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Sind die Beamten ein überholter Stand besonders Privilegierter?

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Ein Drittel des Budgets geht in die Personalkosten Anläßlich der Besoldungsreform daher die Frage: Gibt es zu viele Beamte, fressen sie den Staat arm?

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Ein Drittel des Budgets geht in die Personalkosten Anläßlich der Besoldungsreform daher die Frage: Gibt es zu viele Beamte, fressen sie den Staat arm?

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Mit den Beamten ist es überhaupt so eine Sache. Jeder halbwegs aufmerksame Medienkonsument weiß, daß es sich dabei um arbeitsunwillige Schläfer handelt, deren Tätigkeit nur im Verkomplizieren von einfachen Abläufen besteht. Es ist ihnen gelungen, eine Unzahl von Privilegien zu erlangen. So brauchen sie nahezu nichts zu arbeiten und der Arbeitsplatz ist ihnen auf ewige Zeit gesichert… Zu guter Letzt gehen die Beamten frühzeitig in Pension und erhalten ohne Höchtbemessungsgrundlage 80 Prozent ihres Letztbezuges. Gelänge es, die Beamten beziehungsweise den Beamtenstatus zu beseitigen, so wäre schon damit der wesentliche Schritt zu einer leistungsorientierten, modernen und sparsamen Verwaltung getan. Viele befürchten, daß die Besoldungsreform dieses Ziel verfolgt.

Ein Vergleich der Lbensver-dienstsummen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst unter Berücksichtigung der durchschnittlich höheren Bildungsanforderungen im öffenthchen Dienst sowie das Fehlen einer generellen Abfertigungsregelung zeigt da schon ein anderes Bild.

Was unterscheidet nun einen Beamten von anderen im öffentlichen Dienst tätigen Personen? Wer sind diese anderen, ebenfalls im öffentlichen Dienst stehenden Organwalter?

Artikel 20 des Bundesverfassungs-gesetzes 1920 unterscheidet zwischen berufsmäßig ernannten Beamten, die nicht auf Zeit bestellt sind, und politisch legitimierten Organwal-tern^ die auf Zeit gewählt werden. Daneben gibt es im wesentlichen in nahezu allen Verwendungen eine hohe Zahl von Verttagsbediensteten, die auf einem Dienstverhältnis beruht und die sozialversicherungsrechtlich dem ASVG unterliegen.

Verwaltungsbereiche, die dem Staatsbürger gegenüber im besonderen Maße mit Hoheitsgewalt aufzutreten haben, wie die Exekutive und Richter, sind so wie Leitungsfunktionen bisher dem Beamten vorbehalten geblieben.

Die für den sozialen Rechtsstaat entscheidende. Gesetzmäßigkeit bei der Führung der Verwaltung erfordert neben den auf Zeit gewählten Organen, die in diesem System das dynamische Element darstellen, also Berufsbeamte. Durch deren zeitlich nicht begrenzten, nach den Kriterien des Fachwissens erfolgendem Einsatz soll die Kontinuität, Rechtmäßigkeit und Stabilität der Verwaltung gesichert werden. Dem Berufsbeamten kommt gegenüber den wechselnden politischen Kräften eine ausgleichende und erhaltende Funktion zu. Die Garantie der Berufsstellung soll insbesondere den Vorrang rechtsstaatlicher Legalität vor dem ansonst zu befürchtenden Opportunismus ermöglichen.

In vielen Bereichen des täglichen Lebens kann jeder von uns feststellen, welche Bedeutung geschlossenen Regelkreisen zukommt. In den Abläufen menschlichen Handelns -gleich in welchem Bereich - sind meist folgende Phasen erkennbar: Planung, Entscheidung, Verwirklichung und sinnvollerweise Kontrolle, (auch in Form eines sich selbst Rechenschaft geben). Oft muß menschliches Handeln sehr rasch erfolgen, wie beispielsweise die Entscheidung eines Autolenkers in einer schwierigen Situation.

KONTROLLE ERFORDERT ZEIT

In anderen Bereichen, wo es etwa darum geht, Verhaltensweisen von Menschen zu regeln oder zu beeinflussen, bedarf es zur Realisierung wesentlich längerer Zeit. Die Erlassung einer Norm allein genügt dafür nicht. Der Inhalt dieser muß den mit der Vollziehung betrauten Organen und auch den Personen, auf deren Handeln sie sich bezieht, zumindest ansatzweise bekannt sein. Es bedarf also einer nicht zu gering anzusetzenden Zeit, um im Rahmen einer Kontrolle überhaupt beurteilen zu können, ob die geplanten Ziele, für die entschieden worden ist, mit den gesetzten Maßnahmen auch tatsäcmich realisiert werden konnten beziehungsweise wieso nicht.

Die heutige Rechtsentwicklung überstürzt sich. Die oft durch unsachliche Kritik in den Medien getriebenen Politiker bewirken eine übertriebene Dynamik der Gesetzgebung. So kommt es zu Änderungen, bevor noch der Vollzug einer Norm wirklich zu greifen begonnen hat. Dadurch wird aber das Steuerungsmittel Gesetz überhaupt in Frage gestellt. (Ein zunehmender Unmut vor der unübersehbaren Gesetzesflut ist allgemein bemerkbar.)

Diejenigen, die eine Norm zu erlassen haben (das sind nicht nur die Abgeordneten im Parlament, sondern insbesondere auch die jeweiligen Fachminister mit ihrem Mitarbeiterstab), komirien im Hinblick auf die laufenden Änderungen nicht dazu, den Erfolg ihrer Planungen beziehungsweise Entscheidungen selbst überprüfen zu können, weil sie entweder schon wieder an einer Neuregelung arbeiten oder gar nicht mehr diese Funktion innehaben. Sogar fachlich qualifizierte Abgeordnete im zuständigen Ausschuß gestehen ein, daß sie beschlossene Gesetze nicht hinreichend gelesen haben. Würden die Gesetzesvorlagen, wie die wörtliche Auslegung des Begriffes „Lesung" im Bundesverfassungsgesetz indiziert, tatsächlich dreimal vorgelesen werden, könnte das Parlament, selbst wenn es in Permanenz tagen würde, nicht den derzeitigen Ausstoß an Gesetzen erreichen.

Eine weitere Destabilisierung dieses Systems ist auf der Vollzugsebene durch die noch in dieser Legislaturperiode zur Beschlußfassung vorgesehene Besoldungsreform zu befürchten. Unter der politisch erklärten Zielvorstellung einer leistungsgerechten Besoldung, der Erhöhung der Mobilität und der Beseitigung überholter Privilegien soll unter anderem die Besetzung einflußreicherer Beamtenposten in Zukunft nur durch befristete Ernennung auf fünf Jahre erfolgen. Das bedeutet, daß nicht nur die politische Spitze wechselt, sondern auch bei den unter der Leitung der obersten Organe und darunter tätig werdenden Führangs-kräften keine Kontinuität mehr besteht.

ERFAHRUNG ENTSCHEIDET

Die Kompliziertheit von Regelungen verlangt aber ~ wenn schon nicht vom politischen Organwalter, so doch vom Beamten, und zwar auch von Beamten, die auf Leitungsebene eingesetzt sind, ein hohes Fachwissen, das meist nur durch Erfahrung erworben werden kann. Das Anforderungsprofil eines Spitzenbeamten ist nicht das eines Managers, der in beliebigen Sparten eingesetzt werden kann.

Für die Bewertung der Richtigkeit seines Handelns stehen nämlich keine Bilanzen oder dergleichen zur Verfügung; es kann auf Fachwissen nicht verzichtet werden. Auf Zeit ernannte Funktionsträger, die dem Gedanken der Mobilität verhaftet aus einem anderen Verwendungsbereich kommen, mit einer Funktion betraut werden, müssen praktisch die ersten Jahre ihrer Tätigkeit dazu nützen, sich das erst für die richtige Ausübung ihrer Funktion erforderliche Fachwissen beziehungsweise die

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