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Richtlinien?

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Die seit Monaten vielbesprochenen .Richtlinien zur Neuregelung des Familienrechtes“ (von einer ministeriellen Kommission ausgearbeitet) fanden in einer Enquete, die am 19. November im Kongreßsaal des Bundeskanzleramtes tagte, eine eingehende Begutachtung. In dieser Aussprache, an der außer führenden Juristen die Vertreter der gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften und Vertreterinnen von Frauenvereinigungen teilnahmen, betonte der Sprecher der katholischen Kirche, daß der Reform des Eherechtes, der Tilgung des § 67 des Personenstandsgesetzes und der Anerkennung der vor dem Seelsorger geschlossenen Ehe durch den Staat eine weit höhere Dringlichkeit zukomme als einer in ihren Wirkungen fragwürdigen Abänderung des Familienrechtes. Eine begründete Kritik! — Der leitende Gedanke der .Richtlinien“ ist die mechanistische Einebnung von Ehe und Familie über biologische Unterschiede und die dadurch bestimmte Aufgabenteilung der Geschlechter hinweg. Darin fand der Entwurf einmütige Ablehnung durch alle jene — und das waren durchaus nicht nur die Vertreter der christlichen Konfessionen —, die sich zu Ehe und Familie als einer durch Naturgesetz geordneten organischen Gemeinschaft unvergleichbarer Art bekannten.

Die Grundsatzidee der .Richtlinien“ wird in Punkt 1 zum Ausdruck gebracht: „In der Ehe haben beide Ehegatten grundsätzlich gleiche Rechte und Pflichten.“ Ihre Vertreter nennen den Wegfall des § 91 ABGB einen Fortschritt in der Befreiung der Frau aus unwürdiger Abhängigkeit und Minderwertung. Und wie jedes Schlagwort wirkt auch dieses zunächst bestechend. Erst die kritische Prüfung zeigt seine Fehler- und Gefahrenquellen auf. „Gleiche Rechte und Pflichten“ werden beim Blick ins Leben, wie es ist, zur leeren Phrase. Immer wird der Frau Mutterschaft und Mutteramt gegeben sein, die Sorge für das Heim, für den Gatten und die Kinder; und immer hat der Mann primär der Unterhalts- und Schutzpflicht für die Seinen zu entsprechen. Mit dieser Aufgabe verbindet sich unabweislich die Verantwortung für die Familie nach außen und, als Voraussetzung dazu, eine Entscheidungsgewalt nach innen. Man kann nur verantworten, worauf man bestimmenden Einfluß hat. Die damit zusammenhängende Unterordnung der Frau aber bedeutet in keiner Weise eine Herabsetzung ihrer Person, eine Feststellung, die „Casti Connubii“ in bewunderungswürdiger Klarheit hervorhebt, so wenig wie etwa in einem beruflichen über- und Unterordnungsverhältnis eine Qualifizierung des Persönlichkeitswertes gesehen werden kann.

Dies war auch der Standpunkt, den die Vertreter der katholischen und der evangelischen Gruppen sowie der ÖVP und des VdU einnahmen, unterstützt von der ernsten Mahnung der Vertreterin der weiblichen Ärzteschaft, durch eine völlige Gleichheit von Rechten und Pflichten nicht die biologischen Aufgaben der Ehe zu gefährden. Die Juristen wiesen darauf hin, daß durch eine Gleichstellung der Gatten eine einheitliche Willensbildung mehr in Frage gestellt sei als je und zu einer unabsehbaren Überlastung der Gerichte führen könne. Dieses Bedenken ist nicht von der Hand zu weisen, wenn man sich die starke Wirkung vor Augen hält, die das Gesetz nun einmal auf die Anschauungen der breiten Masse übt.

Der Grundsatz der Gleichberechtigung ist in den „Richtlinien“ konsequent durchgeführt und läßt mit wachsender Deutlichkeit klar werden, daß das, was als „Geschenk an die Frauen“ gedacht war, gerade für die Frau zu bedrohlicher Härte wird. Die Verpflichtung beider Ehegatten zur Erwerbstätigkeit (Punkt 2, Absatz 2) kommt einem Erwerbszwang gleich, dem die Frau ohne Rücksicht auf ihre Aufgaben in der Familie unterworfen werden kann. In demselben Sinn wirkt die „beiderseitige Unterhaltspflicht“ (Punkt 22), die in dem nach den Richtlinien zu formulierenden Gesetz „klar zum Ausdruck zu bringen ist“. Auch manchen für die Gleichberechtigung eintretenden Teilnehmern der Tagung wurde erkennbar, daß die Gleichheit der Rechte tatsächlich eine Überlastung der Frau mit Pflichten bedeutet.

Eine Reihe von Einzelbestimmungen des Entwurfes leistet offensichtlich der Eheauflösung Vorschub. „Die im § 91 ABGB geregelte Vertretung der Ehefrau durch den Mann hat zu entfallen“, sagt Punkt 4. Es wäre wenig einzuwenden gegen die Aufnahme einer Bestimmung, die mehr als bisher einen Mißbrauch des Vertretungsrechtes hintanhalten würde — in der radikalen Sprache der „Richtlinien“ geht die Schutzpflicht des Mannes unter.

Ebenso einsichtslos ist die Regelung der Wohnsitzfrage. Punkt 7 setzt im 1. Absatz grundsätzlich fest: „Haben beide Ehegatten eine eigene Erwerbstätigkeit, so kann jeder Teil einen selbständigen Wohnsitz begründen.“ Der Entwurf vermeidet mit Absicht die Unterscheidung zwischen Grundsatzbestimmung und Ausnahmebestimmung. Fällt die grundsätzliche Verpflichtung der Frau, den Wohnsitz des Gatten zu teilen — eine Bindung, die sich aus dem Normalfall ergibt, daß der Mann für den Unterhalt aufzukommen hat —, so verliert die Familie auch den äußeren Rahmen ihrer Einheit und die Kinder das elterliche Heim. Zudem entscheiden jetzt schon die Gerichte, daß bei Vorhandensein triftiger Gründe der getrennte Aufenthaltsort der Ehefrau keine Pflichtverletzung bedeute.

In einigen wenigen Punkten bringen die „Richtlinien“ Neuerungen, die von der Tagung übereinstimmend als Verbesserungen anerkannt wurden. So die Ersetzung des Begriffes der „väterlichen Gewalt“ (nach §§ 147 und 148 ABGB) durch den der „elterlichen Gewalt“ (Punkt 11), da zweifellos in der lebenswichtigen Frage der Berufsbahn des Kindes auch der Mutter ein Mitentscheidungsrecht zusteht — und ebenso die Wertung der Haushaltsarbeit (Punkt 21), woraus sich für die Frau das Recht der Teilhabe an dem während der Ehe erworbenen „Ehegewinn“ ableitet (Punkt 37 und 38).

Untragbar sind dagegen die meisten Bestimmungen über das uneheliche Kind. Dem Punkt 18, Absatz 2, daß die Eltern vereinbaren können, dem Kinde den Namen des Vaters zu geben, wäre beizustimmen unter der Einschränkung, daß gegebenenfalls auch die Ehefrau des Kindesvaters mit dieser Namensgebung einverstanden sein müßte. Die völlige Gleichstellung des unehelichen Kindes mit den ehelichen Kindern in bezug auf Unterhalts- und Erbansprüche verneint jedoch den Sinn der Ehe. In diesen Punkten schweift auch der Entwurf ins Flüchtige, ja Undurchführbare ab. Es ist nicht klar, wie weit die Ansprüche des unehelichen Kindes sich gegen den Vater oder die Mutter oder beide richten. Die Aussprache ergab, daß in vielen Fällen die Gleichstellung zur Aufnahme des unehelichen Kindes in die Familie eines der beiden (oder beider?) Elternteile führen muß, ein Gedanke, der von den Verfassern des Entwurfes durchaus bejaht wurde. Dabei wird nicht unterschieden zwischen vorehelichem und außerehelichem Kinde. Daß ein voreheliches Kind in die spätere Familiengemeinschaft eines seiner Elternteile aufgenommen wird, ist namentlich in der ländlichen Bevölkerung keine neue und erregende Tatsache. Sie wird meist durch Ubereinkunft bei der Eheschließung geregelt. Aber schwerste Bedenken sprechen dagegen, sie als den Normalfall erzwingen zu wollen. Auch wird das vor-' eheliche Kind der Gattin leichter in die Familie eingegliedert werden können als das des Gatten. Denn der voreheliche Kindesvater wird in den wenigsten Fällen versuchen, in die Familie der Mutter seines Kindes einzudringen. Anders die Mutter des vorehelichen Kindes, das in die Familie des Vaters aufgenommen wird. Welche Mutter verzichtet schon ganz auf ihr Kind? — Eine schwere Belastung der Ehefrau, die durch eine solche Verbindung immer wieder den Frieden ihrer Ehe bedroht fühlen wirdl

Noch schlimmer würde sich die angestrebte Rechtsentwicklung bei außerehelichen Kindern auswirken. In den meisten Fällen wird die legitime Gattin der betroffene Teil sein: wenn die Ehe durch den Ehebruch nicht zerstört wird, könnte ihr die Aufnahme des Kindes ihres Gatten angelastet werden. Kann man der Würde und dem sehr verständlichen menschlichen Empfinden der Frau eine solche seelische Kraftprobe zumuten? — Dem vaterlosen Kind kommt der gute Wille aller sozial denkenden Menschen entgegen, von dem Schuldlosen die Folgen der nicht legitimen Geburt abzuwehren. Durch das, was der Erfolg zur Folge haben könnte, würde nur heillose Verwirrung geschaffen, die gültige Ehe ad absurdum geführt und das uneheliche Kind vielfach Härten ausgeliefert, die das Gesetz nicht verhindern kann, weil sie für den Paragraphen nicht greifbar sind. Dem Unwillkommenen kann die innere Ablehnung tausendfach fühlbar gemacht werden — und wer leidet unter ihr bitterer als ein Kind? — Die Verfasser des Entwurfes haben wohl selbst die Unzulänglichkeit der Richtlinien in diesem Kapitel nicht übersehen. Aber Punkt 48, der „durch gesetzliche Maßnahmen eine größere Gewähr“ dafür schaffen will, „daß auch der wirkliche Erzeuger des Kindes festgestellt wird“, hilft nicht weiter. Er wird von maßgebenden Juristen als „ein Wunsch an die Wissenschaft“ bezeichnet.

Die „Richtlinien“ haben eine eingehende und in vielem, auch im Grundsätzlichen, ablehnende Kritik erfahren. Wird das Justizministerium in der nun auszuarbeitenden Gesetzesvorlage den begründeten Einwänden und Bedenken Rechnung tragen? Davon wird es abhängen, ob die Unantastbarkeit von Ehe und Familie im Volksbewußtsein durch das Recht wieder verankert wird — oder noch weiter zu Bruch geht.

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