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Schnuppern macht Spaß

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Der Vergaser ist verlegt und der Luftfdter verdreckt!" Heinrich Huber versucht einem Kunden die Ursache für das plötzliche Streiken seines Wagens zu erklären. In einem steirischen Mittelbetrieb hatte er eine Lehrstelle als Kfz-Mechaniker gefunden. Er lernt, wie er Kraftfahrzeuge überprüft und welches Auto ein neues Pickerl bekommt. Im dritten Lehrjahr weiß er, wie man Kostenvoranschläge bei Reparatur- und Wartungsarbeiten berechnet.

Schon bei seiner Berufswahl wies ihm ein Berater auf die notwendigen Fähigkeiten eines Kfz-Mechanikers hin: Handgeschicklichkeit, Fingerfertigkeit, technisches Verständnis und Beaktionsfähigkeit sind nur einige davon. Mit seinen Kunden sollte er auch gut reden können. „Ist der Peugeot schon fertig?" ruft der Chef ungeduldig in die Werkstatt hinein. In seiner Lehrzeit hat Heinrich Huber erfahren, daß er häufig unter Termindruck arbeiten muß.

Viele Verordnungen

Die Ausbildung eines Kfz-Mechanikers dauert dreieinhalb Jahre. Aufstiegsmöglichkeiten hat er später nur mit der Meisterprüfung. Dann könnte er sich zum Vorarbeiter, Werkmeister und Werkstättenleiter emporarbeiten. Immerhin: In Zeiten eines deprimierenden Lehrstellenmarktes gibt es in diesem Beruf noch einige Ausweichmöglichkeiten. Nicht selten wechseln Kfz-Mechaniker zu Karos-seuren, Leichtflugzeugbauern, Mechanikern und Schlossern bis zu Autoverkäufern.

Der Kfz-Mechaniker ist der häufigste männliche Lehrberuf (nicht nur in der Steiermark): 1996 gab es 1.557 Lehrlinge in dieser Branche. Beliebt waren aber auch Tischler (1.314), Elektroinstallateure (1.218) und Maurer (712). Die begehrtesten Lehrberufe der Mädchen waren 1996 die Einzelhandelsfrau (1.648), Friseurin und Perückenmacherin (712) sowie Köchin und Restaurantfachfrau (655).

Doch haben Lehrlinge noch eine Chance, eine geeignete Lehrstelle zu finden? Im Jänner 1997 waren laut Arbeitsmarktservice (AMS) 1.217 Lehrstellensuchende am steirischen Arbeitsmarkt verzeichnet. Das sind um fast 48 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Vergleich dazu gab es im Jänner 1997 nur 293 offene Lehrstellen, um rund 26 Prozent weniger als im

Vorjahr. „Verschärft wird die Lage am Lehrstellenmarkt vor allem durch die weitaus geringeren Zugänge an offenen Lehrstellen", erklärt Adam Müller von der statistischen Abteilung des AMS Graz. „Im Jänner 1996 wurden noch 566 Lehrstellen gemeldet, im Jänner 1997 waren es nur 213, ein Rückgang von über 60 Prozent." Auch österreichweit ist die Gesamtzahl der Lehrlinge 1996 um 2,7 Prozent auf rund 120.000 geschrumpft. Österreichweit suchen rund 4.500 Jugendliche eine Lehrstelle. Aber nur für die Hälfte (rund 2.500) ist eine Lehrstelle vorhanden.

Tatsächlich zeigt eine Umfrage des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) bei 216 Unternehmen: In einigen Sparten gibt es keinen Bedarf an Lehrlingen. Beispielsweise benötigen nur drei Prozent der befragten Betriebe kaufmännische Lehrlinge.

Viele Arbeitgeber beklagen, daß das Gesetz zu viel verbietet: Zukünftige Dachdecker dürfen nicht in ihrer Lehrzeit aufs Dach steigen, Jugendliche, die einmal Köche werden wollen, dürfen keine Panier machen und „Bäckerlehrlinge dürfen erst ab vier Uhr morgens zu arbeiten beginnen, wenn die wichtigsten Arbeiten schon fast abgeschlossen sind", erzählt Bäckermeister Budolf Schnuderl aus Graz. Seit kurzem ist ein Jugendlicher aus Serbien bei ihm in der Backstube. Das Schnuppern macht ihm Spaß. Er ist gerade dabei, die Mehlsäcke in der Bäckerei zu schichten. Warum er gerade Bäcker werden möchte? „Mein Großvater war auch Bäcker. Er hatte zu Hause in Serbien eine Bäckerei."

