6775164-1969_18_31.jpg
Digital In Arbeit

Sorgen der Landwirtschaftsanpassung

Werbung
Werbung
Werbung

Überall im freien Europa ist die Einordnung der Landwirtschaft und des Bauernstandes in die Industriegesellischaft mit ihrem ständig wachsenden Lebensstandard zur Hauptsorge der Agrarpolitik geworden. Im EWG-Raum hat dieser Komplex von Problemen — Mensch, Hof Markt — seinen Niederschlag im viel diskutierten Mansholt-Memorandum gefunden.

In der Steiermark ist es nicht anders. Ich kann und muß mich daher in diesem eng gesteckten Rahmen darauf beschränken, die Schwerpunkte dieser Anpassungsprobleme in der Grünen Mark und unsere Bemühungen, sie zu meistern, aufzuzeigen. Sie liegen im hohen Anteil an Bergbauern im Oberland und in der Zersplitterung des Grundbesitzes in zahllose Klein- und Mittelbetriebe im südlichen Flach- und Hügelland. In der Steiermark sind 24.650 oder rund ein Drittel aller Betriebe in dem Berghöfekataster eingetragen. Das Zeitalter der Technik hat das Bergbauernproblem verschärft, einerseits, weil der Abstand zu gut mechanisierbaren Betrieben im Flachland größer geworden ist und anderseits, weil die fortschreitende Entwicklung der Volkswirtschaft weniger mühkame Erwerbsmöglichkeiten bietet. Zur Förderung des Bergbauern wurde von der steirischen Landwirtschaftskammer seit 1954 ein eigenes Beratungssystem entwickelt, das auf der freiwilligen Mitarbeit der Bauern in Umstellungsgemeinschaften basiert, die die Ausrichtung und Anpassung der Berglandwirtschaft an die moderne Marktwirtschaft zum Ziele haben. In diesen insgesamt 44 Umstellungsgebieten, die schon fast das ganze Bergland der Steiermark umfassen, steht die Verkehrserschließung durch den Wegbau an erster Stelle. Mit Hilfe des Grünen Planes und durch die Zusammenarbeit mit der Agrartechnischen Abteilung der Landesregierung, die die Besitzfegtigungsaktion durchführt, konnten sichtbare Erfolge erzielt werden.

Im Unterland hat die geschichtliche Entwicklung als Erbe eine Agrarstruktur hinterlassen, die nach den heutigen Auffassungen über das Idealbild eines Bauernhofes als ungünstig bezeichnet werden muß. So weisen im Bezirk Feldbach, der als Beispiel herausgegriffen sei, von den insgesamt 9641 Bauernhöfen 78 Prozent weniger als 10 Hektar Gesamtfläche auf, nur knapp 4 Prozent sind größer als 20 Hektar.

Freilich leben die Familien auf diesen Kleinbauernhöfen vielfach nicht mehr vom Ertrag aus Grund und Boden allein. Denn es gibt in der Steiermark von insgesamt 75.406 Betrieben nach der Zählung vom Jahre 1960 schon 23.849 (31,6 Prozent), deren Besitzer ihr Haupteinkommen aus anderen Berufen beziehen und die Landwirtschaft nur mehr als Nebenerwerb betreiben. Bei weiteren 9357 Betrieben (12,4 Prozent) wird das Einkommen aus der Landwirtschaft durch einen Zuerwerb verbessert.

Die Bemühungen, die Agrarstruktur durch Aufstockung der Höfe und Auflockerung der Dörfer zu verbessern, sind kostspielig, mühsam und langwierig'. Sie werden vor allem durch das unzureichende Bodenangebot und die hohen Grundpreise erschwert. Mehr Erfolg brachte bisher die innere Aufstockung, die Ausrichtung der Kleinbetriebe auf Spe-zialkultureri und Intensivbetriebszweige, die durch die klimatischen Verhältnisse begünstigt werden und das Arbeitseinkommen erhöhen. Grundsätzlich sind wir der Überzeugung, daß die Schaffung von Produktionseinheiten, wie sie der Mansholt-Plan vorschlägt, für unsere Verhältnisse mit dem hohen Anteil an Bergund Kleinbauern nicht .durchführbar und in den Bereich der Utopie zu verweisen ist. Für die Kleinbauerngebiete scheint uns der Weg über die innere Aufstockung, die Bildung von Erzeugergemeinschaften, der Ausbau der gemeinschaftlichen Verwertungseinrichtungen, Partnerschaftsverträge zwischen Landwirtschaft, Handel und Verwertungsindustrie realere Anpassungsmögllchkeiiten für die. bäuerlichen Familienbetriebe zu bieten. Dazu gehört aber auch eine zielbewußte Raumordnung und die daraus folgende Regionalpolitik zum Ausbau des Verkehrsnetzes, und der Schaffung von Dauerarbeitsplätzen durch An-siidlung gewerblich-industrieller Unternehmungen. Eine besondere Bedeutung kommt in dieser Planung der Schaffung von Nebenerwerbsmöglichkeiten zur Sicherung eines ausreichenden Familieneinkommens zu. Im Berg-bauerngebiet spielt dabei der Fremdenverkehr eine besondere Rolle. Eine sinnvolle Zusammenarbeit und Arbeitsteilung zwischen den Voll- und Nebenerwerbsbetrieben, vor allem im Maschineneinsatz, kann dazu beitragen, eine Arbeitsüberlastung und Fehlinvestitionen zu vermeiden. In diesem Sinne sind wir zur Zeit in der Landwirtschaftkammer bemüht, betriebswirtschaftliche Richtlinien für die Nebenerwerbslandwirtschaft auszuarbeiten.

Die Anpassungsbemühungen der Bauernschaft und der Agrarpolitik müssen aber auch durch Maßnahmen der Preis- und Marktpolitik und nicht zuletzt der Sozialpolitik verständnisvoll gefördert und ergänzt werden, wenn die Bauernfrage als eines der zentralen Probleme aller Industriestaaten einer befriedigenden Lösung zugeführt werden soll. Agrarpolitik geht alle an!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung