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Sorgenkind Außenhandel

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Wenn diesmal die Wiener Frühjahrsmesse den alljährlichen Reigen der österreichischen Messeveranstaltungen eröffnet, so geschieht das in einer Zeit, die unserer heimischen Wirtschaft wohl einen neuen Konjunkturaufschwung v*erheißt, sie aber zugleich mit zahlreichen und immer brennenderen Problemen konfrontiert.

Es ist erfreulich, daß sich die Produktion der Industrie nach gewissen Abschwächungs-tendenzen zunehmend belebt, daß allgemein, auch vom Weltmarkt her, die Auftriebskräfte vorherrschen und daß die Lage auf dem Arbeitsmarkt nach dem saisonalen Rückgang während der Wintermonate abermals das nun schon gewohnte Bild der Vollbeschäftigung bietet. Da es ferner gelungen ist, Preise und Löhne besser. unter Kontrolle zu halten, erscheint auch die Konkurrenzfähigkeit im Export — der Hauptkonjunkturstütze neben dem privaten Konsum — wesentlich gestärkt. Der Devisenertrag wie der allgemeine volkswirtschaftliche Nutzen des weiterhin florierenden Fremdenverkehrs tragen gleichfalls zum günstigen Gegenwartsbild der österreichischen Wirtschaft bei und rechtfertigen eine optimistische Prognose für die nähere Zukunft.

Alle diese Entwicklungen vollziehen sich jedoch vor dem Hintergrund einer vielschichtigen Integrationsproblematik mit zahlreichen Unsicherheitsfaktoren. Sie vollziehen sich aber ebenso im Angesichte einer innerösterreichischen Wirtschaftspolitik, die manche seit langem notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen für ein leichteres Erlangen der Europareife nur deshalb schuldig bleibt, weil sie der Koalitionspartner mit Forderungen auf völlig anderer Ebene ungebührlich verquickt.

Eine Wandlung einleiten sollte hier die jüngste Feststellung des Vizekanzlers, nach der sich ein Kleinstaat nur dann wirtschaftlich behaupten könne, wenn seine Regierung imstande sei, den Exportunternehmungen die gleichen Auagangschancen zu bieten, wie sie den ausländischen Konkurrenten von ihren Regierungen geboten werden, und daß deshalb der Export künftig vom Staat stärker gefördert werden solle.

Man kann also nur hoffen, daß diese Worte so gemeint waren, wie sie gesagt wurden, und daß den Worten bald die Taten folgen werden. Hat doch die österreichische Export-Wirtschaft mit ' genug Schwierigkeiten zu kämpfen, die von außen auf sie einwirken, und stellen sich ihr gerade in den kommenden Wochen und Monaten im internationalen Raum besonders schwierige Probleme.

In der EFTA sind zum Jahresende die Ausgangszölle des Standes vom 1. Jänner 1960 auf 40 Prozent abgesenkt worden; sie sollen nach dem jetzigen Zeitplan Ende 1964 auf 30 Prozent, Ende 1965 auf 20 Prozent gesenkt und Ende 1966 gänzlich beseitigt werden. Dieser interne Zollabbau hat sich für Österreich bisher günstig ausgewirkt und zu einer Ausweitung des Handels Verkehrs mit den EFTA-Staaten beigetragen. So erfreulich diese Ausweitung auch ist, so fällt sie doch, gemessen am gesamten österreichischen Außenhandelsvolumen, nicht sonderlich ins Gewicht.

Noch viel weniger kann der Osthandel — sein Anteil beläuft sich derzeit auf rund 14 Prozent — einen Ersatz für unsere gefährdeten Hauptabsatzmärkte im EWG-Raum bieten. Sosehr wir selbstverständlich den Ausbau auch unserer Osthandelsbeziahungen begrüßen, so liegen allein im System dieses Handels auch seine natürlichen Grenzen. Das haben zuletzt eindrucksvoll die Hamdelsver-einbarungen mit der Sowjetunion für 1964 bewiesen, wo es wegen mangelnder sowjetischer Liefermöglichkeiten bei Futtergetreide zu einer einschneidenden Verminderung des gegenseitigen Warenaustausches kam.

Aber auch unseren Bemühungen, den Export nach Ubersee zu forcieren, können nur beschränkte Erfoigsaussichten eingeräumt werden, war doch unser Außenhandel seit eh und je überwiegend auf Europa ausgerichtet. Hinzu kommt, daß Österreich als noch immer kapitalarmes Land mit hohen Geldkosten besondere Schwierigkeiten hat und heute vielfach übliche lange Zahlungsfristen nicht gewähren kann.

Deshalb weitet die Bundeswirtsdhafts-kammer das Netz ihrer Außenhandelsstellen von Jahr zu Jahr a™-s. Heuer kommen wieder drei neue Außenstellen dazu, nämlich zwei in Afrika und eine in Neuseeland. Was ansonsten im Sinne einer verstärkten Absatzwerbung im Ausland getan werden kann, wird getan. So wird der Österreich-Pavillon im kommenden April auf der New Yorker Weltausstellung den diesjährigen Höhepunkt der Werbetätigkeit der Wirtschaft im Ausland darstellen. In Fortführung erfolgreicher analoger Veranstaltungen findet ebenfalls im jetzigen Frühjahr die Österreichwoche in den Niederlanden statt, von der man sich gleichfalls starke Werbung für Österreich und seine wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen erwarten darf.

