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Sorge um Zukunft

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Auslösend für die Idee, ein Österreich weites „Kirchenvolksbegehren” einzuleiten, war die Zuspitzung der schon seit längerem bestehenden Krise der Kirche in den letzten Wochen. Der die Medien beherrschende „Fall Groer” hat ja nur eine viel grundlegendere Problematik deutlich sichtbar gemacht und stärker ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt: nämlich den Mißmut weiter Teile des Kirchenvolkes über den Umgang der Amtskirche mit dem Thema Sexualität, über die fehlende Glaubwürdigkeit mancher Kirchenvertreter und die häufige Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, über die Bevormundung und Entmündigung des Kirchenvolkes etwa ir moralischen Fragen (zum Beispiel E npfängnisregelung), über die n ingelnde Einbindung der Ortskir-cl sn bei Bischofsernennungen und ü er die teilweise unbarmherzig w rkende Strenge im Umgang mit IV mschen in schwierigen Situatio-m a (zum Beispiel wiederverheiratete Geschiedene, verheiratete Priester ol ne Amt).

E was tun statt zu jammern

A fgrund dieses Unbehagens wen-d( l sich immer mehr Menschen, vor al am auch junge, von der Kirche ab und suchen woanders ihr Heil. Durch manche ihrer Strukturen und Erscheinungsformen erschwert die heutige Kirche immer mehr Menschen den Zugang zur eigentlichen Botschaft Jesu Christi.

Dieser dramatische Niedergang der Kirche kann uns als engagierte Mitglieder dieser Kirche nicht unberührt lassen; er macht uns betroffen und erfüllt uns mit großer Sorge um die Zukunft der Kirche. So fühlten wir uns vor die Entscheidung gestellt: entweder weiterhin nur zu jammern oder endlich einmal auch etwas zu tun.

Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden. So bildete sich in der Diözese Innsbruck eine Initiativgruppe, bestehend aus mehreren kirchlichen Mitarbeiterinnen und engagierten Laien. Unser Ziel ist es, ein „Kirchenvolksbegehren” in ganz Österreich durchzuführen, in dem

Ein Religionsprofessor

aus Innsbruck initiierte ein „Kirchenvolksbegehren”. Die furche läßt ihn hier zu Wort kommen und dokumentiert den Text.

das Kirchenvolk und alle, denen die Zukunft der Kirche am Herzen liegt, ihren Wunsch nach bestimmten Veränderungen in unserer Kirche zum Ausdruck bringen können (siehe Textentwurf zum „Kirchenvolksbegehren”). Dabei bauen wir auf vielen bereits vorhandenen kirchlichen Initiativen und Gruppierungen auf, die schon wiederholt die von uns genannten Anliegen zur Sprache gebracht und zum Gegenstand von Aktionen gemacht haben. Es ist unser Bestreben, alle diese Kräfte zu bün-

dein und zu einer breiten Bewegung zu verbinden.

Bei diesen Anliegen geht es nicht um Veränderungen im Bereich der christlichen Grundwahrheiten, sondern um eine Erneuerung in den Strukturen und im Erscheinungsbild der Kirche, um die eigentlichen Grundanliegen wieder bess'r zur Geltung zu bringen. So meinen wir etwa, daß das Recht der Pfarrgemeinden auf Gemeindeleitung und

Feier der Eucharistie wichtiger und wesentlicher ist als die zwingende Bindung des Priesteramtes an die ehelose Lebensform und das männliche Geschlecht.

Träger dieses „Kirchenvolksbegehrens” ist die Plattform „Wir sind Kirche”, zu der nach unserem Wunsch möglichst viele kirchliche Organisationen und Gruppierungen gehören sollen. Die Einladungen zur Mitwirkung in der Plattform oder im Unterstützerkreis sind bereits hinausgegangen. Aber auch für Einzelpersonen besteht selbstverständlich die Möglichkeit zur Mitarbeit und Unterstützung. Alle Interessierten wenden sich bitte an folgende Kontaktadresse:

Plattform „Wir sind Kirche” z. Hd. Dr. Thomas Plankensteiner Salurnerstraße 10, A-6020 Innsbruck, Tel./Fax: 0512/58 69 12

Auch für Anregungen und Vorschläge sind wir sehr dankbar.

Die Bildung der Plattform soll bis zum 14. Mai abgeschlossen sein. Das „Kirchenvolksbegehren” selbst wird zu Pfingsten, also am Samstag, dem 3. Juni, beginnen und voraussichtlich bis Sonntag, den 25. Juni laufen. Es soll auf mehreren Wegen möglich sein, das „Kirchenvolksbegehren” zu unterschreiben: über Pfarreien, kirchliche Organisationen und Gruppierungen, Einzelpersonen, Zeitungen, per Postkarte, über nicht-kirchliche Institutionen. Als Resonanz erwarten wir zumindest 100.000 Unterschriften, die dann - zusammen mit den Anliegen - der österreichischen Bischofskonferenz zur Behandlung übergeben werden. Die weitere Vorgangsweise wird zu gegebener Zeit von der Plattform gemeinsam überlegt werden.

So hoffen wir, daß die Zuspitzung der Kirchenkrise letzten Endes als Chance zu einem zukunftsweisenden und vielen Menschen Hoffnung gebenden Neubeginn genützt werden kann und die Kirche - wie Bischof Weber sagte - einen Schritt vorwärts macht. Es wäre höchste Zeit.

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