Sorge um verstimmte Eltern und Lehrer

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SP-Bildungsministerin Claudia Schmied rückt in einer neuen Kampagne die Bedeutung der Bildung anhand prominenter Österreicher ins Blickfeld. Doch abseits rockiger Songs für die Bildung ringt Schmied mit der ÖVP darum, dem großen Interesse für die gemeinsame Schule nachzukommen.

Anfang der Woche gab es für Bildungsministerin Claudia Schmied noch Grund zum Feiern: Sie startete am Montag feierlich die neue Kampagne „Bildungsreform für Österreich“, für die Sängerin Christina Stürmer einen Song beisteuert: eine fetzige und gendergerechte Version der Bundeshymne „Heimat bist du großer Söhne und Töchter.“ Im Video zum Song werden Kinderfotos zahlreicher prominenter Österreicher und Österreicherinnen gezeigt, von Mozart über Kreisky bis eben Christina Stürmer. Mit der Kampagne soll die Bevölkerung darauf aufmerksam gemacht werden, wie wichtig Bildung und die Investition in die Zukunft der Kinder sei.

Doch schon am Mittwoch hat man Ministerin Schmied vermutlich genau an diesen Slogan erinnert. Sie wurde in Tirol erwartet. Wenn es nach den Wünschen der Tiroler Bildungslandesrätin Beate Palfrader geht – hat Schmied eines im Gepäck mit dabei haben sollen: eine Lösung für das noch ungelöste Problem „neue Neue Mittelschulen“. Ergebnisse der Gespräche in Tirol lagen bis Redaktionsschluss noch nicht vor.

Enormer Andrang

Denn der Andrang an den Modellversuch einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen ist so groß, dass aufgrund der gesetzlichen Grenze von zehn Prozent aller Schulen zahlreiche Anträge für das kommende Schuljahr zunächst abgelehnt werden mussten: Von 143 Anträgen konnten nur ca. 60 zum Zug kommen. Für Tirol konnten nur 20 von 51 Anträgen grünes Licht aus Wien bekommen.

Für Palfrader inakzeptabel. Ministerin Schmied habe ihr Mitte 2009 zugesagt, dass zumindest 40 Standorte am Modellversuch teilnehmen könnten, letztlich wollten 51 Schulen zur Neuen Mittelschule werden (alles Hauptschulen). Die Schulen hätten sich intensiv auf den Schulversuch vorbereitet, sagt Palfrader, an manchen Standorten hätten alle Lehrer, Schüler und Eltern zugestimmt. Es müssten daher wenigstens die 40 Standorte genehmigt werden. Auch in Oberösterreich herrscht Ärger: Nur 20 der 55 beantragten Standorte haben bisher eine Zusage. Kärnten ist ebenso betroffen.

Und die Zeit rennt: Eltern müssen ihre Kinder bald in den Schulen anmelden. Daher will Ministerin Schmied bis spätestens Freitag eine politische Lösung für das Problem. Schmied würde am liebsten die Zehn-Prozent-Grenze für Schulversuche auf 20 Prozent anheben, um ihr Prestigeprojekt voranzutreiben. Doch die ÖVP sagt Nein, wenn auch nicht ohne „Aber“. Außenminister und ÖAAB-Chef Michael Spindelegger hatte in der ORF-Pressestunde am Sonntag angekündigt, zwar gegen eine Ausweitung der Zehn-Prozent-Grenze zu sein, aber offen für Gespräche mit der Bildungsministerin, um für die betroffenen Schulstandorte Lösungen für jeden Einzelfall zu finden. Nur wie sollen diese konkret ausschauen?

Auch im Bildungsressort hatten dessen Fachleute zunächst keine Idee, wie es aus Schmieds Büro lautete. Am Dienstag wollte Ministerin Schmied mit Spindelegger darüber sprechen, wie sich der Chef des ÖVP-Arbeitnehmerbundes diese Einzellösungen vorstellen könnte. Ein Sprecher Spindeleggers spielt aber den Ball zurück: „Es ist Aufgabe der Bildungsministerin, darzulegen, wie diese Einzellösungen konkret ausschauen könnten. Es wurde bekundet, dass wir offen sind für Lösungen von Fall zu Fall,“ so Thomas Schmid, Sprecher des Ministers.

Spindelegger hatte zudem betont, dass erst die Evaluierung des Schulversuchs abgewartet werden müsse. Diese soll frühestens 2012 erfolgen. Spindelegger gestand zu, dass die Neue Mittelschule Positives gebracht habe, Hauptschulen seien modernisiert worden. In den Ballungsräumen aber sei die Neue Mittelschule weniger erfolgreich. Hier bräuchte es ein Gesamtkonzept. Doch innerhalb der ÖVP sind nicht alle mit Spindeleggers Vorschlag vollends einverstanden. Bildungssprecher Werner Amon meint: „Die Bildungsministerin wird diese Einzellösungen gut begründen müssen.“ Amon verweist auf das Regierungsübereinkommen, das die Evaluierung des Modellversuchs Neue Mittelschule für 2012 vorsieht, also wenn vier Jahre durchlaufen wurden. „Eine beliebige Ausweitung entspricht nicht den Vereinbarungen.“

Diese Meinung stößt bei Bildungsexperten Bernd Schilcher auf Unverständnis: Schilcher hält eine Anhebung auf 20 Prozent für selbstverständlich: „Es ist doch nicht sinnvoll, einen Modellversuch, der so nachgefragt wird wie noch nie in der Geschichte, willkürlich abzubremsen, obwohl diesen Eltern, Schüler und Lehrer so wollen.“ Der frühere steirische Landesschulrat (ÖVP) und Ex-Berater von Bildungsministerin Schmied verweist im Gespräch mit der FURCHE darauf, dass es ohnehin genügend Einschränkungen für den Modellversuch gebe, etwa: Zwei Drittel der Eltern und Lehrer müssten zustimmen; einzelne Instanzen der Schulbehörden müssten den Modellversuch unterstützen, er muss evaluiert werden. „Wenn trotzdem so viele Leute diesen möchten, um Gottes Willen, warum soll man das verhindern!“

„Neue Generation der ÖVP“

Aber Schilcher hofft auf die neue Generation, die in der ÖVP heranrückt, wie etwa Spindelegger und ÖAAB-Generalsekretärin Beatrix Karl. Diese sind nur „einstweilen noch nicht“ für ein Gesamtschul-Modell, meint Schilcher.

Die Grünen appellieren indes, dass der Prozess beschleunigt werden müsse. Der Andrang sei so groß, dass der Schulversuch früher evaluiert werden müsse, sagt Bildungssprecher Harald Walser. „Jetzt müssen die AHS-Unterstufen verpflichtend in die Schulversuche miteinbezogen werden.“ Bisher sind hauptsächlich Hauptschulen am Schulversuch beteiligt.

In einem weiteren Punkt hofft die Unterrichtsministerin auf die Unterstützung der ÖVP: im Bereich Ganztagesbetreuung in Schulen. Hier hatten ÖVP-Chef Josef Pröll und auch Spindelegger einen starken Ausbau gefordert. Am kommenden Montag wird Schmied die Ergebnisse der Elternbefragung präsentieren und hoffen, dass ÖVP-Finanzminister Pröll auch dann noch mit dem Ausbau der Tagesbetreuung Neu mitzieht, wenn es um dessen Finanzierung geht.

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