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Schutz vor dem Fehltritt

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Die Unfälle in der Freizeit, beim Sport und im Haushalt steigen. Trotzdem mangelt es an vorbeugender Information.

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Die Unfälle in der Freizeit, beim Sport und im Haushalt steigen. Trotzdem mangelt es an vorbeugender Information.

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Immer mehr Menschen betreiben in ihrer Freizeit Sport. Das wäre eigentlich eine positive Nachricht. Rupert Kisser, Leiter des Institut „Sicher Leben“, einer Abteilung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit sieht das auch im Zusammenhang mit dem insgesamt gestiegenen Gesundheitsbewußtsein. Allerdings geschehen gerade in Sport und Freizeit auch immer mehr Unfälle (siehe Kasten unten).

„Es gibt nicht einen allgemeinen Trend zur höheren und leichtfertigeren Risikobereitschaft“, Kisser meint, das würde eher eine Gruppe von Menschen betreffen, die schon „normale“ Sportarten extrem betreiben. Auch wenn Rafting im Wasser oder Schnee, Paragliding oder Bungee-Jumping längst durch spektakuläre Unfälle Schlagzeilen gemacht hat, sind es eher Minderheiten, die diese betreiben.

KEINE „GEWALTLÄUFE“

Das ändert allerdings nichts daran, daß immer mehr untrainierte Menschen versuchen, ihrem Körper im Sport etwas Gutes zu tun. Beim Joggen beispielsweise werden „Gewaltläufe“ oder zu hohes Tempo gleich am Anfang vorgelegt, berichtet Universitätsprofessor Heinz Ertel, Direktor des Universitäts- Sportzentrums in Wien. Der Effekt dabei ist nicht nur ein Muskelkater, sondern auch sehr hohe Verletzungsgefahr. Kisser verweist darauf, daß Sportarten oft Modeerscheinungen sind, die wie das Unterhemd gewechselt werden.

Da immer mehr Menschen gleichzeitig Sport betreiben, wirkt sich auch stärker die kaum vorhandene Unfallverhütung aus. Kisser bringt für das oft anzutreffende Prinzip der Leichtfertigkeit zwei Beispiele: Beim Schifahren hat jede/r zweite eine falsch eingestellte Bindung. Nur eine Minderheit kennt die Pistenregeln und beim Wort „Auf wärmen“ nach langen, kalten Liftfahrten „wird eher an den Schnaps beim Einkehrschwung in der Schihütte gedacht.“

Auch am boomenden Fahrradmarkt gibt es viele schwarze Schafe: „Viele Bremsen sind in einem jämmerlichen Zustand“, so Kisser und auch der Rest des Rades würde der Straßenverkehrsordnung spotten. Der Radhelm ist ebenfalls eher lästiges Anhängsel, genauso wie Übungsfahrten in sicherem Gelände. Die meisten Unfälle geschehen - auch wenn manche Horrorberichte von Boulevardmedien anderes suggerieren wollen - nicht im Straßenverkehr, sondern in der Freizeit. Bei den jährlich 50.000 Unfällen fallen knapp die Hälfte auf Kinder, es ist wahrscheinlicher, auf der Donauinsel einen Unfall zu erleiden, als durch die angeblichen Rowdys am Ringradweg.

GEFAHREN IM HAUSHALT

Auch die Unfälle im Haushalt sind im Steigen begriffen. Die aktuelle Unfallstatistik des Institutes „Sicher Leben“ zeigt, daß vor allem ältere Menschen davon betroffen sind. „Wir wollen dabei nicht Gegenstände des Alltags mit überzogenen Ängsten verbinden“, betont Kisser. Für ältere Menschen werden gerade aber solche Dinge zu lebensbedrohlichen Fallen, wenn mehrere Komponenten wie schlechtes Licht, rutschige Teppiche, Tragen zu schwerer Gegenstände und ähnliches zusammenkommen. Wenn Tätigkeiten jahrelang auf eine bestimmte Weise durchgeführt werden, ist das Erkennen potentieller Gefahrenquellen besonders schwierig.

Die Lösung ist auch für Kisser nicht einfach die alten Menschen wegen ihrer „verminderten“ Bewegungsfähigkeit zu bedauern, sondern konkrete Informationen anzubieten. Es gibt einige Gefahrenquellen, die sehr leicht ausgeschaltet werden können, wenn man sich ihrer bewußt ist. Gerade für diese Information wird aber weder im Haushalt, noch im Freizeit-, oder Sportbereich investiert. Auch wenn Sicherheit für manche Branchen ein riesiges Geschäft wäre, „hat der ein besseres Image, der ein Kran kenhaus baut und nicht der, der Unfälle verhindert und es damit vielleicht überflüssig macht“, kommentiert Kisser.

Die Kosten allein im Gesundheitswesen für die Betreuung der Unfallopfer betragen etwa 15 Milliarden Schilling. Internationale Modelle zeigen, daß eine Reduktion bis um ein Drittel möglich ist. Das Volumen, das investiert werden kann, damit es sich noch rechnet, beträgt also bis zu fünf Milliarden. Kisser vermißt das Einlösen der Regierungsversprechen für die Ge-sundheitsförderung und die Prävention zu investieren.

Konkrete Möglichkeiten für diese Investitionen würden sich etwa in Werbekampagnen. bei Schipisten oder Radrouten bieten, „wo dann eben nicht nur für die neuesten Modelle, sondern für das Sicherheitsbewußtsein geworben wird“, meint Kisser.

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