6732208-1966_03_04.jpg
Digital In Arbeit

„Salzburger Klima”

Werbung
Werbung
Werbung

Salzburg stellt das einzige österreichische Bundesland dar, in dem die stärkste Partei nur mit einer relativen Mehrheit führt. Wenn auf das gepriesene politische „Salzburger Klima” verwiesen wird, findet sofort auch dies Erwähnung. Der neue Präsident des Salzburger Landtages, Hans Zyla, ging unlängst in seiner Ansprache aus Anlaß der zwanzigsten Wiederkehr der Konstituierung des ersten freigewählten Landtages auf die Zusammenarbeit der Parteien ein und nannte für das von ihm positiv gesehene Salzburger Klima vier Grundlagen:

• vor allem die verfassungsrechtliche Festlegung, daß jede politische Partei, die eine gewisse Stärke erlangt, berechtigt ist, Regierungs- Verantwortung zu tragen und somit in der Exekutive des Landes präsent zu sein;

• im Vorgehen der Landesregierung, die weitreichende Entscheidungen nicht allein trifft, sondern auf die breitere Basis des Landes Parlaments stellt;

• in der Freude am Pragmatismus, die lange theoretische Diskussionen vermeidet;

• „Salzburgisch” ist vor allem der Ton der Diskussion. Um schwierige Entscheidungen wird zwar hart gerungen, die Lautstärke der Meinungsäußerungen überschreitet jedoch nie die Grenze des Erträglichen.

Nach Dr. Josef Klaus wurde in Dipl.-Ing. DDr. Hans Lechner ein Mann als Landeshauptmann an die Spitze der Landesregierung gestellt, der den „Landesvater” vor allem in seiner Gesinnung darstellt. Damit hängt es wohl auch zusammen, daß die Bevölkerung durch die Massenmedien laufend über die Arbeit und über die Pläne der Regierung informiert wird und das Volk vor kleinlichem Parteiengezänk verschont bleibt. Selbst die spannungsgeladene Bundespolitik vermag die Atmosphäre nicht zu vergiften. Im Landtag bemüht man sich, Mehrheits entscheidungen aus dem Weg zu gehen, doch jede Gruppe nimmt sie zur Kenntnis, wo sie sich nicht vermeiden lassen. Es wird allgemein sehr positiv aufgenommen, daß sich die FPÖ — „von Bosheit befreit”, wie ein ÖVP-Politiker es nannte —• nicht als Zünglein an der Waage aufspielt.

Problem Betriebsstruktur

In Salzburg hat es sich eingebürgert, daß der Landtag bei der Behandlung wichtiger Themen immer die einschlägigen Interessenvertretungen zur Beratung heranzieht. Die Notwendigkeit hierfür ist freüich gerade hier in besonderem Maße gegeben. Die Betriebsstruktur ist mit der keines anderen Bundeslandes zu vergleichen. Überall sonst gibt es — vom Burgenland abgesehen — echte Großbetriebe. Salzburg kennt nur ein Werk mit 700 Beschäftigten, doch sind auch Betriebe mit 400 Arbeitnehmern eher eine Seltenheit. Die Konzentration der Industrie im Raum Salzburg-Hallein fällt auf. Hier gibt es kaum Personalprobleme — obwohl täglich zwei- bis dreitausend Pendler von den deutschen Firmen in das Nachbarland gebracht werden. Umgekehrt findet man aber noch die Winterarbeitslosigkeit im entlegenen Lungau (vor allem für Bauarbeiter); im Oberpinzgau wird sie durch die Kraftwerksbauten aufgefangen. Eine günstige Wirkung erzielte die Produktions- und Arbeitslosenfürsorge der Gewerkschaften und der Arbeiterkammer, deren neuer Präsident Karl Steinocher selbst aus der Eisen- bahnergewerkscbaft kommt.