Für Wilfried Zenker, Direktor der Bealschule Graz-Webling, haben Lehrlinge bessere Chancen, wenn sie gebildeter sind. „Wichtig ist, eine geeignete Vorbildung zu haben", meint der Direktor. Die Bealschule bietet ab der fünften Klasse einen schwerpunktmäßigen Unterricht je nach Berufsinteresse im kaufmännischen, technischen und im human-sozialen Bereich an.

Wertvolle Praxis

Vor allem auf die Praxisstunden wird sehr viel Wert gelegt: 600 Stunden müssen Bealschüler in ihrem Praxisbuch verzeichnet haben. Es ist fast die gleiche Stundenanzahl wie die des ersten Lehrjahres. „Und durch die Erfahrung in den Betrieben werden die

Schüler frühzeitig mit der Wirklichkeit konfrontiert", unterstreicht Direktor Zenker.

Bealschulen gibt es in Osterreich nur in der Steiermark. Sie werden von Jugendlichen bevorzugt, die später einmal in die Lehre gehen möchten. Nach der Grundschule drücken sie noch weitere sechs Jahre die Schulbank und schließen mit der mittleren Beife ab. Zur Zeit gibt es in der Steiermark 19 dieser Schultypen. Ihre Standorte sind unter anderen in Stainz, Fehring, Spielfeld, Heiligenkreuz am Waasen, Murau, Leibniz und Weiz. Insgesamt besuchen 2.482 Schüler diese Bealschulen.

Neue Berufsfelder

Die Schüler der fünften Klasse wissen schon genau, welche Lehre sie nach ihrem Schulabschluß beginnen werden. „Ich möchte Elektriker werden", äußert einer von ihnen seinen Berufswunsch. Beim Schnuppern in' einem Betrieb ist er auf die Idee gekommen, diesen Beruf anzustreben. Die Lehre dauert dreieinhalb Jahre. Nach der Bealschule möchte er eine Fachhochschule besuchen (siehe dazu auch Seite 12). Für die Lehre als Bürokauffrau haben sich zwei Mädchen entschieden. Was ihnen dabei gefällt? „Ich arbeite gerne mit dem Computer", erzählen beide. Ob sie wissen, wie die Berufsaussichten sind? „Eher schlecht. Aber mit gefällt's", antwortet eine der beiden Jugendlichen.

Ein anderer würde gerne in die Lehre eines Badio- und Fernsehmechanikers gehen. Seit den Schnuppertagen in einem Betrieb ist er begeistert von diesem Beruf. Insgesamt dauert die Ausbildung dreieinhalb Jahre. Er weiß aber auch, daß die Berufsaussichten dieser Sparte nicht sehr gut sind: „Es ist schwierig", sagt er, „denn Badios und Fernseher werden heute nicht mehr repariert ... auch Siemens repariert häufig keine Fernseher mehr."

Direktor Zenker ist vom Lehrberuf überzeugt: „Alles geht in die AHS, das ist ein vollkommen falscher Ansatz", meint er, „wenn jemand wirklich praktisch begabt ist, sollte er doch eine Lehre anstreben."

Ein neuer Trend ist unübersehbar: die Zusammenlegung verschiedener Berufe. Ob es dann „Tischossler" oder „Schlosstischler" heißen wird, weiß noch niemand. Klar ist, daß sich Konsumenten Fachkräfte wünschen, die ihnen nicht nur die Türe tischlern, sondern sie auch einbauen.

Helfried Faschingbauer, stellvertretender Landesgeschäftsführer des AMS Steiermark, weiß schon eine neue attraktive Lehrlingsausbildung: Mechatroniker.

Dieser hat die Fähigkeit eines Mechanikers, Elektronikers und eines Elektrikers und wird vor allem im Be-paraturbereich eingesetzt...

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