E-Learning - © Foto: Pixabay

Schüler, Lehrer, Corona - die erste Woche

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Dietmar Müller, Lehrer an einer höheren Schule in Wien, über seine ersten Erfahrungen im Distance-Teaching, die Flut an Arbeitsaufträgen für die Schüler, heiße Luft über dem Homeoffice - und den "Bildungsreformismus" der letzten Jahrzehnte.

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Dietmar Müller, Lehrer an einer höheren Schule in Wien, über seine ersten Erfahrungen im Distance-Teaching, die Flut an Arbeitsaufträgen für die Schüler, heiße Luft über dem Homeoffice - und den "Bildungsreformismus" der letzten Jahrzehnte.

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Es ist der zwanzigste März 2020 – der fünfte Tag seit der Schulschließung. Heute vor einer Woche sind wir noch in den Klassen gestanden, haben trainiert, wie man ausreichend Abstand hält und trotzdem Zusammenhalt zeigt, haben mit Nachdruck an die Schülerinnen und Schüler appelliert, sich an die Anweisungen der Regierung zu halten – und nach Unterrichtsschluss fluchtartig das Schulhaus verlassen.

Schon am Nachhauseweg regen sich erste Zweifel, ob es klug war, allen virtuellen Netzwerken zu widerstehen. Ich entscheide: Ja! War es klug, an einem Mobiltelefon festzuhalten, das außer zum Telefonieren und Nachrichtenversenden zu nicht viel taugt? Nein!

Als Religionslehrer ist man sowieso gut beraten, methodisch und inhaltlich auf Unkonventionelles und Überraschung zu setzen. Darum war mir klar, dass es nicht genügen wird, den Schülerinnen und Schülern irgendwelche digitalisierten Arbeitsblätter, lehrreiche Videos oder Texte zukommen zu lassen. Vielleicht lässt sich die unerfreuliche Situation nutzen, um etwas zu machen, wofür sonst im Schulalltag keine Zeit bleibt.

Noch am letzten analogen Schultag in der Früh schreibe ich ein Mail an einen Schüler, der bislang durch alles andere als Bequemlichkeit aufgefallen ist: „Würde es Sie reizen, zur Situation Stellung zu nehmen? Zum Beispiel für die FURCHE?“ Kurze Zeit später seine Antwort: „Ja, sogar sehr, sofern die Bearbeitung der Arbeitsaufträge in den anderen Gegenständen dafür Zeit lässt.“ Ich freue mich, mache mich enthusiastisch an das Ausarbeiten von Schreibimpulsen, schicke diese samt mehreren erklärenden Mails an eine immer größere Gruppe von Schülerinnen und Schülern. Dabei vergesse ich fast das Virus. Vom Schüler, an den ich mich zuerst gewandt hatte, habe ich bis jetzt nichts mehr gelesen, ziemlich sicher nicht deshalb, weil der plötzlich seines Fleißes oder seiner Gewissenhaftigkeit verlustig gegangen wäre.

Flut an Arbeitsaufträgen

Es muss spätestens am vergangenen Montag eine digitalisierte Flut an Arbeitsaufträgen, Übungen, Einladungen zu Videokonferenzen et cetera über die Schülerinnen und Schüler hereingebrochen sein. In gewisser Weise geht es denen jetzt so wie uns Lehrerinnen und Lehrern seit Inkrafttreten des Bildungsreformismus Ende der Neunziger Jahre. Ausfüllen von Listen, Dokumentationsaufträge und Beschäftigungen, von denen nicht immer erkennbar ist, inwiefern sie produktiv mit unserem Wirken in der Klasse in Verbindung stehen. Die Digitalisierung hat die Zahl dieser Aufgaben potenziert.

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