7112195-1996_02_04.jpg
Digital In Arbeit

Richtig Streiten will gerlernt sein

19451960198020002020

Meinungsverschiedenheiten und Konfrontationen werden von vielen Menschen als störend bis bedrohlich empfunden. Die Ursachen sind oft eingelernte, falsche Streitregeln.

19451960198020002020

Meinungsverschiedenheiten und Konfrontationen werden von vielen Menschen als störend bis bedrohlich empfunden. Die Ursachen sind oft eingelernte, falsche Streitregeln.

Werbung
Werbung
Werbung

Im Streit mit den Menschen, die uns am wichtigsten sind, sagen wir oft Dinge, die wir im nachhinein bereuen. Aus solchen Konfliktsituationen werden oft innere Verletzungen davongetragen, die in uns, wenn sie nicht verarbeitet werden, weiterwirken und arbeiten.

Nicht selten führt das zu einer Krise in der Beziehung, zu einer gesundheitlichen oder persönlichen Beeinträchtigung. Wenn verdrängte Gefühle aus einer Konfliktsituation nicht geklärt werden, können sie im Ernstfall sogar dazu führen, daß sich der/die Betroffene plötzlich einbilden, die Beziehung an sich funktioniere nicht mehr, oder daß man selbst oder der Partner beziehungsunfähig sei.

Es gibt einen alten Country-Song mit dem Titel „You always hurt the one you love". Wir verletzen die Menschen, die wir am meisten lieben, die uns am nächsten stehen: Unsere Ehepartner, Freunde, Kinder, Eltern und Familienmitglieder, die uns das meiste an Liebe, Emotion, Wärme und Zuneigung entgegenbringen. Uns selbst geht es ähnlich: Je mehr wir selbst für einen Menschen empfinden, umso verletzlicher sind wir. Intimität bringt immer Verletzlichkeit und Konfliktpotential mit sich.

Was kann man tun, um andere nicht zu verletzen beziehungsweise um selbst nicht verletzt zu werden?

Tatsache ist, daß es eine Reihe von gesellschaftlichen Normen gibt, die den Umgang mit Konflikten bestimmen. Leider sind diese Normen nicht immer konstruktiv und hilfreich. So wird zum Beispiel allgemein behauptet, daß wir in einer Konfliktsituation unsere Gefühle und Meinungen eher unterdrücken sollen. Eigene Erfahrungen und die Erkenntnisse psychologischer Forschungen zeigen jedoch mehr als deutlich, daß man durch Vermeidung und Verdrängung Probleme eher vergrößert als verkleinert.

Eine weitere „Binsenweisheit" will uns glauben machen, daß „nette Menschen niemals streiten". Man will uns weismachen, daß die Beziehung zweier Menschen, die häufig streiten, auf wackligen Beinen steht. Solche und ähnliche vorgefaßte Meinungen erzeugen bewußt oder unbewußt einen Druck, der dazu führt, Konflikten eher aus dem Weg zu gehen beziehungsweise sie ganz zu vermeiden.

Dabei versäumt man aber auch die Gelegenheit, durch die bewußte Austragung eines Konflikts einen emotionalen Austausch zu erleben. Mehr und mehr entdeckt man, daß Menschen, die erfolgreiche und anhaltende Beziehungen haben, Konflikte weder vermeiden noch diese als etwas besonders Bedrohliches erleben. Im Gegenteil, Konflikte werden heute zunehmend als etwas Normales und Gesundes betrachtet, die es ermöglichen, Auseinandersetzungen offen und sicher anzugehen, sofern man weiß, wie man streitet. Konstruktiver Streit und Konfliktbewältigung können eine Beziehung sogar stärken und festigen, anstatt sie zu schwächen oder gar zu zerstören.

Viele Konflikte haben sogar zu einer ' intensiveren Bindung an den Partner geführt. Was war es, das einen Konflikt positiv enden ließ, während andere Konfliktsituationen schmerzhaft und destruktiv geendet haben? Wieso gehen manche Paare mit ihren Konflikten gelassen um, während andere Paare ihre Beziehung durch ähnliche Konflikte geschädigt oder sogar zerstört haben?

Meist ist nicht der Grund, sondern die Art des Streites entscheidend für den Ausgang eines Konflikts. Das „Wie" kann Partner auseinanderreißen oder sie einander näher bringen. Private Konflikte haben mit erfolgreichen Sitzungen - wenn man an einem positiven Ergebnis interessiert ist - einiges gemeinsam:

Eine Sitzung, die wir leiten, hält sich an vorgeschriebene Richtlinien. Wir überlegen uns, wie wir die Sitzung eröffnen, wie wir die Tagesordnung präsentieren, wie wir die Reiträ: ge der Anwesenden eingrenzen, wie wir die Sitzung schließen und so weiter. Bei persönlichen Konflikten wird nach keiner Regel vorgegangen. Wir bedienen uns meist „unbewußter" Streitregeln, greifen auf angelernte Verhaltensweisen zurück und setzen diese unreflektiert um. Das heißt, der Schlüssel für eine effektive Konfliktlösung liegt in unseren Fähigkeiten, gewisse Streitregeln einzuhalten (sie he Beitrag unten).

Konfrontationen, Konflikte unc Probleme sind Gelegenheiten und Möglichkeiten für ein tieferes gegenseitiges Verständnis. Wenn die Bewältigung immer besser gelingt, kann aus einer persönlichen Herausforderung eine tiefere Bindung werden.

Die Autorin ist

Publizistin und Furche-Mitarbeiterin

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung