Stolpern im Zweidritteltakt

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Seit Monaten schwelt der politische Streit um die Zweidrittelmehrheit bei Schulgesetzen. Die katholische Kirche fürchtet vor allem um den Religionsunterricht - und suchte zuletzt Verbündete bei der spö.

Eigentlich hätte Christine Mann einen guten Grund zum Jubeln: "Wir haben noch nie so viele Bekenntnisse zum Religionsunterricht quer durch alle Fraktionen gehabt wie jetzt", freut sich die Leiterin des Interdiözesanen Amtes für Unterricht und Erziehung. Optimale Rahmenbedingungen also für die kommende "Woche des Religionsunterrichts" (siehe Kasten unten).

So erfreulich diese Sympathie-Erklärungen sind - ihre turbulente Vorgeschichte stößt bei Mann auf wenig Begeisterung: Seit Monaten streiten die Parteien darüber, ob zur Beseitigung der Bildungs-Blockade das Zweidrittel-Mehrheitserfordernis für Schulgesetze beseitigt werden soll (siehe Kasten rechts). Während sich die spö anfangs für eine Streichung des entsprechenden Artikels 14, Absatz 10 im Bundesverfassungsgesetz ausgesprochen hatte, mahnte die övp zur Kontinuität. Doch der Schulreformgipfel vom 14. Februar verkehrte die Vorzeichen: Überraschend kündigte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (vp) an, die Zweidrittel-Mehrheits-Regelung generell abschaffen zu wollen. Schon am Tag darauf schickte das Bundeskanzleramt den entsprechenden Gesetzesentwurf zur Begutachtung aus.

Aus für Religionsunterricht?

Nicht nur die spö fühlte sich von dieser Volte überrumpelt - und bemüßigt, wieder die Unentgeltlichkeit und Öffentlichkeit des Schulbesuchs in die Verfassung zu reklamieren. Auch zahlreiche Eltern- und Lehrervertreter sowie kirchennahe Einrichtungen forderten eine "verlässliche Schule" und formierten sich zur "Plattform zur Beibehaltung der Zweidrittelmehrheit bei wichtigen Schulgesetzen". Man fürchtete - wie auch Christine Mann -, dass eine ersatzlose Streichung des Zweidrittelerfordernisses den Religionsunterricht und das konfessionelle Privatschulwesen in Österreich gefährden könnte.

Auch unter den Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf fanden sich zahlreiche kritische Stimmen - darunter jene der österreichischen Bischofskonferenz. Durch eine Streichung des Artikels 14, Absatz 10 könnte der völkerrechtliche Schulvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl von 1962, der die Schul-Bestimmungen des Konkordats von 1933 ersetzt, "in seiner gesamten Qualität gemindert" werden. Zudem sei es laut Ägidius Zsifkovics, Generalsekretär der Bischofskonferenz, bedauerlich, "dass seitens des Bundeskanzleramtes es nicht für notwendig angesehen wurde, mit den anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften (...) Kontakt aufzunehmen".

Die Verstimmung gipfelte schließlich in einem ungewöhnlichen "Pakt" zwischen sp-Chef Alfred Gusenbauer und Kardinal Christoph Schönborn, in dem man auf dem Zweidrittelmehrheits-Erfordernis für das Religionsunterrichtsgesetz, das Konkordat und das Privatschulgesetz beharrte. Zudem wurde ein verfassungsrechtlicher Zielparagraph für das österreichische Schulwesen formuliert, der sowohl "Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit" als Grundwerte der östereichischen Schule betonte, als auch die "sozialen, religiösen und moralischen Werte".

Dem Bündnis war freilich kein Erfolg beschieden: Mittwoch vergangener Woche passierte der Gesetzesentwurf der Regierung - samt ersatzloser Streichung der Zweidrittelmehrheit für Schulgesetze - den Ministerrat. Wichtige Themen wie Schulpflicht, Schulgeldfreiheit und die Bildungsziele würden ohnehin in vp-Vorschlägen im Österreich-Konvent enthalten sein, so Bildungsministerin Gehrer. Überdies bleibe das Konkordat ja bestehen. Die Sorge um den Religionsunterricht sei deshalb unbegründet.

Für Christine Mann und Andreas Cancura, Koordinator der "Plattform für die Beibehaltung der Zweidrittelmehrheit", kein wirklicher Trost: Zum einen würden bei den Konvents-Anträgen der övp Bereiche wie das Privatschulwesen oder die Erwachsenenbildung fehlen. Andererseits sei gar nicht sicher, ob die Verfassung überhaupt beschlossen werde. "Man kündigt ja auch nicht seinen alten Job, wenn man noch keinen neuen hat", so Cancura.

