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Saat und Ernte

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Die Landwirtschaft muß beim Ablauf ihrer Wirtschaftsvorgänge die Möglichkeit außerwirtschaftlicher Einwirkungen in einem Ausmaß in Rechnung stellen wie kein anderer Wirtschaftszweig. Die Wirklichkeitsnahe dieser Denkweise haben die furchtbaren Unwetterkatastrophen der vergangenen beiden Jahre eindrucksvoll bewiesen. Wie viele Konjunkturberechnungen und linearen Zielsetzungen der Wachstumspolitik sind durch diese Naturereignisse ihrer Grundlagen beraubt worden! .

Stellt man jedoch das Unerwartete ins Kalkül des Wirtschaftsablaüfs, darin folgert daraus eine gewisse Zurückhaltung gegenüber den politischen und wirtschaftlichen Prophezeiungen anläßlich der Jahreswende.

Es liegt mir fern, grundsätzlich an Konjunktur- und Wirtschaftsprognosen Kritik zu üben, doch möchte ich festhalten, daß die Landwirtschaft bei ihren Aussagen der Diagnose wesentlich mehr Gewicht als der Prognose beimißt und bei Schlußfolgerungen auf zukünftige Entwicklungen eine gewisse Vorsicht übt. Diese Denkweise spielt in der Landwirtschaft eine große Rolle. Man muß das würdigen, denn diese Denkweise macht den Agrarsektor zu einem der wichtigsten Stabilisierungsfaktoren unserer Gesamtwirtschaft.

Von den innenpolitischen Ereignissen zum Jahresende will ich insbesondere die Vereinbarung hervorheben, die zwischen Regierung und Opposition über die Verlängerung der sogenannten Wirtschaftslenkungsgesetze auf die Dauer von zwei Jahren erzielt wurde. Dieser legistische Komplėi umfaßt sieben Gesetze: das Marktordnungsgesetz, das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz, das Preisregelungsgesetz, das Preistreibereigesetz, das Rohstofflenkungsgesetz, das Lastverteilungsgesetz, die bis zum 31. Dezember 1968 verlängert wurden, und nicht zuletzt das am 30. Juni 1967 ablaufende Landwirtschaftsgesetz, das bis zum 30. Juni 1969 erstreckt wurde. In der Verständigung über das Marktordnungsgesetz kam zum Ausdruck, daß die Marktordnung als eine gesamtwirtschaftliche Maßnahme zur Sicherung einer gleichmäßigen Ernährungsbasis für das gesamte Volk zu betrachten ist. Tatsächlich bringt die Marktordnung der Landwirtschaft keineswegs nur Vorteile, wie manchmal behauptet wird, sondern erlegt ihr auch Verpflichtungen auf, die sie jedoch im Interesse einer gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung willig trägt. Praktisch danken wir dem Marktordnungsgesetz, daß die Nahrungsmittelproduktion und die Nahrungsverteilung von Mangelerscheinungen und anderen Störungseinflüssen weitestgehend freigehalten und gleichzeitig die Individualität des einzelnen landwirtschaftlichen Betriebes gewahrt und die Konsumentenwünsche berücksichtigt werden konnten. Angesichts der wirtschaftlichen Unrast, die zur Zeit weite Teile der Welt erfüllt, hätte ein Wegfall dieser bewährten Einrichtung ein unnötiges Unsicherheitselement geschaffen. Stabilisierende Bedeutung kommt auch der weiteren Gültigkeit des Preisregelungsgesetzes zu, denn dieses Gesetz bildet nicht zuletzt die Grundlage der amtlichen Preiskommission, die ebenso wie die Paritätische Kommission einen wichtigen Faktor zur Stabilisierung des Preisniveaus bildet.

