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Seelsorge im Umbruch

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Wenn Neuland entdeckt wurde, folgte schon immer der Missionar dem Eroberer. Der moderne Mensch ist in eine neue Welt vorgestoßen. Fast ein Jahrhundert lang war der technische Fortschritt im Volk von der herkömmlichen Lebensanschauung begleitet, bis in unseren Jahrzehnten die Entwicklung sich von der Tradition ablöste. Nun heißt es für den Seelsorger, dem Vorstürmer ins Neuland zu folgen. Es gilt für ihn, nicht nur den Samen der Botschaft, sondern den Acker, die Umwelt zu studieren und aus dieser Bestandaufnahme die notwendigen Folgerungen zu ziehen.

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Wenn Neuland entdeckt wurde, folgte schon immer der Missionar dem Eroberer. Der moderne Mensch ist in eine neue Welt vorgestoßen. Fast ein Jahrhundert lang war der technische Fortschritt im Volk von der herkömmlichen Lebensanschauung begleitet, bis in unseren Jahrzehnten die Entwicklung sich von der Tradition ablöste. Nun heißt es für den Seelsorger, dem Vorstürmer ins Neuland zu folgen. Es gilt für ihn, nicht nur den Samen der Botschaft, sondern den Acker, die Umwelt zu studieren und aus dieser Bestandaufnahme die notwendigen Folgerungen zu ziehen.

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Die Entwicklungen, wie sie im folgenden in einigen Strichen angedeutet werden, sind ohne Zweifel nicht nur im Burgenland gegeben. Sie vollziehen sich aber hier in einer besonderen Intensität und müssen um so mehr beachtet werden, damit die Seelsorgearbeit nicht durch Versäumnisse vollends ins Hintertreffen gerät.

• Ein besonderes Merkmal der Entwicklung im Burgenland ist der Übergang von der Siedlungsstruktur des kleinen Dorfes zu großen Ballungszentren. Die entlegenen Klein-und Kleinstgemeinden entvölkern sich immer mehr, die Orte an der Nord-Süd-Verbindung wachsen rasch an. Die Zahl der Tagespendler, von den Schülern angefangen, ist in raschem Zunehmen begriffen. So lebt der Burgenländer zunehmend nicht mehr in der Territorialgemeinde, er wächst darüber hinaus und lebt in größeren Räumen Dieser Entwicklung muß auch die Seelsorge Rechnung tragen. Nachdem dies bereits seitens des Landes in bezug auf die Gemeindestrukturen geschehen ist, muß nun auch eine Neuordnung der Pfarrstrukturen ins Auge gefaßt werden, es sind Überlegungen im Hinblick auf eine Seelsorge in größeren Räumen anzustellen, die Errichtung regionaler Bildungszentren ist ins Auge zu fassen, dort wo kleine Pfarren den Anforderungen nicht mehr gerecht werden können, muß in größeren Einheiten gearbeitet werden.

• Weiters gilt es zu beachten, daß in unserer Heimat ein intensiver Trend zur Bildungsgesellschaft vorherrscht. Während es vor 20 Jahren nur drei Mittelschulen im Burgenland gab, besteht heute in jedem Bezirk mindestens eine allgemeinbildende höhere Schule. Während es in den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg nur wenige Studenten in unseren Dörfern gab, drängt heute die Jugend zu den höheren Schulen und den Fachschulen. Aber auch die Erwachsenen spüren, daß vor Jahrzehnten erworbenes Wissen nicht mehr dem Stand der Zeit entspricht. Aus diesem Bedürfnis entstanden die Burgenländischen Volkshochschulen. So ist vorauszusehen, daß sich in der Mentalität unserer Gemeinden in den nächsten Jahren eine starke Veränderung vollziehen wird.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die Kirche unseres Landes in ihrer Sorge um das Heil der Menschen diese Entwicklung beachten muß. Sie wird darum besorgt sein müssen, daß allmählich in den Pfarrgemeinden ein geistiges Klima entstehen muß, in dem sich auch Gebildete wohlfühlen können. Es wird zu bedenken sein, daß an die Predigt neue, größere Ansprüche gestellt werden. Die Glaubensbildung für Erwachsene, die Beschäftigung der Erwachsenen mit theologischen Fragen wird einen breiten Raum einnehmen müssen, die Bildungswerke werden ein Angebot zu schaffen haben, mit dem der Mensch von heute auch die Fragen des Glaubens in sein neues Weltbild einordnen kann.