Ausgeglichenes Budget

Der größte Teil der Haushaltsmittel ist von vornherein gebunden. Es bam deshalb auch kaum zu ernsthaften Meinungsverschiedenheiten, bevor das Budget für 1986 am 15. Dezember 1965 einstimmig beschlossen wurde. Es ist konjunkturneutral gehalten, sieht jedoch eine bemerkenswerte Ausweitung vor: das ausgeglichene Ordinarium von 745,814.0 Schilling weist eine Zunahme um 11,15 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf, der ebenfalls ausgeglichene außerordentliche Haushalt von 100,273.000 Schilling stieg um 18,15 Prozent. Eventuelle Überschüsse werden für Sonderaufgaben eingesetzt.

Landeshauptmann Dr. Lechner kann mit Recht stolz auf wesentliche Erfolge der sachlichen Zusammenarbeit hinweisem:

Auf Grund langfristiger Konzepte wurde seit 1959 systematisch die Bairackenbeseitigung betrieben und im Vorjahr abgeschlossen.

Den Krankenanstalten wird besonderes Augenmerk zugewandt. Vor Jahren ist man darangegangen, das Landeskrankenhaus zu einer Universitätsklinik auszubauen. Daneben werden medizinische Subzentren auf dem Lande geschaffen. Tatsächlich werden hier 100 Millionen Schilling investiert, ohne daß darüber viel gesprochen wird. Zum Großteil ungelöst ist noch die Altersversorgung.

Noch nicht gelöst sind die Probleme der Wildbachverbauung undder F Lu ßregulieruti’gen. Seit dem entsetzlichen Tauern Unglück im vergangenen Winter wird von allen Seiten auch eine systematische Verbauung lawinengefährdeter Hänge gefordert. Dafür müßten freilich Unsummen bereitgestellt werden.

Auf dem Programm stehen noch Kreddithilfen zur Förderung des Fremdenverkehrs (Landeshauptmann Lechner: „Gastbetreuung, wie wir es lieber nennen”) und die Existenzsicherung gewerblicher Klein- und Mittelbetriebe.

Die Stromversorgung des Landes weist viele Probleme auf. Salzburg besitzt zahlreiche enengiewirtschaft- llch nutzbare Gewässer, die jedoch nicht von der zuständigen Gesellschaft der SAFE, sondern überörtlich oder für Oberösterreich ausgenützt werden. Damit sind Schwierigkeiten verbunden, die nicht zuletzt den höchsten Stromta/rif in Österreich bewirken. In diesem Zusammenhang ist auch die Diskussion um das Kraftwerk Lofer zu sehen: aus dieser Notlage heraus sieht sich das Land gezwungen, in einem paradiesischen Gebiet gegen den Willen der Bevölkerung (so löste sich die ÖVP-Orbsgruppe Lofer demonstrativ auf) ein kostspieliges Kraftwerk zu errichten.

Probleme ergeben sich auch im Straßenbau, der dem FPÖ-Obmann und Landesrat Walther Lettner untersteht. Dem Straßenbau werden erhebliche Summen — 10,3 Prozent des Budgets — zugewendet. Dadurch konnten aber auch bereits 89 Prozent der Landesstraßen staubfrei gemacht werden. Die 7077 Kilometer des Straßennetzes sind allerdings recht ungleich verteilt: 46 Kilometer entfallen auf die Autobahn, 556 auf Bundesstraßen, 462 auf Landesstraßen I. und II. Ordnung, auf die Gemeindestraßen aber 3339 Kilometer.

Sehr belastend wirkt sich das Fehlen einer zügigen Nord-Süd-Verbindung aus. Es scheint, daß nun die Länder Salzburg und Kärnten der Tauemschnellstraße durch den Lungau den Vorzug geben — unter Verzicht auf die Variante eines Tauemtunnels. Woher die 3 Milliarden Schilling der Tauernautobahn genommen werden sollen, weiß niemand. Allgemein wird einer Privat- flnanzierung der Vorzug gegeben; der Bund müßte dafür die Garantie übernehmen. Da man beiderseits des Tauemkammes weiß, daß eine Schnellstraße die Autofahrer nicht nur abzieht, sondern umgekehrt auch bringt, will man mit Energie eine Lösung anstreben und auf jeden Fall mit der Projektion beginnen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung