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Start zur Jagd auf die Wähler

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Was bei der Nationalratswahl 1990 richtig war, kann 1994 grundfalsch sein, was bei einer Landtagswahl im Burgenland danebengegangen ist, kann in Kärnten die Liösung sein." -Heinz Lederer, Werbeleiter der Bundes-SPÖ, faßt zusammen, was wohl alle professionellen Wahlkämpfer, sei es in den Parteizentralen oder in den Werbeagenturen, bis zum „Zahltag" (wahrscheinlicher Termin für die Nationalratswahl ist der 16. Oktober) quält.

Die Gründe für die Zweifel der Experten liegen in den langfristigen Trends: Während noch in den sechziger Jahren rund drei Viertel der Wähler angaben, sich mit einer Partei zu identifizieren, sind es zu Beginn der neunziger Jahre bereits weniger als die Hälfte (laut Fessel + Gflc haben 19 Prozent eine „starke bis ziemlich starke Identifikation", 30 Prozent eine „mäßige bis schwache Identifikation"). Im Klartext: Es gibt immer weniger „Stammwähler" und immer mehr „Wechselwähler" (bei den Landtagswahlen im März 1994 stimmten rund ein Drittel der Wähler für eine andere Partei als 1989).

Von den wahlwerbenden Parteien und ihren Spitzenrepräsentanten wird daher ein „Spagat" verlangt, wie der Sozialwissenschaflter Franz Birk vom IFES-Institut (das die SPÖ berät) im FURCHE-Gespräch erörtert: „Es muß gleichzeitig die Stammkundschaft an der Stange gehalten und dazu mit einem attraktiven Angebot Laufkundschaft gewonnen werden." Das Problem dabei sei, so Birk, die zunehmende „Pluralisie-ruhg" der Gesellschaft: „Früher war es einfach: da war klar, daß ein Arbeiter in einer Industrieregion ohnehin sozialdemokratisch orientiert ist, ebenso, daß ein Landwirt zur ÖVP-Klientel zähh. Das ist heute vorbei." Diese Wähler-Typologie nach rein soziodemographischen Kriterien - Einkommen, Beruf, Lebensumfeld - sei heute nicht mehr möglich. Vielmehr müsse man hinter die Motive der Wähler kommen und daraus eine neue „Typologie" erstellen, analysiert Birk: „Die Wählergruppe, die sich an der Lösungskompetenz der Parteien bei einzelnen Sachthemen orientiert, wird immer größer." Gefragt sind daher auch „Zielgruppen-Politiker"

in der zweiten Reihe. Wen Birk meint, hegt auf der Hand: etwa Innenminister Franz Löschnak als personifizierten Schutzwall gegen die (vermeintliche) Ausländerflut oder Frauenpolitikerin Johanna Dohnal.

Der Sozialwissenschaftler warnt jedoch vor nur vordergründig leichten Fehlern: „Wenn ich weiß, daß 75 Prozent meiner Stammwähler fanatische Autofahrer sind, wird es wohl kontraproduktiv sein, wenn ich versuche, die Radfahrer unter den Wechselwählern für mich zu gewinnen." Ebenso wäre es fatal, die Zielgruppen zu eng abzustecken.

Wichtig für die Kampagnenplanung sei daher auch, so Birk, die Auswahl der Werbemittel: „Es ist klar, daß ich mit Plakaten keine Zielgruppenwerbung machen kann. Wenn ich mir aber die Leser der Printmedien anschaue, dann kann ich mich mit Einschaltungen direkt an eine vorher definierte Zielgruppe wenden. Noch besser geht das natürlich mit Direkt-Mailing, also der direkten Ansprache von gewissen Bevölkerungsgruppen."

Wieviele Wähler sich von der Wahlwerbung beeinflussen lassen? -„Eine Partei kann mit einer Wahlkampagne keine Wahl gewinnen. Wohl kann sie aber mit Fehlern im Wahlkampf eine Wahl verheren", meint Birk unter Verweis auf die niederösterreichische Landtagswahl vom Mai 1993 (dazu Seite 13). Warum die Parteien dann nicht iįber-haupt auf ihre finanziell ohnehin sehr belastenden Werbefeldzüge verzichten? - Birk: „Das wäre wohl der größte Fehler - in der heißen Phase eines Wahlkampfes überhaupt nicht präsent zu sein."

