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Sanfte Medizin am Prüf stand

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Die Affäre um die Wiener Intensivmedizinerin Marina Marcovich, die am Mautner Markhofschen Kinderspital die Spezialabteilung für Frühgeburten leit-tete und jetzt beurlaubt wurde, hat Schlagzeilen gemacht. Am Prüfstand steht eine Frau, die versuchte, alternative Heilmethoden mit der Schulmedizin zu verbinden und bei Vierlingen, die durch eine In-vitro-Ferti-lisation entstanden waren, scheiterte: alle vier Säuglinge starben. Viele Eltern sind aber im Gegensatz zu Kollegen von der Richtigkeit von Mar-chovichs Weg überzeugt.

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Die Affäre um die Wiener Intensivmedizinerin Marina Marcovich, die am Mautner Markhofschen Kinderspital die Spezialabteilung für Frühgeburten leit-tete und jetzt beurlaubt wurde, hat Schlagzeilen gemacht. Am Prüfstand steht eine Frau, die versuchte, alternative Heilmethoden mit der Schulmedizin zu verbinden und bei Vierlingen, die durch eine In-vitro-Ferti-lisation entstanden waren, scheiterte: alle vier Säuglinge starben. Viele Eltern sind aber im Gegensatz zu Kollegen von der Richtigkeit von Mar-chovichs Weg überzeugt.

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Die Statistik zeigt, daß in den letzten zehn Jahren die Überlebensrate der Frühgeborenen dank des Fortschritts der medizinisch-technischen Entwicklung signifikant angestiegen ist. Doch für die „frühgewordenen" Eltern ist der Aufenthalt auf der Station noch immer eine schwere Zeit. Schuldgefühle und Angst steigen hoch. „Was habe ich meinem armen Kind nur angetan?" fragt sich die Mutter angesichts verdrahteter und verkabelter „Frühchen". Und für so manchen Vater scheint eine solche Intensivstation das Ende und nicht der Anfang des Lebens zu sein.

Es sind viele Fragen offen, die sich Eltern solcher „Frühchen" stellen. In Österreich gibt es davon jährlich etwa 1.000, die mit Hilfe neonataler Intensivmedizin betreut werden. Marcovich hat eine weltweit einzigartige sanfte Behandlungsmethode für ihre „Frühchen", entwickelt.

Sie ist überzeugt, daß durch die Isolation in den Brutkästen Defizite in der so wichtigen frühen Eltern-Kind-Bindungsphase entstehen, die für spätere Verhaltensauffälligkeiten und Gedeihstörungen verantwortlich sind. An ihrer Station werden daher Eltern von Anfang an in die Betreuung mit einbezogen. Rund um die Uhr stehen Schwestern bereit, um mit den Eltern die „Frühchen" zu versorgen. Soweit es geht, legt man sie auf die nackte Brust - es darf auch die des Vaters sein -, nur mit einem warmen Tuch bedeckt, um stundenlang im Liegestuhl zu kuscheln - und diese natürliche Nestwärme fördert die Atmung und erhöht den Pulsschlag der Frühgeborenen. Auch dürfen Mütter mit ihren Jüngsten immer wieder das Trinken an der Brust üben, um so bald wie möglich auf natürliche Ernährung umsteigen zu können. Schon nach wenigen Besuchen verlieren die Eltern die Angst vor dem Umgang mit ihren Frühgeborenen und eine tiefe Zuneigung kann zu ihrem Kind ungestört entwickelt werden.

Dieses „sanfte" Pflegekonzept in Verbindung mit einer weniger invasiven medizinischen Behandlung kleiner Frühgeborener hat Marina Marcovich in jahrelanger Praxis entwickelt und hat bereits vielen Kinderkliniken - nicht nur in Deutschland - neue Impulse gegeben. Für diese Pflege der Frühchen und als Anlaufstelle für viele Fragen setzt sich die vor nicht allzu langer Zeit ins Leben gerufene Elterninitiative , FEI genannt, ein. Sie will sich dafür einsetzen, daß betroffene Eltern frei entscheiden dürfen, wo ihr Kind nach einer Frühgeburt betreut wird. Sie will anregen, daß in jeder Früh-geborenen-Station sogenannte Elternaufenthaltsräume eingerichtet werden, wo auch Geschwister mitgebracht werden dürfen. Und ihr Ziel ist, daß durch Aufklärungsarbeit über die sanfte Neonatologie alle Frühgeborenen in Österreich nach dieser Methode behandelt werden.

Information

Susanne Beck, Vorsitzende der Früh-chen-Eltern-Initiative (FEI), Tel: 42 10 M3

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