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Symbiose in Klagenfurt

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Jubiläum des Bundesgymnasiums für Slowenen

Vor einigen Jahren feierten die Kärntner Kulturwelt und darüber hinaus auch maßgebende Kreise der österreichischen Öffentlichkeit einen sieltenen Geburtstag: die 400. Wiederkehr des Gründungstages des Bundesgymnasiums in Klagenfurt. Diese Stätte, die 1563 von den protestantischen Ständen gegründet, später von den Jesuiten übernommen wurde und schließlich zu einer staatlichen humanistischen und später auch realistischen Bildungsstätte heranwuchs, zeigte in ihren reifsten Tagen auch Ansätze einer Universität. Daneben nimmt sich das 10-Jahr-Jubi-läum des Bundesgymnasiums für Slowenen in Klagenfurt recht bescheiden aus. Und doch reichen die Wurzeln dieser Bundesmittelschule für österreichische Staatsbürger slowenischer Zunge (nichtösterreichischen Staatsbürgern ist der Besuch der Schule gesetzlich verwehrt) bereits in frühere Zeiten zurück und sind nicht zuletzt auch aus der Tatsache geworden, daß das Klagen-furter humanistische Gymnasium und nicht nur dieses seit jeher auch Slowenen besucht haben, wenn auch ihr Anteil weit hinter dem der Deutschsprachigen im Lande zurück-blieb, was nicht zuletzt eine Folge des Bildungsprivilegs gewisser Kreise und der vorwiegend agrarischen Struktur des slowenischen Landesteiles war. Seit dem Revolutionsjahr 1848 waren diejenigen, die sich als Slowenen deklarierten, verhalten, die Slowenischstunden zu besuchen. J*iaoi af'-T>itif.~t*

Der Artikel XIX der österreichischen Staatsverfassung vom 21. Dezember 1867 sicherte allen Völkern der großen Donaumonarchie kulturelle Eigenständigkeit zu. In sprachlich nicht homogenen Gebieten entbrannte nun der Streit um die Auslegung des Artikels, der sich vor allem im Kampf um die Schule manifestierte. Die utraqüistische Schule, die vermittelnd ausgleichen sollte, konnte nicht entsprechen. Ihr lag das Prinzip zugrunde, daß das Slowenische nur als Hilfe für die Erlernung und auch nur bis zur Erlernung der deutschen Sprache dienen sollte.

Das Schulwegen der Slowenen in der Zweiten Republik

Das Jahr 1945 brachte nach der Heimkehr vieler slowenischer Landsleute, die im Jahr 1942 von Grund und Boden verjagt und in ferne Anhaltelager verschickt worden waren, einen neuen, vielversprechenden Anfang. Der heutige Direktor des BG. für Slowenen und damalige Landesrat in der provisorischen Kärntner Landesregierung Dr. Josef Tischler arbeitete einen Entwurf für die Neugestaltung des Kärntner Schulwesens aus. Dieser Entwurf, den die Landesregierung am 3. Oktober 1945 zum Beschluß erhob, sah nach Schweizer Muster vor, daß alle im slowenischen bzw. zweisprachigen Territorium lebenden Schulpflichtigen grundsätzlich beide Landessprachen zu erlernen hätten. Dem Schöpfer dieses Gesetzeswerkes schwebte vor Augen, daß ähnliches Unheil, wie es in der Geschichte des Landes schon des öfteren geschehen war, dadurch verhindert werden könnte, daß der Bruder den Bruder dulde und verstehe. Nach Jahren der Ruhe erhoben aber Unduldsame ihre Stimme gegen die „Zwangsschulver-ordnung“, wie sie in diesem Zusammenhang gerne genannt wurde. (Als ob nicht der Schulbesuch an und für sich schon einen Zwang darstellte!) Im übrigen hat für jene Schulen — es waren nicht weniger als 32 — wo der Lehrer gewillt war, die Gesetzesbestimmungen auszuführen, eine Kommission des Unterrichtsministeriums unter Führung von Sektionschef Dr. Peter den Erfolg des zweisprachigen Unterrichtes bescheinigt. Auch die Lehrer selbst waren mit dieser Regelung zufrieden. Ausschließlich politische Momente waren für die Beseitigung der zweisprachigen Schule aus 1945 maßgebend. Feuer erhielten diese Bestrebungen durch Schulstreiks und gehässige Flugzettelaktionen — das alles selbstverständlich in der Hauptsache erst nach Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages. Der Teufelskreis, aus dem herauszukommen eine in den Feueröfen des Weltkrieges geläuterte Generation bemüht war, bannte erneut die Gemüter. So mußte diese Schule unter massivem deutschnationalem Druck fallen. Das neue Minderheitenschulgesetz sieht die Anmeldung zum zweisprachigen Unterricht vor.

Für eine eigene Mittelschule sogleich nach dem Ende des Krieges bestanden kaum die Vorbedingungen. Slowenisch wurde aber an den Realgymnasien in Klagenfurt, Villach und St. Paul von der 5. bis zur 8. Klasse für alle Schüler mit je drei Wochenstunden als Pflichtgegenstand gelehrt. Eine Änderung in diesem Status trat erst mit der Gründung des BG. für Slowenen ein.

Wiederholt wandten sich die Vertreter der Kärntner Slowenen in den Jahren vor der Unterzeichnung des Staatsvertrages an das Bundesministerium für Unterricht mit der Bitte, es möge eine eigene Mittelschule für Slowenen ins Leben rufen. Der Absatz 2 des Artikels 7 des österreichischen Staatsvertrages sieht für die Slowenen eine verhältnismäßige Anzahl eigener Mittelschulen vor. Am 1. September 1955 berief der damalige Kärntner Landeshauptmann Ferdinand Wedenig in seiner Funktion als Präsident des Landesschul-rates ein Beratungskomitee ein, dem neben den Vertretern der Kärntner Slowenen auch Landesschulinspek-tor Hofrat Dr. Franz Arnold angehörte. Noch im selben Monat sollte die Schule mit allen acht Klassen ihre Arbeit aufnehmen. Dies war freilich unmöglich. Am 7. Juni 1957 rief Unterrichtsmihister Dr. Heinrich Drimmel mit Dekret Nr. 43.833-21/5 das Bundesgymnasium für Slowenen als Versuchsschule ins Leben. Minister Dr. Drimmel gehörte zu den wenigen, die in jenem Zeitpunkt an die Existenzfähigkeit dieser Schule glaubten. Für weite Kreise war es nur eine Frage der Zeit, wann sich die Schule wegen mangelnden Interesses von selbst liquidiert haben würde.

Der Schultitel wurde wiederholt geändert. Auf Grund des neuen Schulorganisationsgesetzes und der damit verbundenen Änderungen dn der äußeren und inneren Struktur trägt die Schule nun die Anschrift „Bundesgymnasium für Slowenen in Klagenfurt — DrSavna gimnazija za Slovence“.

Da sich die Räumlichkeiten in den slowenischen Schülerheimen, die nun in aller Eile geschaffen wurden, als unzulänglich erwiesen, kam es zur provisorischen Unterbringung der Schule im neuen Realschulgebäude in der Lerchenfeldstraße 22 mit ausschließlichem Nachmittagsunterricht. Nach 10 Jahren Provisorium ist nun das Bauvorhaben für ein eigenes Gebäude in ein konkreteres Stadium getreten.

Die Vorbereitungen für die Schule legte Dr. Drimmel in die Hände des bewährten Schulmannes Dr. Josef Tischler, der auch heute noch mit großer Freude sein pädagogisches Können Schülern und Professoren zur Verfügung stellt. Wenn die Zahl der Schüler sich heute um 400 bewegt, so ist diese Tatsache nicht zuletzt das Ergebnis Dr. Tischlers persönlicher Einsatzkraft und seinem unerschütterlichen Glauben an das Gelingen des Werkes.

