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Schule und Parteienproporz

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Im Bundesverfassungsgesetz vom 18, Juli 1962, Bundesgesetzblatt Nr. 215/1962, wurde eine Reihe von Bestimmungen des Bundesverfassungsgesetzes von 1929 geändert, die sich mit den Schulbehörden des Bundes befassen, zu denen auch die Schulaufsicht über die Pflichtschulen zu zählen ist. Uns interessieren die Bestimmungen, die den Bezirksschulrat betreffen beziehungsweise die Konsequenzen aus ihrer Anwendung.

Dem Bezirksschulrat gehören als Vorsitzender der Leiter der Bezirks-verwaltungsbehönde, als Mitglieder mit beschließender Stimme Väter und Mütter scbulibesuchender Kinder (nach dem Verhältnis der für die im Landtag vertretenen Parteien im politischen Bezirk abgegebenen Stimmen) und Vertreter der Lehrertschaft, als Mitglieder mit beratender Stimme die Vertreter gesetzlich anerkannter Kirchen, der Bezirksschulinspektor und Vertreter gesetzlicher Interessenvertretungen an.

Von der Parteipolitik bestimmt

Fast alle Mitglieder des Kollegiums des Bezirksschulrates sind in irgendeiner Weise von der Parteipolitik her bestimmt: Die politischen Parteien entscheiden, welche Väter und Mütter entsandt und welche Lehrervertreter nominiert werden, sie entscheiden, welche Personen die Interessenvertretung zu repräsentieren haben. Schließlich bestimmen Parteileute, die mit der Schule kaum noch etwas zu tun haben, welche Bewerber in den Dreiervorschlag für die gewiß wichtigste Funktion im gesamten Organ, für die Funktion des Schulaufsiehtsdienstes, aufgenommen werden. Sind die Parteien in der Lage, in dieser Frage dem Gemeinwohl zu entsprechen, oder sind sie in der Frage der Auswahl von Fachleuten für die Schul-aufsicht überfordert?

Schulfremde Bereiche

Die Kriterien, die zur Auswahl der Schulaufsichtsbeamten herangezogen werden, scheinen in vielen Fällen schulfremden Bereichen entnommen zu sein. Es entsteht dei Eindruck, daß gerade dem Lehrer, der seine Arbeitskraft außerschulischen Einrichtungen zuwendet und etwa in der Gewerkschaft oder ir einer politischen Partei zeitraubende Funktionen bekleidet, am ehesten der Aufstieg in einem Berui gelingen kann, der an sich wenif Aufstiegsmöglichkeiten bietet. Di< Qualifikation als Lehrer und Menschenführer ist nur sekundär relevant. Darin liegt eine ernste Gefahl für die Substanz des Lehrberufe: und der Schule.

Die Kenntnis der psychoiogischei Voraussetzungen des Unterrichtes der wichtigsten pädagogischen Lite ratur der Gegenwart erfordert star ken Bildungswiilen. Sie ist jeden falls wichtiger als Taktierenkönnei und rücksichtsloses Stehvermöger wie man es etwa in gewerkschaft liehen Auseinandersetzungen lerne: kann.

Es ist zwar richtig, daß der Be-drksschulinspektor, der im Gesetz ausdrücklich als Beamter des Schulaufsichtsdienstes bezeichnet wird, heute von der Last bürokratischer Arbeit überfordert zu werden droht; welleicht sollte aber gerade deswegen überlegt werden, ob nicht gerade der pädagogische Aspekt seiner rätigkeit stärker zu betonen wäre. Wir sollten uns bemühen, nach praktikablen Formen zu suchen, die sowohl der Verwaltung ihr Recht belassen als auch der Schule und dem Lehrer, in der Weise, daß der Bezirksschulinspektor im Amt des Bezirksschulrates von der reinen Verwaltungsarbeit weitgehend entbunden wird, um sich stärker der Schul&#171; und der methodischen Führung dei Lehrer widmen zu können.

Pädagoge oder Manager

Wie das Schulgesetzwerk von 1962 gelingen wird, ist, bei aller Wichtigkeit der Bewältigung der hoher finanziellen Belastungen, vor allen: eine Frage der Qualität der Lehrer Ob in der Lehrerbildung heute Jen&#171;

den können, die eine gediegene Auslese ergeben, ob nicht vielmehr da und dort aus den unterschiedlichsten Gründen sogar noch eine negative Auslese festzustellen wäre, bleibe dahingestellt. Um so mehr ist es notwendig, jungen Lehrpersonen in ihrer pädagogischen Entwicklung jene Führung zu vermitteln, die nicht ein Manager, sondern ein Pädagoge, der dies aus Berufung ist, zu leisten vermag.