Die Parteien lassen sich jedenfalls ihre mediale Präsenz vor der Wahl einiges kosten (siehe Kasten unten). In erster Linie profitieren davon die Werbeagenturen, die allerdings im Bereich der kommerziellen Werbung noch wesentlich mehr absahnen können (so wird etwa das jährliche Werbe-Etat von Großbetrieben wie etwa der „Billa"-Kette auf rund 500 Millionen Schilling geschätzt). Viele Agenturen vermeiden es daher, sich ihrer politischen Kunden zu rühmen: zu groß ist die Angst, dadurch lukrativere Aufträge aus der Privatwirtschaft zu verlieren. Ganz wollen die Werbeprofis allerdings nicht auf Parteigelaer verzichten: so verbirgt sich etwa hinter der von der ÖVP engagierten „Agentur Becker" das Kreativduo Schober & Petri von der Agentur Young & Rubicam.

Ztmiindest in den Großparteien hat die Planung für den „Tag X" schon längst begonnen. SPÖ-Werbeleiter Lederer: „Streng genommen haben wir gleich nach dem Bundes-präsidentschaftswahlkampf angefangen, uns zu positionieren: etwa mit den Slogans ,Sicherheit in einer bewegten Welt' und ,Alle reden, wir handeln'." Kein Geheimnis in der SPÖ-Wahlkampfstrategie ist auch, daß die Kampagne voll auf den Spitzenkandidaten, Bundeskanzler Franz Vranitzky, zugeschnitten sein wird.

Voll auf ihren Spitzenkandidaten, Vizekanzler Erhard Busek, setzen auch die Strategen der Volkspartei. Clemens Martin Auer, bei der ÖVP für die inhaltliche Komponente des Wahlkam'pfes zuständig: „Wir haben bereits im Herbst eine breite Themenpalette demoskopisch abgetestet. Und den damit erhobenen Bedürfnissen der Bevölkerung kommt die ÖVP in ihren ,Busek-Zukunfts-plänen' nach." Herausgekommen ist dabei ein „Themen-Dreiklang" mit den Bereichen „Sicherheit", „Wirtschaft" und „Heimat". Auch der Volkspartei geht also in erster Linie darum, Stabilität in unsicheren Zeiten zu vermitteln. Die „Geheimwaffe" der ÖVP ist der „Held von Brüssel", Außenminister Alois Mock. Er soll überall dort auftreten, wo die empfindlichsten Verluste drohen.

Von den Oppositionsparteien sind die Grünen in ihrer Kampagnenpla-nung am weitesten; FPO-Wahl-kampfleiter Gernot Rumpold ist lediglich zu entlocken, daß „die Planung gerade anläuft" und daß - wenig verwunderlich - Jörg Haider im Mittelpunkt der Kampagne stehen wird. Liberalen-Geschäftsführer Wolfgang Grassl wiederum klagt über finanzielle Nöte: da das LIF bei keinem der jüngsten Landtagswahlgängen den Einzug in die Landtage geschafft hat, konnte auch keine zu-sätzhche öffentliche Parteienförderung lukriert werden.

PROBELAUF EU-REFERENDUM

Erstmals mit einer bundesweiten, professionell vorbereiteten Kampagne können die Grünen aufwarten: sie haben bereits frühzeitig ein Wahlkampfteam - Romana Bartl und Franz Bittner - nominiert und eine Agentur engagiert; als Werbetexter konnte der Liedermacher und Kabarettist Heli Deinböck gewonnen werden. Erstmals werden die Grünen Großflächenplakate einsetzen, geplant sind auch Kinospots sowie eine „optisch und inhalthch auffällige Wahlkampftournee".

Vorerst proben Grüne und FPÖ mit einer Anti-EU-Kampagne für den Wahlkampf Während die Freiheitlichen auf Großveranstaltur^en setzen, ist bei den Grünen eine „EU-Kummer-Nummer" (0451/990-70-990) - als Gegenstück zum Europatelefon der Bundesregierung (0660/6363) - Aufhänger für die Kampagne.

Worin sich nun eine Kampagne für eine Sachentscheidung wie der EU-Volksabstimmung von einer parteipolitischen Wahlkampagne unterscheidet? - „Im Grund genommen gar nicht", meint SPÖ-Werber Lederer: „Entscheidend ist die Personalisierung und die damit verbundene Emotionalisierung. Vranitzky steht für einen Beitritt zur EU, das kann einiges bewegen." - Vranitzky, sonst niemand? - Lederer: „Auch Mock spielt eine Rolle. Und auf der Gegenseite natürlich Haider."

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