Der Lehrplan des BG. für Slowenen ist so erstellt, daß er in den beiden ersten Klassen eine gründliche Festigung der Kenntnisse in der deutschen Staatssprache und der slowenischen Muttersprache ermöglicht; die 3. Klasse bringt Latein, die 5. Englisch bzw. Griechisch (zur Wahl), die 6. als Freigegenstand Russisch. Unterrichtssprache ist das Slowenische, wohl aber wird die Fachterminologie in den einzelnen Unterrichtsgegenständen in beiden Sprachen gebracht. Schwierigkeiten im Beruf oder beim Studium an der Hochschule ergeben sich nicht, wie die Praxis gezeigt hat. Die Zahl der Deutschstunden entspricht vollkommen jener des Slowenischen. Das über Erwarten gute Wachstum der Schule zeitigt im heurigen Schuljahr erstmals die Reifeprüfung in zwei Parallelklassen. Allerdings stellt der ausschließliche Nachmittagsunterricht eine große Belastung für Schüler und Lehrkörper dar. Bemerkenswert ist noch, daß ein Großteil der Schüler in Schülerheimen der Her-magorbruderschaft und des Slowenischen Kulturverbandes wohnt.

Kein „refugium peccatorum“ aus der Schule zu machen ersuchte anläßlich einer Besprechung im Bundesministerium für Unterricht am 17. Juni 1957 Sektionschef Dr. Vogel-sang den Leiter der Schule. Doktor Vogelsang äußerte des weiteren, es sei die vornehmste Aufgabe dieser Schule, sowohl gute Österreicher als auch gute Slowenen aus den ihr anvertrauten Schülern zu machen. Doktor Tischler erwiderte, daß er das Motto darin sehen wolle, dieser Aufgabenstellung alle seine Kräfte zu leihen.

In sinnvoller Ergänzung zum Bildungsziel der österreichischen Schule, die den Sinn für das Wahre, Gute und Schöne in der Jugend wecken und in ihr die Werte des Sittlichen, Religiösen und Sozialen fördern soll, wächst im Bundesgymnasium für Slowenen eine Jugend heran, die ihre Muttersprache mit ebensolcher Liebe pflegt wie die Staatssprache und im Geiste der Toleranz mithelfen soll, eine Zeit aufzubauen, die die Härten überspitzter Nationalismen nicht mehr kennt. Wenn sie an zwei Kulturkreisen aktiv partizipiert, ist das für sie eine Bereicherung. Die äüsteren Kurzgeschichten eines Ivan Cankar und die Sonette des slowenischen Dichterfürsten Preseren und für den Absolventen dieser Schule Werte, die er in Ehrfurcht sbenso kennt wie den Kosmos der 3rillparzerschen oder Raimundschen 3estaltenwelt. Das im vorigen Herbst abgehaltene Seminar für die Lehrer der Schule hat in der bunten Programmfolge, in der Grazer Uni-/ersitätsprofessoren neben solchen us Laibach Probleme moderner Sprach- und Literaturforschung erörterten, diese verbindende Funktion unterstrichen.

Uberall präsent sein heißt auch für lie Schüler dieser Anstalt das Losungswort. Gerne integrieren sich iie jungen Leute in das Geschehen in Stadt, Land und Staat, was für ihre Väter und Großväter noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit war. Mit einem gewissen Stolz sei vermerkt, daß im Rahmen des Ftednerwettbewerbes der Liga für die Vereinten Nationen heuer der Kärntner Landesbeste aus der achten Klasse des Slowenischen Gymnasiums kam. Viele Absolventen stehen schon im Beruf oder im Hochschulstudium und stellen dort ihren Mann. Ein ausgeprägtes österreichisches Staatsbewußtsein ist für sie selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich aber ist ihnen, daß die liebevolle Pflege eigener Sprache und Kultur dazu keineswegs im Gegensatz steht, wie das manche Leute gerne haben möchten; im Gegenteil: die Persönlichkeit, der sie entgegenreifen, wird erst in dieser Pflege der Eigenart voll. Sie wachsen in eine hoffentlich tolerantere Zeit hinein.

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