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Schwerpunkt: Gemeindekirche

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Die Eisenstädter Diözesansynode hat sowohl eine spirituelle als auch eine strukturelle Komponente. Es geht dabei einerseits um die Erneuerung der Glaubensgesinnung und der Glaubenshaltung und anderseits um eine Verbesserung des derzeitigen kirchlichen Instrumentariums auf Diözesan-, Dekanats- und Pfarrebene.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat den katholischen Christen des Erdkreises ein neues Kirchenbild („Kirche ist Volk Gottes“) vor Augen gestellt, das Bewußtsein der Geschichtlichkeit der Kirche vertieft und auf Grund der biblischen Besinnung in Erinnerung gerufen, daß sich die Kirche am Ort in der Erscheinungsform einer Gemeinde ereignet und in der Gemeinde konkretisiert. Dieses Kirchenbild negiert nicht das institutionelle Element im Gemeinschaftsleben, sondern will einen Jahrhunderte hindurch verdrängten oder wenig beachteten Aspekt in der Bewußtseins- und Verfassungsstruktur der Kirche zur Geltung bringen. Wenn nun die Kirche mehr als Volk Gottes, somit als Summe von Gemeinden und Teilkirchen begriffen wird, drängt sich automatisch der Gedanke auf, daß einer solchen Kirche auf allen Ebenen ihrer Verfassung und ihres Handelns eher eine föderative als zentralistische Führungsstruktur angemessen ist. In diesem Sinn will die Diözesansynode durch die diözesanrechtliche Verankerung von Mitbestimmungsund Beratungsgremien einen Beitrag zur Einführung kollegialer Führungsstrukturen in der burgenländischen Kirche leisten. Freilich müssen in diesem Zusammenhang noch Erfahrungen gesammelt und Experimente gemacht werden. Erst dann können provisorische Statuten für den Pfarrgemeinderat, den Dekanatsrat und für den vom Konzil vorgeschlagenen diözesanen Pastoralrat erlassen werden. Wenn man davon ausgeht, daß die Kirche Volk Gottes ist, das in seinen Gemeinden der Welt entgegentritt, in seinen Gemeinden „Salz der Erde“, „Sauerteig“ und „Licht der Welt“ sein und den Menschen und der Welt einen Dienst erweisen soll, dann folgt daraus die Notwendigkeit, die traditionellen Formen der kirchlichen Pastoral, der Gemeindebildung, der Verkündigung zu ändern. Es wird nämlich immer deutlicher, daß mit den bisherigen Formen der Pastoral immer weniger Christen zum Glauben gebracht werden können. Ferner wird immer offenkundiger, daß das Gemeindeleben auf Grund der bisherigen pastoralen Praxis für den modernen Menschen zuwenig attraktiv ist und der neuen sozio-kulturellen Situation der Gegenwart nicht Rechnung trägt.

Daraus ergibt sich, daß sich eine Synode, die allen Ernstes die Erneuerung des herkömmlichen kirchlichen Lebens anstrebt, eine Reform der Seelsorge in ihr Erneuerungsprogramm hineinnehmen muß. Dabei ist zunächst eine neue Grundkonzeption für die Seelsorge notwendig. Darüber hinaus müssen in verschiedenen Spezialbereichen der Seelsorge zeitgemäße Pastoralmodelle ausprobiert und neue Methoden angewendet werden.

Daher wird sich die Synode mit mehreren Entwürfen zu befassen haben, in denen es um ein neues Pastoralkonzept der katholischen Kirche im Burgenland und um wichtige Schwerpunkte der pastoralen Arbeit im nächsten Jahrzehnt geht. Im Grundkonzept sollen die Grundtendenzen und Grundlinien der gesamten Seelsorgearbeit auf Diözesan-, Dekanats- und Pfarrebene dargelegt werden. Die anderen fünf Vorlagen greifen Spezialbereiche der Pastoralreform auf. Die Vorlage „Teamarbeit und Regionalpastoral“ versucht Wege zu einer Öffnung und Regionalisierung der traditionellen territorialorien-tierten Pfarrpastoral zu zeigen. Diese Regionalpastoral soll zunächst auf dem Sektor der Jugendseelsorge und der Jugendarbeit versucht und in verschiedenen Modellen konkretisiert werden.

Eine neue und vernünftige Pastoralpolitik der Kirche ist gegenüber den sogenannten Fernstehenden notwendig. Mit ihnen wird sich eine eigene Pastoralvorlage befassen. Da im heutigen Katholizismus die Formen der religiös-kirchlichen Bindung weit auseinandergehen, wäre es falsch, Katholiken, die nur gelegentlich am Gemeindeleben teilnehmen oder nur zu bestimmten Anlässen das Pastoralservice der Kirche in Anspruch nehmen, als )rAb-trünnige“ oder als von Christus Fernstehende einzustufen. Einleitend wurde darauf hingewiesen, daß die Synode Impulse für eine Mentalitätsänderung sowohl beim Klerus als auch bei den Laien der burgenländischen Kirche geben möchte. Der Appell zum Umdenken darf aber nicht bloß im Rahmen der synodalen Arbeit erhoben werden. Er muß ständiges Anliegen der Verkündigung der Kirche sein. Diesem Problem sind bei der Synode zwei Vorlagen gewidmet, und zwar die Vorlage, die sich mit der Predigt, und die Vorlage, die sich mit der Erwachsenenbildung befaßt. Die Vorlage Erwachsenenbildung wird noch in der ersten Session behandelt werden. Auf die Tagesordnung einer zweiten Session der Synode wird die Vorlage predigt“ gesetzt werden. Da in der Gegenwart durch den Trend zur Großgesellschaft die dörfliche Kleingesellschaft im Vergleich zu den früheren Jahrhunderten an Bedeutung und Einfluß für den Menschen verliert und durch die Regionalisierung unseres Kultur-, Wirtschafts- und Freizeitlebens der Mensch der Lokalgemeinde immer mehr entzogen wird, gewinnt die Familie als personal geprägte Lebensgemeinschaft für das Glaubensleben immer mehr Bedeutung. Konnte sich die Kirche in den vergangenen Jahrhunderten auf Grund der überschaubaren dörflichen Kleingesellschaft und einer eigenständigen christlichen Familienkultur eine spezialisierte Familienpastoral ersparen, so muß sie heute immer mehr die Familie als die Ausgangsbasis und die Grundform christlichen Glaubens- und Gemeindelebens erkennen und dieser Tatsache in ihrer pastoralen Arbeit Rechnung tragen. Alle Probleme, die sich aus der Tatsache ergeben, daß die Kirche primär als Brudergemeinde und als Impulsstelle der Nächstenliebe von ihrem Stifter gedacht ist, sollen in der 2. Session behandelt werden. Auch das Anliegen der Missions- und Entwicklungshilfe wird in diesem Zusammenhang aufgegriffen werden.

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