Besonders begrüßt hat die Landwirtschaft das Verständnis, das ihr mit der Verlängerung des Landwirtschaftsgesetzes entgegengebracht wurde. Dieses Gesetz bildet die Basis für den Grünen Bericht und den Grünen Plan, wobei der Grüne Plan wieder nicht zu Unrecht als landwirtschaftliches „Wachstumsgesetz“ ebenbürtig an die Seite der übrigen Wachstumsgesetze gestellt wird. Mit der weiteren unveränderten Gültigkeit des Landwirtschaftsgesetzes für einen längeren Zeitraum und der Bereitstellung höherer finanzieller Mittel für den Grünen Plan ist der Land- und Forstwirtschaft eine kontinuierliche und intensivere Arbeit zur Anpassung an die Aufgaben im Rahmen der modernen Industriegesellschaft ermöglicht. Die einzelnen Schwerpunktmaßnahmen des Grünen Plans sind schon des öfteren in der Öffentlichkeit erörtert worden; sie sollen hier nicht im einzelnen aufgezählt werden. Es muß jedoch betont werden, daß die strukturellen Maßnahmen sowohl finanziell als auch organisatorisch obenan in der Skala der Rangordnungen stehen. Dazu gehören die Grundstückzusammenleguingen und -aufstockungen zur Erzielung rationeller Flächen- und Betriebsgrößen unter Berücksichtigung der familienbetrieblichen Wirtschaftsweise einerseits und der Motorisierung und Technisierung anderseits. Wenn nächstes Jahr1 auf diesem Gebiet noch mehr getan werden kann als bisher, so dient das nicht nur der Leistungssteigerung der Landwirtschaft, die mit immer weniger Menschen immer mehr produziert, sondern der Produktivitätssteigerung der Gesamtwirtschaft. Das gleiche gilt für die Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur wie für die Meliorationen, die Kultivierungsaktionen, die land- und forstwirtschaftlichen Wegebauten, die Elektrifizierung der landwirtschaftlichen Betriebe, die Aufforstungsaktionen usw. Die Fortführung dieser Investitionen im Jahre 1967 mit einem Gesamtvolumen von weit mehr als einer Milliarde Schilling — die Mittel des Grünen Planes lösen als Initialzündung die Mobilisierung beträchtlicher Eigenmittel der Landwirtschaft und ansehnlicher Beträge auf dem Kapitalmarkt aus — sichert, was nicht übersehen werden soll, einen guten Teil der Investitionsfähigkeit der Gesamtwirtschaft sowohl auf dem Gebiet der Bauwirtschaft wie in der Maschinenproduktion. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, daß die auf der Ebene der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit geführten Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition zur Verlängerung der Wirtschaftsgesetze auch eine positive Ausstrahlung auf die Verhandlungen zur Regelung der Verstaatlichten Industrie besaßen, eine Feststellung, mit der die Landwirtschaft lediglich ihre kalmierende Wirkung im Bewußtsein der Öffentlichkeit erhalten will.

Nach den Naturkatastrophen vom August und November 1966 erscheint der Landwirtschaft wirtschaftliche Disziplin unerläßlich, zumal die Wunden aus den Katastrophen von 1965 noch nicht verheilt sind und das internationale Konjunkturklima keineswegs sonnig ist. Damit ist der entscheidende Wunsch der Landwirtschaft für 1967 ausgesprochen.

Das österreichische Volk steht in einer Unruhigen Welt vor der Aufgabe, seine eigene Existenz zu sichern und zugleich die Befriedigung der Wünsche seiner Wirtschaftszweige und Berufsgruppen in konstruktiver Form zu erreichen. Dazu gehören auch viele agrarische Einzel- und Fachwünsche, wie die Regelung der noch ausstehenden landwirtschaftlichen Schulgesetze, die gesetzliche Fundierung der landwirtschaftlichen Qualitätsnormen, die beschleunigte Beseitigung der Schäden nach den Wasser- und Sturmkatastrophen der letzten beiden Jahre usw. Im Rhythmus von Saat und Ernte hat die Landwirtschaft jedenfalls die Hoffnung, daß die vernünftigen Lösungen, die das Jahresende brachte, die politische Ernte von 1967 entscheidend beeinflussen mögen.

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