Sprechen Sie Klingonisch?

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Ein erster Höhepunkt, der "Marktplatz der Sprachen", ist vorüber. Dennoch birgt das "Europäische Jahr der Sprachen 2001" noch so manchen Anreiz, die eigene Trägheit zu überlisten und sich auf die Suche zu machen nach den Reizen eines fremden Idioms.

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Ein erster Höhepunkt, der "Marktplatz der Sprachen", ist vorüber. Dennoch birgt das "Europäische Jahr der Sprachen 2001" noch so manchen Anreiz, die eigene Trägheit zu überlisten und sich auf die Suche zu machen nach den Reizen eines fremden Idioms.

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Die Klingonen, ewige Widersacher von Raumschiff Enterprise, haben es schon immer gewusst: William Shakespeare war einer von ihnen. Und so muss die Urtext-Fassung des Hamlet-Monologs natürlich lauten: "TaH pagh taHbe'./DaH mu'tIHeghvam vIqulnIS." (Sein oder Nichtsein/Das ist hier die Frage).

Nicht nur der trübsinnige Dänenprinz hat festgestellt, dass die Grenzen zwischen Sein und Nichtsein fließend sind - egal, ob auf englisch oder klingonisch. Auch heutige Weltenbummler fühlen sich recht schnell ins Nichts zurückgeworfen, wenn der kirgisische Kellner trotz aller Erklärungsversuche bloß mit den Achseln zuckt. Sein oder Nichtsein ist folglich nicht nur ein philosophisches, sondern auch ein sprachliches Problem.

Eine Tatsache, der die Österreichischen Volkshochschulen seit Jahren Rechnung tragen. Kurse für mehr als 70 Sprachen bieten Erwachsenen die Möglichkeit, Kommunikationsbarrieren zu überwinden. Weit über 100.000 Interessierte nehmen Jahr für Jahr dieses Angebot in Anspruch. Zwar finden noch immer die meisten Sprachkurse einmal wöchentlich statt, doch steigt das Interesse an Intensivkursen stark an: Zwei bis drei Mal pro Woche üben sich die Teilnehmer im fremden Idiom. "Nach 30 Unterrichtseinheiten bekommt man schon ein Gefühl für die Sprache. Zumindest braucht man sich nicht mehr davor zu fürchten, auf Reisen im Restaurant keine Ahnung zu haben, was man bestellt", meint Thomas Fritz, Fremdsprachenkoordinator im Verband Wiener Volksbildung. Mit Interesse und 1.500 bis 2.000 Schilling steht dem Turbolernen nichts mehr im Weg. Ob intensiv oder Schritt für Schritt: "Wir versuchen, die Teilnehmer sehr früh mit authentischen Texten zu konfrontieren," beschreibt Fritz den methodischen Ansatz der Volkshochschulen.

Nicht nur das Interesse an Fremdsprachen soll im europaweiten Sprachenjahr gesteigert werden. Besonders der Austausch mit Menschen anderer Muttersprachen liegt den österreichischen Erwachsenenbildnern am Herzen. Denn die sprachliche Palette ist bunt: Linguisten rechnen mit 6.000 Sprachen weltweit, davon allein in Wien rund 160. Als eindrucksvollen Beleg dieser Vielfalt hat der Verband Wiener Volksbildung den Almanach "280 Sprachen für Wien" herausgebracht. Eine kurze Einführung über Geschichte, Verbreitungsgebiet und Eigenheiten der jeweiligen Sprache wird durch einen originalsprachlichen Text und eine Übersetzung ins Deutsche komplettiert. Neben lebenden Sprachen wie Chinesisch, Blackfoot oder Afrikaans sowie toten Idiomen wie Etruskisch und Latein sind im Almanach auch Dialekte und regionale Varietäten verzeichnet. Eine von ihnen: Österreichisches Deutsch. Die Unterschiede zum Standarddeutschen reichen von grammatikalischen Differenzen im Mündlichen (meist Perfekt statt Präteritum: ich bin gegangen statt ich ging) bis hin zu anderslautenden Begriffen. So existieren im Bereich der öffentlichen Verwaltung und des Rechts über 1.500 unterschiedliche Wörter, doch nur 23 - meist kulinarischer Natur - wurden bei der Aufnahme Österreichs in die EU für offizielle Protokolle "gerettet", weiß Fritz. Nicht nur die Zahl, auch die Auswahl der Begriffe sei schwer nachvollziehbar, kritisiert der Germanist und Herausgeber des Almanachs: "Nach einer Umfrage in der EU halten etwa die meisten unseren ,Erlagschein' für einen Jagd- oder Totenschein. Und was bei uns als ,Totschlag' bezeichnet wird, ist anderswo ein anderer Tatbestand. Das ist wohl wichtiger als die Frage, ob jemand Eierschwammerl oder Pfifferlinge bestellt."

Um Verständnisschwierigkeiten ähnlicher Art aus dem Weg zu räumen, haben kreative Köpfe oft an neuen Sprachsysteme gebastelt. So bietet der Almanach auch Kostproben aus der Welt der konstruierten Idiome: Die Computersprache HTML (Hypertext Markup Language) findet sich hier ebenso wie Esperanto, Eurolang und - Klingonisch. Hierbei handelt es sich beispielsweise um eine Kunstsprache, die der Linguist Marc Okrand eigens für die Science-Fiction-Serie Star Trek (auf deutsch Raumschiff Enterprise) geschaffen hat. Zwar hat Okrand auch ein eigenes Klingonisch-Alphabet ersonnen - aus Gründen der Einfachheit wird die Sprache der bösen Außerirdischen jedoch meist in lateinischer Schrift geschrieben ...

Lernen im Tandem Wer sich mit Fiktionalem nicht zufrieden gibt, findet im heurigen "Europäischen Jahr der Sprachen" noch mehrfach Gelegenheit, sich in realen, fremden Zungen zu üben. Einen ganz besonderen Zugang hat Peregrina, eine Beratungsstelle für ausländische Frauen, gewählt. Gemeinsam mit dem Verband Wiener Volksbildung und dem Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten vermittelt Peregrina Tandem-Partnerinnen mit unterschiedlichen Muttersprachen und unterstützt sie beim gegenseitigen Lernen. "Derzeit haben wir 40 Paare, die sich regelmäßig treffen. Insgesamt sind elf Sprachen vertreten, doch in der Regel ist einer der beiden Partner deutschsprachig", erklärt Andrea Jakober vom Wiener Integrationsfonds, der das Projekt finanziert. Begleitet werden die Tandem-Paare von kompetenten Sprachpädagoginnen. 200 Schilling kostet der etwas andere Kurs, der auch das Kennenlernen zwischen den Kulturen fördern soll.

Ob Türkisch, Spanisch oder Deutsch, ob in der Gruppe, im Tandem oder allein: Sprachenlernen erfordert Zeit und Anstrengung. Doch selbst wenn Lernende nur wenige fremde Vokabel über die Lippen bringen, werden sie auf Reisen wohl herzlicher empfangen. Und wenn sie bei der Sache bleiben, werden sich immer neue Türen öffnen - wer weiß, vielleicht auch einmal die Raumschiff-Luke der Klingonen.

Informationen unter www.sprachen-2001.at Infos zum Tandem-Lernen bei Peregrina: (01) 408 61 19 280 Sprachen für Wien.Ein Almanach.

Von Thomas Fritz (Hg.). Edition Volkshochschule, Wien, 2001.276 Seiten, Tb., öS 248,-/e 18,02 Bestellungen unter (01) 89 174-20

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