Während so die österreichische Handelspolitik alle Anstrengungen unternimmt, den Außenhandel auf eine möglichst breite Basis zu stellen und ihn damit für die Zukunft krisenfest zu machen, ist im Verhältnis zur EWG im Verlaufe der im Dezember vorerst abgeschlossenen Vorbesprechungen auf diplomatischer Ebene eine weitgehende Klärung der beiderseitigen Standpunkte erfolgt. Wir warten nunmehr darauf, daß die EWG-Kommission dem EWG-Ministerrat einen diesbezüglichen Bericht vorlegt und daß es in der Folge bald zur Aufnahme von Verhandlungen über ein wirtschaftliches Arrangement mit Österreich kommt.

Die EWG hat bekanntlich mit 1. Juli 1963 ihre Binnenzölle auf 40 Prozent der Ausgangszölle gesenkt und einen weiteren Schritt zur Angleichung ihrer Außenzölle an den gemeinsamen Außenzolltarif getan. Wenn nun der Vorschlag des Präsidenten der EWG-Kommission, die Industriebinnenzölle im EWG-Bereich bereits mit 1. Jänner 1966 zur Gänze abzuschaffen und so die geplante Zollunion schon sechs Jahre vor dem im Römer Vertrag vorgesehenen Termin zu erreichen, verwirklicht werden sollte, so stellt sich damit für Österreich das Problem einer Assoziierung noch dringender als bisher.

Daran ändern auch weltweite Zollsenkungsaktionen im Rahmen des GATT nichts. Wir begrüßen die auf Veranlassung der USA projektierte „Kennedy-Runde“ sehr und wollen uns gerne für einen Erfolg dieser Verhandlungen einsetzen, doch wird für Österreich damit das Problem der Diskriminierung durch die EWG nicht aus der Welt geschafft.

Ein besonderes Kapitel stellt in diesem Rahmen die ebenfalls nicht gelöste Frage unserer künftigen Beziehungen zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl dar. Die österreichische Eisen- und Stahlindustrie hat den größten Anteil an der österreichischen Ausfuhr. Exportiert wird etwa die Hälfte der Produktion. Von diesem Export geht etwas mehr als die Hälfte in die Staaten der Montanunion, wobei einzelne Unternehmungen mehr als 60 Prozent ihrer Ausfuhr an Walzware dorthin liefern. Die jüngste Erhöhung der Eisen- und Stahlzölle durch die Mitgliedstaaten der Montanunion auf durchschnittlich 9 Prozent. müßte auf die Dauer bewirken, daß der österreichische Export, wenn überhaupt, so nur unter äußersten Schwierigkeiten und mit weiteren Erlöseinbußen aufrechtzuerhalten sein wird.

Die Bundesregierung hat daher diplomatische Schritte eingeleitet, um mit den sechs Mitgliedstaaten der Gemeinschaft über die Regelung des Verhältnisses mit Österreich ins Gespräch zu kommen. Dabei streben wir eine parallele Regelung unserer Beziehungen zur EWG und zur Montanunion an, da ja doch der Weg nach Luxemburg nur über Brüssel führt. Die österreichische Zusicherung, den gemeinsamen Außenzolltarif der EWG zu übernehmen und den Abbau der Binnenzölle innerhalb der Gemeinschaft zu akzeptieren, gilt damit auch gegenüber der Montanunion.

Während so die Diskriminierung für unsere Exportwirtschaft überall immer fühlbarer wird, ist Österreich durch seine günstige Wirtschaftslage und Devisenbilanz bestrebt, die eigene Wareneinfuhr im Sinne internationaler Vereinbarungen zunehmend von den noch bestehenden mengenmäßigen Beschränkungen zu befreien. Der Liberalisierungsetappe vom 1. Jänner 1964 soll mit 1. Juli eine weitere und mit 1. Jänner 1965 eine abschließende folgen. Daneben gibt es durch das System der regelmäßig aufgestockten Globalkontingente für viele offiziell noch nicht liberalisierte Waren eine De-facto-Liberali-sierung.

So ergeben sich für Österreich auch auf der Einfuhrseite wachsende Probleme; eine immer stärkere Konkurrenz auf dem Inlandsmarkt tritt an die Seite des seit langem arg verschärften und durch eine wachsende Diskriminierung verzerrten internationalen Wettbewerbes.

Die Wiener Messe war im Ringen um die Weltgeltung österreichischer Erzeugnisse stets eine verläßliche und wirksame Helferin. So versprechen wir uns auch von dieser Frühjahrsveranstaltung, daß sie nicht nur der Auftakt eines neuen Messe Jahres, sondern auch einer für die ganze Wirtschaft erfolgreichen Periode sein wird.

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