7112824-1996_04_06.jpg
Digital In Arbeit

Schwarz und weiß an einem Tisch

Werbung
Werbung
Werbung

Tansania 1977, eines der ärmsten Länder der Erde. Präsident Nyerere möchte eine Gesellschaft aufbauen, die Wesenszüge und Elemente des Sozialismus, der bodenständigen „ujamaa" (Brüderlichkeit, etwa Dorffamilie, Nachbarschaftshilfe) und des Christentums vereinigt. Bischof Mwoleka sieht darin eine Chance für die afrikanische Kirche.

Er sucht in Europa Neuansätze für lebbares Christentum und stößt auf die Integrierte Gemeinde in München (seit 1985 als öffentlicher Verein kirchlich anerkannte apostolische Gemeinschaft, nun auch in Italien, Ungarn, USA vertreten). Er wohnt mit Mitgliedern zusammen, nimmtan ihrer Eucharistie teil, besichtigt die schulischen, medizinischen und wirtschaftlichen Einrichtungen. Er findet alle Elemente eines gemeinsamen Lebens im Vertrauen auf die Nähe Gottes verbunden.

Der Bischof ist sicher, daß sich in dieser Form eine große Hoffnung für die Weltkirche, konkret aber für seine Diözese Rulenge erfüllen kann. Die ursprünglich nur in Deutschland wirkende Gemeinde (mit Mitgliedern auch aus Osterreich) erfährt in dieser Begegnung ihre Berufung zu einer internationalen Aufgabe.

Schon 1978 kamen die ersten Tansanier nach Deutschland, um in der Gemeinde zu leben und auf einem Pachthof im Allgäu landwirtschaftliche und verwandte Berufe zu erlernen.

Es dauerte dann neun Jahre, bis die europäisch-afrikanische Integrierte Gemeinde in Tansania in Erscheinung treten konnte, und es war nicht Rulenge, wo sie sich einwurzelte, sondern die Diözese Morogoro mit ihrem Bischof Mkoba beziehungsweise dessen Nachfolger Bischof Mkude. 1987 wurde „Melela im Busch", eine ehemalige, verwilderte Sisal-Farm, gekauft.

Es war zu roden, Wasser zu erbohren, Strom einzuleiten. Es wurden Korn gemahlen und Gemüse gezogen, Bäume für Brennholz, Bauzwecke, Früchte, Schatten und zur Zierde gepflanzt, Öl gepreßt, sogar Wein gebaut und gekeltert.

Es wurden Kühe und Schweine gekauft und geschlachtet, Ziegen gehalten, Hühner gezüchtet, Butter und Käse erzeugt.

Die ersten Wohn- und Wirtschaftsgebäude wurden renoviert oder neu erbaut, Schule, Krankenstation, Kühlhaus, das meiste aus Fertigteilen, dem Klima angepaßt.

Der Ort Melela Porini (Melela im Busch) wurde zu Melela Bustani (Me-lela-Garten).

Schon bald fanden sich Leute aus der Umgebung ein, um zu schauen, zu fragen, als Gäste mitzuleben, als Mitglieder einzutreten, sich in den verschiedensten Berufen und in Haushalt und Hygiene ausbilden zu lassen. Melela versorgt seine Bewohner, verkauft seine Produkte im nahen Morogoro, wo seit einigen Monaten auch ein Lebensmittelladen und eine Konditorei betrieben werden. Jugendliche aus Integrierten Gemeinden in Deutschland helfen in Sommercamps bei allen möglichen Arbeiten. Die tansanische Begierung ist positiv eingestellt.

Wer sich mit Entwicklungshilfe beschäftigt, wird Elemente von Nachhaltigkeit, standortgerechter Bodennutzung, regionaler Direktvermarktung, Hilfe zur Selbsthilfe erkennen. Ja, man hat aus den Erfahrungen anderer gelernt. Man benötigt und erhält finanzielle und andere materielle Unterstützung. Aber hier geht es nicht um kurzfristige ökonomische, berufsbildende, humanitäre oder emanzipatorische Projekte, sondern um dauerhaften Aufbau einer gemischten Wirtschaft mit Schaffung neuer Arbeitsplätze, Erweiterung von Berufsaussichten, höherer Lebensqualität.

Und es geht um Glauben. Wer aber deshalb Mission im alten Sinn vermutet, wo in bester Absicht die einen die anderen belehrten, anleiteten und versorgten, dabei aber sozusagen in getrennten Welten blieben, entdeckt stattdessen ein inniges Miteinander von Afrikanern und Europäern.

Die derzeit etwa 60 tansanischen und 30 europäischen Gemeindemitglieder legen gemeinsam Hand an, drücken sich vor keiner Arbeit, essen das gleiche, beten, singen, tanzen miteinander, ordnen alles dem Aufbau der Gemeinde unter. So etwas hatte der Apostolische Pro-Nuntius Mar-chetto (Besuch 1992) noch nicht gesehen.

Inkulturation des Evangeliums ist in Melela nicht vordergründig Umsetzung von Glaubenslehre mittels einheimischer Gestaltungselemente (die für junge Afrikaner vielfach ohnedies nur mehr Folklore sind), sondern InBeziehung-Setzen eigener mit biblischer Geschichte im Nachvollzug der Erfahrungen des jüdisch-christlichen Gottesvolkes, sodaß die Verschiedenheit der Hautfarbe, die Herkunft aus verschiedenen Stämmen, das Dasein in einer nicht christlich geprägten Umwelt einen tieferen Sinn erhalten.

Die Eltern eines tansanischen Mädchens, das sich der Gemeinde angeschlossen hat, schreiben von der Hoffnung, „daß Ihr gut lebt, indem Ihr gemeinsam betet, zusammenarbeitet, wie Brüder und Schwestern lebt und das Volk Gottes aufbaut, wie unsere Väter es getan haben" (gemeint sind Abraham und Jakob).

Die Integrierte Gemeinde betreibt inzwischen auch zwei pfarrliche Einrichtungen der Diözese Morogoro, hat im nahen Mikese eine Kirche gebaut; vier Häuser in Morogoro stehen für Gemeindemitglieder und Gäste zur

Verfügung, und in Dar-es-Salaam ist ein weiterer Stützpunkt entstanden. Dort soll bald auch ein neues Haus mit einem Geschäft geplant werden, damit die in Melela gesteigerte Produktion vermarktet werden kann. Mit einem Kühltransporter, der angeschafft werden muß, sollen die Produkte irt die Großstadt gelangen.

In Wien wurde kürzlich ein Verein gegründet, der sich die Förderung von Melela Bustani (und allfälligen weiteren europäisch-afrikanischen Integrierten Gemeinden) zum Ziel gesetzt hat. Informationsmaterial, Bilder und Augenzeugen sind verfügbar (Kontakt: Gesellschaft zur Förderung von Afrikanern - Melela Bustani, A-1238 Wien, Meyrinkgasse 6/4).

Der Autor ist

freier Publizist in Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung