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Stabiler Faktor in tiefster Not

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In einer Gesellschaft, in der nicht jeder durch seine Familie in einen bestimmten Stand hineingeboren wird, ist es die Familie, in welcher neue soziale Spannungen am natürlichsten überwunden werden.

Nach dem Zusammenbruch aller Ordnungskräfte mit Kriegsende war die Familie in den Bombennächten, in den Flüchtlingsströmen, in der Besatzungszeit der einzige stabile Faktor, mit dem der Mensch noch rechnen konnte. Es war die christliche Soziallehre, die diesen Wert der Familie für die Naturordnung'in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in eine Zeit herübergerettet hat, in der alle Kulturländer wieder begonnen haben, sich der gesellschaftspolitischen Bedeutung der Familie zu besinnen.

Welche Irrmeinungen im abgelaufenen Jahrhundert zwischen Individualismus und Kollektivismus über ' Ehe und Familie bestanden haben, vermittelt ein Blick in das kommunistische Manifest, das sich in seinem zweiten Teil über die jedem Menschen persönlich so hohen Werte von Ehe und Familie geradezu lustig macht, wo es klipp und klar heißt, daß das Verhältnis der Proletarier zu Frau und Kindern nichts mehr gemein hat mit dem bürgerlichen Familienverhältnis. Für den dialektischen Materialismus ist die Ehe wie jede andere Institution der sozialen Entwicklung unterworfen: „Die Monogamie — die Einehe —“, so meinte Friedrich Engels, einer der Mitautoren des kommunistischen Manifests, „entstand aus der Konzentrierung größerer Reichtümer in einer Hand — und zwar der des Mannes — und aus dem Bedürfnis, diese Reichtümer den Kindern des Mannes und keinen anderen zu vererben ... Was aber von der Monogamie ganz entschieden wegfallen wird, das sind alle die Charaktere, die ihr durch ihr Entstehen aus den Eigentumsverhältnissen aufgedrückt wurden, und dies sind erstens die Vorherrschaft des Mannes und zweitens die Unlösbarkeit.“

Die Fehlschläge des Marxismus, den Menschen ohne Ehe und Familie in die Gesellschaft einzugliedern, sind bis in die jüngsten Erfahrungen Chinas eine eindrucksvolle Lektion über die Familie als nicht nur biologische, sondern auch soziale und moralische Grundzelle aller menschlichen Gemeinschaft.

Daher gilt auch für uns das Wort des Römers Cato, daß es wichtiger ist, ein guter Ehemann denn ein guter Senator zu sein. Aber nur in einer freien Gesellschaftsordnung können daraus auch die politischen Konsequenzen gezogen werden!

Sicherlich, der Gesundungsprozeß muß von der Familie selbst ausgehen. Nichts ist so unersetzbar wie die menschlichen Qualitäten und die Entwicklung ihrer Kräfte, auf die Ehe und Familie begründet sind. Je stärker aber die Zerstörungskräfte auf Ehe und Familie eingewirkt haben und immer noch einwirken, desto wirksamer muß auch die Rechts-, Staats- und Wirtschaftsordnung auf Schutz und Wahrung des seelischen, geistigen und materiellen Lebensraumes der Familie abgestellt sein.

In zahlreichen Staaten sorgen institutionelle Einrichtungen dafür, daß die gesamte legistische Tätigkeit von Regierung und Parlament auch vom Standpunkt der Familie aus gesehen und beurteilt wird.

In noch mehr Staaten werden besondere Maßnahmen zum Ausgleich jener Lasten ergriffen, die für den Familienerhalter dadurch entstehen, daß er für eine immer längere Er-ziehungsperiode seiner Kinder Lasten zu tragen hat, deren Erfolg auch allen anderen zugute kommt, die diese Lasten nicht zu tragen haben.

Ich meine hier den Familienlastenausgleich; es ist erst wenige Tage her, daß das österreichische Familienlastenausgleichsgesetz in sein zweites Jahrzehnt eingetreten ist.

Es gibt kaum noch ein Gesetz, das mit derartiger Gründlichkeit und sachlich wissenschaftlicher Vorbereitung verwirklicht wurde! Die Erläuterungen dazu zeigen auf, auf welche Weise der Lastenausgleich erfolgen soll. Zunächst darin, daß der Staat bei der Besteuerung auf die Lasten der Familie Rücksicht nimmt und damit den Grundsatz der Steuergerechtigkeit auch auf die Familie anwendet.

Niemand wird bestreiten, daß die Unterhaltspflicht für Ehegatten und Kinder die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beträchtlich

schmälert und der Grundsatz der Rücksichtnahme der Besteuerung auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit — das ist der soziale Grundsatz der Steuergerechtigkeit schlechthin — die erste Voraussetzung für einen gerechten Ausgleich der Familienlasten darstellt.

Als zweite Maßnahme wird — da nicht alle Familienerhalter infolge der Höhe ihres Einkommens steuerpflichtig sind — auch für die Leistung von Familien- und Kinderbeihilfen eingetreten. In den Erläuterungen zum Familienlastenaus-gleichsgesetz heißt es wörtlich: „Der Ausgleich der Familienlasten muß durch steuerpolitische Maßnahmen und durch Gewährung von Beihilfen ausgeglichen werden.

Der Ausgleich muß schrittweise erfolgen...

Dieses Zusammenspiel zwischen den Ausgleichszahlungen und der Steuerpolitik ist notwendig, damit diese familienpolitischen Maßnahmen nicht nivellierend wirken und den Grundsatz des Leistungslohnes nicht beeinträchtigen.“ Alle im Parlament vertretenen Parteien haben sich zu diesem Konzept bekannt.

Die zehn Jahre der Geltung des Familienlastenausgleichsgesetzes zurückblickend, müssen wir feststellen, daß diese beiden Säulen des Familienlastenausgleichs sich sehr unterschiedlich entwickelt haben.

Wenn wir bei der Entwicklung der Familien- und Kinderbeihilfen auch noch lange nicht am Ziel sind, so dürfen wir doch festhalten, daß infolge der schrittweisen Verbesserung dieser Beihilfen immerhin heute eine Familie mit drei Kindern vierzehnmal jährlich eine Beihilfe von 710 Schilling, mit fünf Kindern von 1210 Schilling erhält, das ist jährlich mit drei Kindern ein Betrag von 9940 Schilling und mit fünf Kindern ein Betrag von 16.940 Schilling.

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