die Wissenschaft endgültig gesprochen. Die Zurückweisung einer Beschwerde ist keine Norm, die einer Sachentscheidung in einem Säumnisverfahren wirksam widerstreiten könnte.“

So bietet sich also kein Kompromiß in der Frage der Geltung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes. Ob Regelungen denkbar sind, die nicht gegen einen Mann gerichtet wären, sondern allgemein vor vermeintlichen Gefahren der Zukunft unter Wahrung der staatsbürgerlichen Freiheiten und des Rechtsschutzgedankens entgegenwirken können, ist eine andere und diskutable Frage.

Grenzen im Recht

Die Republik ist in aller Munde. Von allen Seiten wird die Bereitschaft, sich für sie einzusetzen, bekundet. Wenn doch nur der Geist der Rei publica zugleich erwachte, das Bekenntnis zur gemeinsamen Sache, zu gemeinsamen Institutionen, zu den Fundamenten der Ordnung! In derselben Stunde, die das Bekenntnis zur Republik in solchem Maße hervorrief, ist der Glaube an die Gemeinsamkeit der Fundamente durch die unreine Gangart im politischen Kampf durch die beweislose Verdächtigung unbequemer Diener des Rechtes tief erschüttert worden. Viele schweigen noch, die hier zu reden hätten. In diesem Sinn tut die Scheidung der Geister not; das ist, wohlgemerkt, etwas anderes als die Scheidung der Parteien. Dem Spiel um die Macht sind Grenzen gezogen, sowie der Macht selbst, Grenzen im Recht.

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