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Schonfrist fur Bacher

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Nun, ist die Minderheitsregierung Kreisky für Bacher akzeptabel geworden?

Der stürmische General des Rundfunks kann immerhin für sich und seinen unabhängigen ORF buchen, daß er derzeit erstaunlich wenig Angriffe von der SPÖ zu hören bekommt.

War doch bis in den Nationalrats-wahlkampf hinein Generalintendant Bacher und sein Team immer wieder heftigen Attacken der SPÖ ausgesetzt gewesen.

Nach den Affären um die Entlassungen des Horizonte-Chefs Dr. Brantl (der zum SPÖ-Wahlkampfmanager avancierte), des SPÖ-Betriebsrates Müller und des Betriebsgruppenobmanns der Sozialisten, Ing. Dorn (der jetzt in der SPÖ-Zentrale beschäftigt ist) hatte es den Anschein, als ob SPÖ-Klubobmann Pittermann und ÖGB-Chef Benya einen eisernen Hebel bilden würden, mit dessen Hilfe bei erster Gelegenheit der unbequeme Herr des Rundfunks ausgehoben werden sollte. Nach dem Sieg der SPÖ scheint nun diese Entwicklung vorläufig nicht einzutreten. Der Rundfunk hat am 1. März und in den Wochen der Regierungsverhandlungen objektiv, und sehr fair nach beiden Seiten hin, berichtet. Überdies mag die Einsicht in der SPÖ gesiegt haben, daß ja der von der ÖVP-Mehrheit im Aufsichtsrat zum Generalindendanten berufene Gerd Bacher den Rundfunk so neutral geführt hat, daß die Volkspartei seit der Rundfunkreform immerhin alle Landtagswahlen und schließlich auch die Nationalratswahl verloren hat.

So nimmt es nicht wunder, wenn die heftigsten Kritiker Bachers derzeit in der ÖVP sitzen. Man nimmt es dort dem ORF-Chef übel, daß das Fernsehen (als politisch offensives Medium) mehr denn je Sozialisten in wichtigen Spitzenpositionen aufweist: Neben dem Chef des Aktuellen Dienstes und Ex-Chef der „Arbeiter-Zeitung“, Franz Kreuzer, ist auch der Chefredakteur der sozialistischen „Neuen Zeitung“ in die Aktuelle-Dienst-Redaktion eingezogen.

Im Aufsichtsrat hat vorläufig die ÖVP nach wie vor eine Mehrheit — wenngleich auch nur bis zum Sommer. Da kann nämlich die Gesellschaftsversammlung unter ihren Vorsitzenden Dr. Kreisky die Aufsichtsräte neu bestellen.

Ohne Zweifel wird auch das derzeitige Verhältnis der Vertreter der Parlamentsparteien von 3 ÖVP, 2 SPÖ und 1 FPÖ abgeändert werden. Entscheidend für die Mehrheitsentscheidung im Aufsichtsrat allerdings wird die Besetzung der fünf „unabhängigen“ Aufsichtsräte aus den Bereichen Kunst, Kirchen, Wissenschaft, Volksbildung und Sport sein. Vier dieser fünf Vertreter stehen derzeit der ÖVP nahe und stimmen bei Abstimmungen durchwegs mit der ÖVP (und für Bacher).

Nun ist im Rundfunkgesetz nichts über das Verfahren bestimmt, nach dem diese „unabhängigen“ Aufsichtsräte zu bestellen sind. Die neue Regierung könnte also ohne weiteres neue Männer berufen, die diese Bereiche repräsentieren und sich damit eine SPÖ-Mehrheit im Rundfunkaufsichtsrat sichern.

Offen bleibt allerdings, ob es sich die sozialistische Regierung leisten kann, offen eine derartige Machtverschiebung im Rundfunk-Aufsichtsrat herbeizuführen. Haben doch in allen Rundfunkfragen die unabhängigen Zeitungen in Österreich ein waches Ohr.

Bleibt den Sozialisten die Möglichkeit der Novellierung des Rundfunkgesetzes: dafür aber finden sie im Nationalrat keine Mehrheit. Generalintendant Bacher hat — für den Fall der Fälle — allerdings schon angekündigt, daß er sehr gut wisse, was er in Zukunft tun möchte — etwas Netteres und Angenehmeres nämlich, als den Rundfunk in Österreich zu reformieren. Und für eine der Zielscheiben sozialistischer Attacken, nämlich für ORF-Chefredakteur Dalma, steht längst ein hoher Posten frei: er könnte nämlich sofort und jederzeit in den bayrischen Rundfunk übersiedeln.

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