Problematische Kriterien

Es gilt zu überlegen, ob man nicht einmal einen Katalog objektiver Kriterien erstellen sollte, nach denen Bewerbungen zu beurteilen wären, besonders jene, die den Schulauf-sichtsdienst als einen neuralgischen Punkt des Gedeihens unserer Schule betreffen. Derzeit stehen den Organen, die Bewerbungen zu sichten und zu reihen haben, Unterlagen über die Beurteilung als Lehrer (beziehungsweise Leiter), den Familienstand und die Kinderzahl sowie Lebens- und Dienstalter zur Verfügung. Da fast alle Bewerber in der Gesamtbeurteilung mit „ausgezeichnet“ oder „sehr gut“ beurteilt und in der Dienstbeschreibung untei „Gesamtbild des Wirkens als Lehrer“ kaum große Unterschiede anzu-

treffen sind, scheidet das Kriterium äer Beurteilung als Lehrer in der gegenwärtig praktizierten Form beinahe aus. Die Familienverhältnisse sollten Berücksichtigung finden, wenn zwischen gleichwertigen Bewerbern zu entscheiden ist,

Bildung und Berufung

UnumgängfMohe Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung muß eine möglichst umfassende Bildung sein, die auch den musischen Bereich einschließt. Das Interesse an der Pädagogik muß über die täglichen Erfordernisse, die der Unterricht stellt, über das „Handwerkliche' hinausreichen in das Gebiet der wissenschaftlichen Pädagogik, nachgewiesen durch Stellungnahmen zu einzelnen Problemen der Wissenschaft oder der Praxis, die in Fachzeitschriften publiziert sind. Wesentliche Werke der pädagogischen Literatur, besonders der Gegenwart sollten dem Bewerber unbedingt geläufig sein (er könnte über Einzelfragen vor Lehrerarbeitsgemeinschaften referieren), dies vor allen im Hinblick darauf, daß die Abgänger der neuen Lehrerakademien ir ihrem Berufsstreben zielbewußt weitergeführt werden sollen. Der Bezirksschulinspektor muß Autordtä durch qualifiziertes Wissen und Können haben, er muß daher auch al; Methodiker schöpf erisch wirken Vielleicht wird man in absehbare] Zeit kein Wort mehr darüber verlieren, daß die Schulaufsichtsbeamten analog ihrer besoldungsrechtlichen Einstufung ausgebilde sein sollten.

Man beklagt heute oft, nicht nu: in Lehrerkreisen, daß der Lehrstan< an Ansehen in der Gesellschaft ein gebüßt habe und weiter verliere. Di< Tendenz ist vom Dorf bis in du Großstadt zu spüren. Dieses Faktun ist nicht nur in der gewiß reform bedürftigen Besoldungssituation de Berufsstandes begründet, die Wur zeln reichen tiefer. Eine der wesent lichsten Ursachen ist die Verfllzunj der ohnehin geringen und bescheide nen Aufstiegsmöglichkeit des Leh rers mit außerberuflichen Bewertun gen Eigentlich kann dies nleman< emsthaft wollen, Lehrer nichl Eltern noch weniger, auch politisch' Parteien nicht. Der Lehrer aus Be rufung, der in einer Zeit der Des Orientierung und Desintegration de intentionalen Erziehung durch stark funktionale Erziehungsmächte einei der wenigen stabilen Faktoren dar stellt, ist für das Gedeihen un< Funktionieren der Gesellschaft, fü die Bildung und Pflege eines gesun den Staats- und Nationalbewußt seins unentbehrlich, für den junge: Menschen, der zur Entfaltung seine Begabung geführt sein will, uner setzbar. Der Bezirksschulinspekto dürfte nicht zunächst als Funktionä einer politischen Partei, womöglic in seiner Arbeit primär ihr verant wortlich oder von, ihr gesteuert, ge sehen werden; vielmehr muß er zu allererst kollegialer Helfer des Leh rers und pädagogischer Berater sein.

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