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„Sitzen nicht auf Lehrstühlen”

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Mit der Präsentation eines „Grundtextes” hat Bischof Johann Weber den „Dialog für Osterreich” am Montag offiziell eröffnet.

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Mit der Präsentation eines „Grundtextes” hat Bischof Johann Weber den „Dialog für Osterreich” am Montag offiziell eröffnet.

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Alle gesellschaftlichen Kräfte und Gruppierungen seien zu einem Gespräch über die wesentlichen Fragen in Kirche und Gesell-' schaft eingeladen, sagte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, der Grazer Diözesanbi-schof Johann Weber. Die Kirche wolle, so Weber, bei diesem Dia log „nicht auf Lehrstühlen sitzen”, sondern in einem Auditorium verschiedenste Strö mungen innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche zu Wort kommen lassen. An die Adresse von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und an die anderen Kirchen richtete Weber die Einladung, in einem offenen Prozeß mitzudenken. Innerkirchliche Gruppen aller Art forderte er auf, sich nicht von der Welt abzukapseln: „Treffen wir uns nicht immer nur im Pfarrheim, sondern auch in nichtkirchlichen Bäumen.”

Für den Dialog zwischen Kirche und Gesellschaft stellt die Österreichische Bischofskonferenz einen Text zur Verfügung, der als Basis für die öffentliche Diskussion dienen soll. Verfasser dieses „Grundtextes” ist eine Arbeitsgruppe unter Leitung des neuen steirischen Pastoralamtsleiters Heinrich Schnuderl. Auf 44 Seiten finden sich hier unter der großen Überschrift „Dein Beich komme” Anregungen und Impulse für das Gespräch von „Pfarrgemeinderäten, apostolischen Gruppen, öffentlichen Körperschaften und Verbänden, Einzelpersonen und Gemeinschaften”.

Der Grundtext selbst ist in drei Hauptteile gegliedert, die jeweils mit einer grundsätzlichen Frage überschrieben sind: „Wen verkünden wir?”, „Wie verkünden wir?” und „Wem verkünden wir?” Jedes einzelne

Kapitel versucht eine Annäherung an diese Themen, indem es die Fragestellung knapp skizziert und passende Quellen aus Schrift und Tradition bzw. auch theologische Aussagen zitiert, die als Grundlage für eine kurze Darstellung der Position der Kirche dienen. Den Abschluß bildet jeweils ein Fragenkomplex, der als Denkanstoß dienen soll.

Im ersten Teil stehen die zentralen Inhalte des christlichen Glaubens im Vordergrund: Das Bekenntnis zu Jesus Christus, der Glaube an einen persönlichen Gott, aber auch das christliche Menschenbild und die Botschaft Jesu von der erlösenden und versöhnenden Kraft des Reiches Gottes.

Themen zur Erneuerung der Kirche finden sich im zweiten Teil. Nüchterne Zahlen und Fakten über Kirchenaustritte und Gottesdienstbesuch lassen erkennen, daß die Bischöfe sich der schwierigen kirchlichen Situation bewußt sind. Kirche muß in ihrer Verkündigung der Zeit Bech-nung tragen, indem sie durchaus selbstkritisch ihre Formen der Verkündigung überprüft. Dabei stellt der Grundtext sowohl die Feier der Liturgie als auch die Arbeit der Caritas in den Mittelpunkt. Ein klares Ja zur Ökumene wie auch ein Aufruf zur Toleranz gegenüber anderen Religonen sollen den Dialog mit anderen Glaubensgemeinschaften ermöglichen.

Schließlich werden im dritten Teil aktuelle „heiße Eisen” angepackt -Gerechtigkeit und wirtschaftliche Globalisierung, Arbeit und Solidarität. Der Wert des Sonntags wird ebenso diskutiert wie die Stellung der Familie, das weltweite Bemühen um Frieden und Gerechtigkeit ebenso wie das Phänomen der neuen Armut in Österreich.

Rückmeldungen und Vorschläge aller Art, die aus der öffentlichen Diskussion über diese Themen erwachsen, werden bis Ende Mai 1998 in einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Weihbischof Alois Schwarz gesammelt. Er ist mit der Einrichtung eines „Zentrums Dialog 98” in Wien beauftragt. Zusätzliche Anregungen liefert die „Gösinger lagung”, die im Vorfeld der Mariazeller „Wallfahrt der Vielfalt” stattgefunden hat, und eine Serie von weiteren bis 1998 noch geplanten Fachtagungen. So sind etwa im Rahmen dieser Veranstaltungen Gespräche mit allen Parteien Österreichs geplant.

Der gesamte Prozeß des Dialogs soll schließlich in den „Delegiertentag” münden, der vom 23.-26. Oktober 1998 im Salzburger Bildungshaus St. Virgil stattfinden wird. Dort werden Teilnehmer aus allen Diözesen, aber auch aus gesamtösterreichischen Gremien vertreten sein. Dieser Tag soll eine erste Etappe auf einem Weg des Miteinanders sein.

„Es ist viel schiefgegangen in letzter Zeit”, räumte Bischof Weber ein. Die Kirche müsse wieder „katholisch”, das heißt umfassend und weit sein, damit die verschiedensten Strömungen in ihr Platz hätten. „Wir bitten Gott um seinen Geist, daß wir Katholiken in Österreich nach einer Zeit der Ermüdung und Uneinigkeit wieder Kraft und Mut gewinnen, mit Christus weiterzugehen und unsere Zeitgenossen zum Glauben und zur Kirche einzuladen. Wir bitten auch Sie, in ein Gespräch einzutreten und unsere Sorge für Österreich zu teilen.”

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