• Es ist festzustellen daß sich das demokratische Denken im Volke immer mehr durchsetzt. Die Autorität wird nicht mehr widerspruchslos anerkannt In vielen Bereichen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens ist dem Staatsbürger eine oft große Last von Mitverantwortung übertragen. Der hierarchisch aufgebauten Kirche erwächst in dieser Hinsicht eine große Aufgabe, von deren Lösung für die Seelsorge der Zukunft sehr viel abhängen wird Bei aller Bewahrung ihres eigenen Strukturmodells wird sie doch Wege finden müssen, um dem „Laien“, den Nichtkleriker soweit in die Erfüllung ihres Heilsauftrages zu integrieren, daß er selbständig oder partnerschaftlich mit dem Bischof und den Priestern seinen Auftrag in der Kirche wahrnehmen kann. Konkret bedeutet dies, daß statt eines „Ein-Mann-Betriebes“ in den Pfarren eine gremiale Arbeitsweise gefunden werden muß, wobei mit dem Pfarrer auch dazu befähigte Laien bei der Leitung der Pfarre mittätig sind. Ebenso wird es auch auf diözesaner Ebene ein Gremium geben müssen, von dem für die gesamte Heilssorge der diözesanen Kirche wieder neue Impulse ausgehen müssen. Hier sind gerade vom letzten Konzil mit seiner Betonung der Kollegialität wichtige Richtlinien gegeben worden. Die Diözesansynode mit der völlig gleichberechtigten Beteiligung der Laien ist bereits eine erste Frucht in dieser Hinsicht. Es ist zu hoffen, daß sich dieser partnerschaftliche, demokratische Zug in einem gesunden Ausmaß immer mehr auch in unserer diözesanen Kirche durchsetzt und damit das vielfach noch nicht ausgeschöpfte wertvolle Pontential der Laien in der künftigen Entwicklung unserer Diözese noch mehr als bisher zum Tragen kommt.

• Schließlich sei noch auf einige dringende seelsorgliche Aufgaben hingewiesen, die sich aus der Entwicklung unseres Landes ergeben haben. Es ist dies zuerst die Pendlerfrage. 15.000 Burgenländer pendeln jede Woche nach Wien, jeder zweite berufstätige jugendliche Burgenländer ist ein Pendler. Diese Menschen, die zu einem großen Teil noch die ganze Arbeitswoche in der Großstadt verbringen, brauchen eine seelsorgliche Betreuung. Ein erster Anfang wurde in diesem Zusammenhang bereits durch die Errichtung eines Seelsorgezentrums in Wien gesetzt. Es wird darum gehen, dieses Anliegen, das von Jahr zu Jahr dringender wird, immer mehr zu sehen und vor allem in personeller Hinsicht die notwendigen Voraussetzungen für eine wirksame Seelsorge an den Burgenländern in Wien zu schaffen.

Ein weiteres Anliegen sind die Betriebe im Burgenland. In den letzten zehn Jahren sind rund 120 solcher Betriebe entstanden. Sie haben das Gesicht des Ortes, in dem sie errichtet wurden, vielfach auch in geistiger Hinsicht verändert. Hier wird es darum gehen, daß sich die Seelsorger der betreffenden Orte mit diesem neuen Milieu vertraut machen, es wird sich auch immer mehr die Notwendigkeit der Spezialisierung auf diese Aufgabe ergeben.

Ähnlich ist es auch mit dem Fremdenverkehr, der in unserem Lande rasche Fortschritte macht. Er ist für die Seelsorge nicht nur eine neue Aufgabe, sondern auch eine Chance, die es wahrzunehmen gilt. Die Anliegen der Seelsorge reichen auf diesem Sektor von der Notwendigkeit der Spezialisierung bis zu einem vielfältigen Angebot, das auch von selten der Kirche dem Gast in unserem Lande entgegengebracht werden muß. Diese weithin unvollständige Aufzählung einiger seelsorglicher Anliegen zeigt, wie groß die Aufgaben sind, die der Diözesan-kirche und den einzelnen Pfarngemeinden an der Schwelle des zweiten Jahrzehnts des Bestandes unserer Diözese gestellt sind. Es bleibt zu hoffen, daß die Diözesansynode auch in dieser Hinsicht viele neue Anstöße gibt, damit die Kirche unseres Landes ihren Heilsauftrag in dieser gewandelten Situation in zeitgemäßer Weise erfüllen kann.

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