Auch die Sicherheit des Konkordats ist umstritten. Nach Meinung von Richard Potz, Vorstand des Instituts für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht der Universität Wien, sei das Konkordat ein völkerrechtlicher Vertrag, der in der österreichischen Rechtsordnung nur auf einfachgesetzlicher Ebene - und nicht auf Verfassungsebene - transformiert worden sei. Fällt das erhöhte Mehrheitsquorum, dann könne eine Änderung der Rechtslage prinzipiell mit einfacher Mehrheit erfolgen. Allerdings würde dies eine Verletzung des Konkordats mit völkerrechtlichen Konsequenzen bedeuten. Virulenter als beim Religionsuntericht ist für Potz deshalb das Problem beim "Zielparagraphen" im Schulorganisationsgesetz. Ohne verfassungsmäßige Verankerung könne man bei den Zielen der Schule leicht die religiöse Dimension ausblenden.

Chance für Ethikunterricht

Indes könnte noch etwas anderes leichter gelingen - die Überführung des Ethikunterrichts ins Regelschulwesen. Derzeit wird er nur auf Schulversuchsbasis als Pflichtunterricht für all jene angeboten, die sich ab einem Alter von 14 Jahren vom konfessionellen Religionsunterricht abgemeldet haben oder keiner Konfession angehören. "Mir hat man oft im Bildungsministerium gesagt, dass eine Überführung ins Regelschulwesen wegen der Zweidrittelmehrheit nicht zu schaffen ist", meint Anton Bucher, Professor für Religionspädagogik an der Universität Salzburg. "Aus meiner Sicht könnte man die Zweidrittelmehrheit also durchaus streichen."

Schule, Religion und Recht

Seit der Schulverfassungsnovelle von 1962 erfordern Änderungen in bestimmten Schulgesetzen eine Zweidrittelmehrheit sowie 50-prozentige Anwesenheit im Parlament. Zu den betroffenen Materien gehören laut Artikel 14, Absatz 10 der Bundesverfassung die Schulpflicht, die Schulorganisation, die Privatschulen und das Verhältnis von Schule und Religionsgemeinschaften einschließlich des Religionsunterrichts. Nach einer von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer eingebrachten Gesetzesvorlage soll Artikel 14, Absatz 10 nun im Zuge der Verfassungsreform ersatzlos gestrichen werden. Wichtige Themen wie Schulpflicht, Schulgeldfreiheit, das Konkordat oder Bildungsziele der Schule sollen Eingang in einen eigenen Bildungsparagraphen der neuen Verfassung finden. Ein parlamentarischer Sonderausschuss soll das behandeln.

Derzeit sind die Bildungsziele im so genannten "Zielparagraph" (Paragraph 2, Absatz 1) des Schulorganisationsgesetzes definiert, das ebenfalls nach dem Fall der Zweidrittelmehrheit leichter abänderbar wäre. Deshalb wird von vielen Seiten angeregt, diese Ziele in der Verfassung selbst festzuschreiben. Zuvor sollen sie freilich überarbeitet werden. Gegenwärtig lauten sie u.a. folgendermaßen: ."Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. (...) Die jungen Menschen sollen zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden."

Unterricht im Zelt

Vom 11. bis 16. April findet in Wien und Teilen Niederösterreichs die "Woche des Religionsunterrichts" statt - erstmals interkonfessionell und interreligiös. Neben der katholischen, evangelischen, orthodoxen und altkatholischen Kirche nehmen auch die Islamische Glaubensgemeinschaft und die Israelitische Kultusgemeinde teil. In mehr als 200 Schulen und zentralen Orten will man sich präsentieren - nach dem Motto "Leben. Gut. Ganz. Sinnvoll". Höhepunkte sind das Event "Religion im Zelt" am Dienstag, 12. April von 9 Uhr 30 bis 16 Uhr 30 am Wiener Stephansplatz, sowie die Podiumsdiskussion "Was leistet der konfessionelle Religionsuntericht?" am Mittwoch, 13. April um 18 Uhr 30 im Festsaal des Wiener Stadtschulrates (Wipplingerstraße 28, 1010 Wien).

Österreichweit besuchen etwa 800.000 katholische Schülerinnen und Schüler den Religionsunterricht, 40.000 muslimische, 40.000 evangelische, 7.500 orthodoxe, 400 altkatholische und 240 jüdische Schülerinnen und Schüler. Laut Religionsunterrichtsgesetz, das im wesentlichen den Bestimmungen des Schulkonkordats von 1962 entspricht und im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes für alle 13 gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften gilt, bezahlt der Staat die Religionslehrer.

Infos zur "Woche des Religionsunterrichts" auf www.schulamt.at

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